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Wil - Thun 1:2
08.04.2023Challenge League 2022/2023


Mattäng, der Fussballspieler: «Beim FC Thun hatte ich nie das Gefühl, allein zu sein. Alle im Verein kennen sich und schauen zueinander. Das gibt es nicht oft in der Fussballwelt»

Der langjährigen thunfans.ch-Leserschaft mag aufgefallen sein: Regelmässige Spielberichte gibt es hier nicht mehr. Die Frage steht im Raum, ob nach 23 Jahren hier endgültig der Stecker gezogen werden soll. Auch weil niemand mehr an Bord des sinkenden Kurvengeschreibselschiffs ist, der IT-Kenntnisse hat. Noch ist es nicht so weit, noch halten wir die Website im Sinne eines Groundhopper-Tagesbuchs mit letzten Zuckungen am Leben. Und eine solche seltene Zuckung lässt sich heute verzeichnen, hat es doch erstmals seit Mitte November 2022 (!) einer der thunfans.ch-Schreiberlinge an ein FC Thun-Spiel geschafft. Wobei: Eigentlich war ja bereits am 23. Dezember 2022 ein Happy Mattäng-Special geplant auf thunfans.ch über den Match FC Thun gegen SC Freiburg, die Zweite und ein paar Feiertags-Stösschen neben dem Spielfeld. Nur hatte uns halt niemand informiert, kein Fan und erst recht nicht der Verein, dass das Spiel längst abgesagt war – und zwar seit Tagen! – als Mattäng nach zwei Stunden Anreise in Thun angekommen ist. Oder aber am Tag des Cupspiels gegen YB. Eigentlich ein Pflichtspiel. Nur hatte dann der heilige Geber die Bieridee, das Stadion trotz 1500 verkauften Tickets erst 60 Minuten vor Anpfiff zu öffnen. Das konnte nicht gut gehen. Das ging für hunderte Thunfans, welche die erste Halbzeit verpassten, nicht gut. Und Nein, von uns ist gar erst keiner angereist. Die traurige Wahrheit ist und lässt sie uns mit allem Frust laut rausschreien: AKTUELL IST ES NICHT MÖGLICH, ALS HEIMWEH-THUNER FC THUN-FAN zu sein.
Stattdessen herzlich willkommen in Wil, wo angeblich die Fussballer attraktiver sind als die Frauen. Merke: Man vermisst immer das, was man nicht selber Zuhause hat. Wie zum Beispiel eine Stadionöffnung 90 Minuten vor Spielbeginn – und das bei 1500 Zuschauern. Oder ein Ticketverkauf ohne Abendkassenzuschlag. Und auch bei der Stadionsicherheit hat man in Wil inzwischen Fortschritte gemacht und zur Ligaspitze aufgeschlossen. Die beiden Stehplatzsektoren grenzen nicht mehr direkt aneinander. Ein Teil der Stadiongegengerade ist neuerdings Sperrgebiet. Keine Möglichkeit mehr für FC Schaffhausen-Zauntouristen, direkt vor unserer Nase zu maxen.
Vor dem Match gibt’s zwei erstaunliche Wiler Originaltöne: Auf dem Platz wird Silvio als neuer Rekordspieler des Vereins geehrt, es ist sein 214. Pflichtspiel-Einsatz für den FC Wil! Und in der Fankurve verstecken sich die paar Dutzend Fans hinter zwei grossen Spruchbändern. Es handelt sich unerwartet nicht um eine Pyroaktion, sondern um eine Nachhilfestunde. In breitestem Dialekt wird das Team nach der langen Sieglos-Serie aufgefordert, den Finger aus dem Arsch zu nehmen und doch noch aufzusteigen. Mangels Fürstenland-Sprachkenntnissen verzichten wir hier auf den genauen Wortlaut. Der FC Wil läuft in einem 3-5-2-System auf. Baumann steht im Tor. Die Dreier-Verteidigung bilden Wallner, Montolio und Altmann. Das Mittelfeld bilden Dickenmann, Bahloul, Muntwiler, Ndau und Heule. Muci und Lukembila sind die beiden Sturmspitzen. Dickenmann und Heule ergänzen die Verteidigung in der Rückwärtsbewegung auf den jeweiligen Seiten zu einer Fünferkette. Und wer jetzt behauptet, dass wir für diese Analyse beim Liveticker des Wiler Tagblatt gespickt haben, hat natürlich Recht.
Genau analysieren können wir dafür das erste Tor. Das erzielt nämlich ein Thuner. Dos Santos schiesst aus etwa 20 Metern, der Wil-Goalie lässt abprallen und Mattäng, der Fussballspieler schiesst völlig freistehend zum 0:1 ein. Erst sechs Minuten sind da gespielt. Das Spiel ist ziemlich ausgeglichen. Grösster Unsicherheitsfaktor ist für beide Teams Schiedsrichter Schärli, der konsequent inkonsequent pfeift und so gar keine Linie hat. Er scheint bei Zweikämpfen darauf zu achten, in welchem Winkel ein Spieler auf den Boden knallt und nicht etwa, ob das Duell nun fair war oder nicht. Also ein klassischer Heimschri wäre uns lieber als jener Herr, dem der Dreikäsehoch neben mir immer mal wieder zuruft: «Hey Schiri, hesch Linse, Brülle u süsch aues vergässe!?!» Lieber wäre uns auch, wenn der FCT mit einem Vorsprung in die Pause gehen würde. Dem ist nicht so, in der 33. Minute gleicht Muci aus nächster Distanz per Kopf zum 1:1 aus. Und der Schiri zeigt Bürki gelb, weil dieser auch ohne VAR das Tor überprüft haben möchte. Kannst du dir nicht ausdenken.

