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Wil - Thun 1:1
26.08.2022Challenge League 2022/2023


„Ich kann nichts, ich bin nichts, gebt mir eine Uniform!“ Wir Thunfans sind hässig und stimmen einen Schlachtruf an gegen jene Organisation an, die mal wieder absolut nichts im Griff hat, aber umso mehr provoziert. Nein, nicht gegen die Polizei. Gegen die SBB.
Wir fahren heute im Zug zum Leader Wil. Dank Platzreservation mit Sitzplatzgarantie. Denkste. Zwischen Thun und Bern geben mehrere Ausflügler und Pendler unsere Plätze nicht frei. Unterstützung durch die SBB-Crew gibt es nicht. Und auf der Strecke ab Zürich wird die Reservation des ganzen Waggons nur klein in der elektronischen Anzeige über den einzelnen Plätzen vermerkt. Was zu vielen Missverständnissen führt. Der Gipfel der Frechheit ist dann aber, das die „Zürich-Wil“-Reservation bei Einfahrt im Bahnhof Winterthur gelöscht wird. Als hätten 99 Prozent der Leute unserer Reisegruppe ein Stadionverbot. Und so kommen dann natürlich Pendler zu uns in den Wagen. Wie reagiert der Zugchef? Er droht einem Thunfan, der im Gang steht und für Sound sorgt, mit einer Anzeige! Weil er die anderen Zugpassagiere stört. Gehts noch? Und so singen wir halt.
Still bleibt es dagegen auf dem Fanmarsch. Stattdessen wird fleissig geklebt, trotz enger Polizeibegleitung. Vielleicht nicht so clever, wenn es hell ist. Andererseits ist fĂĽr den Abend Starkregen angesagt, da erledigt man die Kleber-BĂĽetz besser rechtzeitig.
Im Stadion bleiben wir vorderhand trocken. Im doppelten Sinne. Am Verpflegungsstand steht mal wieder nur die eine altbekannte Dame, die bis weit in die erste Halbzeit hinein den Stand allein schmeisst. Und so warten und warten wir. Ich starte höchstens auf Platz 7 oder 8 der Warteschlange und stehe mehr als eine Viertelstunde an. Nicht wirklich hilfreich ist der nette Kollege vor mir, der eine Sammelbestellung mit 20 Bier und ein paar Mahlzeiten aufgibt. Ja dann Prost.
Zäh ist’s nicht nur beim Bier zapfen, sondern auch beim Fussball spielen. Thun hat häufig den Ball, ist aber zähneknirschend ideenlos. Kaum eine Ballstafette, die funktioniert. Kaum ein Schuss, den man als Torchance bezeichnen könnte. Und wenn unsere Neun Mattäng ausnahmsweise mal gefährlich abzieht, brilliert Wil-Goalie Keller. Anders Wil in der 37. Minute, wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung der Thuner. Ein Fehlpass im Mittelfeld, eine halbherzige Deckung durch Sutter, ein schwacher Reflex des neuen alten Goalies Hirzel und schon landet ein 20-Meter-Schuss von Josias Lukembila im Netz. 1:0. Glücklich für Wil, aber passend für dieses zerfahrene Spiel. Das hier mit Wil der Leader und mit Thun ein Aufstiegsanwärter auf dem Platz stehen, merkt man überhaupt nicht. Beeindruckend sind eigentlich nur die Blitze am Horizont, die den Regen ankünden. Und die Hartnäckigkeit von Matrose beim minutenlangen Einüben jenes gar nicht so neuen Liedes, dessen Text so gar nicht in unseren Kopf will. Für einige Fans ein Frusterlebnis, das an die Schulzeit erinnert.
Ja und dann kommt mit der zweiten Halbzeit der starke Regen. Es schüttet nur so auf uns hinab. Einige Zuschauer im anderen Sektor waren wohl verkabelt, denn mit Beginn des Regens brennen bei ihnen die Sicherungen durch. Sie trotteln zu unserem Zaun und maxen. Einer winkt uns dabei mit einem FC Schaffhausen-Fahnentuch zu. Wir nehmen das mal so zu Erkenntnis und widmen uns dann wieder dem Spiel von Thun und Wil. Mit Dzonlagic und Ahmed suchen zwei neue Kräfte den Torerfolg. Und schaffen es tatsächlich. Pass von Dzonlagic auf Ahmed, der zum 1:1 einschiesst. 66 Minuten sind da gespielt. Weitere gute Chancen folgen jetzt, nochmals von Ahmed, dann ganz am Schluss von Rüdlin. Wil wehrt sich tapfer, ohne selber noch nach dem Siegestreffer zu suchen. Schliesslich ist Schluss, 1:1. Und die Wiler Kurve macht noch den Kassensturz. Sie stellt erfolgreich fest, dass Pyros auch bei Dauerregen zuverlässig brennen. Danke für diese wichtige Konsumententipp.
Nach dem Spiel bleibt viel Zeit bis zur Zugabfahrt um 23 Uhr. Deshalb geht jeder im Regen seinen eigenen Freizeitaktivitäten nach, soweit es jedenfalls all die Polizei zwischen Stadion und Bahnhof erlaubt. In meinem Fall heisst das, zweimal in einem Schwatz mit Polizisten herauszufinden, wo ich denn durchgehen soll. Und mich natürlich nicht daran zu halten. „Gönd Sie unde düre!“ Nid mau viellech, we obe düre dr Kebablade isch. Um jetzt noch ein Bödeli zu setzen, bin ich aber zu nass. Ich nehme zwei Bier über die Gasse und setze mich dann zum Aufwärmen ins wind- und regendichte Wartehäuschen. Das ist passend dekoriert mit leeren Schützengarten-Flaschen. Gesoffen wird in der Ostschweiz also nicht nur beim Fussball. Für eine Erzählung über die anderen Freizeitaktivitäten bleibt hier kein Platz. Ein Wortwechsel sei aber doch erwähnt, den ich zufällig mitbekomme. Da ruft so ein Typ halb Richtung Polizei, halb ins Dunkle der Nacht hinein: „Euse Ma fehlt! Wo isch er? Wo isch de Capo?“ Am Liebsten würde ich zurückrufen „In Schaffhausen, du Depp“. Aber ich will ja kein Bier verschütten. Stattdessen zum Abschluss ein Reisetipp: Am Sonntag, 4. September ist beim Spiel Vaduz gegen Schaffhausen im ganzen Stadion Gratiseintritt. Das wäre doch die ideale Gelegenheit, dort auch einfach mal so Fahnentücher auszubreiten von Vereinen, die dort gar nicht spielen. Hat jemand von euch eine Wacker Thun-Blockfahne, die ich ausleihen darf?