1:1 ist der Pausenstand. Schnell ein Bier geholt – das Cateringteam ist schneller geworden; schnell ein Blick gegen den Himmel – heute wird der heftige Regenschauer ausbleiben; schnell mit Sturmmaske aufs WC – also nur diejenigen von uns, die in der Lidl Arena ähnlich viele Überwachungskameras vermuten wie an einem durchschnittlichen SBB-Bahnhof. Gezündet werden die Pyros dann aber doch nicht auf dem WC, sondern bei Wiederanpfiff in der Fankurve. Vernünftiger Entscheid. Und etwas Pyrolicht gibt es auch in der 58. Minute. Bei einem Weitschuss von Bertone springt Mattäng, der Fussballer am Ball vorbei, was den Wil-Goalie Baumann wohl entscheidend irritiert. Der Schuss sitzt, Thun führt 2:1. Das feiern wir nun ausgelassen. Und ansonsten wird es vor allem bei Zweikämpfen laut in der Kurve. Also praktisch jede zweite Minute. Schiedsrichter Schärli entscheidet sich für 32 Fouls und 11 gelbe Karten. Und zum Glück nur auf drei Tore. Denn Tor Nummer 4 wäre dann vermutlich wieder eines des FC Wil. Das Heimteam dominiert die letzten 30 Minuten. Es kommt zu gefährlichen Chancen aus dem Spiel heraus und auch wegen Freistosspfiffen. Doch Matic ist heute stark und lässt keinen zweiten Gegentreffer zu. Mit dem wichtigen Sieg in Wil macht Thun einen grossen Schritt Richtung Top 3.
Und was ziehen wir aus den thunfans.ch-Beobachtungen neben dem Platz für Schlüsse? Der gelehrte Rämu – nicht zu verwechseln mit Ramses, dem Grossen – gibt uns auf den Weg: «Freundschaften musst du rechtzeitig beenden, auch wenn es weh tut. Ansonsten hast du in zwei, drei Jahren eine wirklich schlimme Situation.» Ja dann… man sieht sich sicher einmal wieder, vielleicht spielt der FC Thun beim nächsten Spielbericht schon NLA.

Mattäng, der Fussballfan: «Beim FC Thun hatte ich oft das Gefühl, allein zu sein. Alle im Verein kennen sich und schauen doch nur auf sich. Das gibt es nicht oft in der Fussballwelt»