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FCZ - Thun 2:0
22.09.2019Super League 2019/2020


„Wie schaffsch es, so es guets Luegi zha u jedi Situation richtig ischätze?“ „Du chasch nie wüsse, was rund um di alles passiert. I mues mi da ganz uf mis Gfüehl verlah.“ Wer hier am Dienstagnachmittag gemeinsam in der Schmiedstube darüber philosophiert, wie man als Spielleiter weiss, wann eine Höchststrafe angesagt ist, wann eine Ermahnung genügt und wann man sich sogar kurz für ein Selfie Zeit nehmen kann, sind der Fulehung und ich. Gemeinsam lassen wir bei einem Bier die vergangenen Ausschiesset-Tage Revue passieren. Ein Ausschiesset, der auch am späten Dienstagnachmittag noch nicht abgeschlossen ist, wenn man erstmals als Ehrengast der Stadt Thun bei der berüchtigten Fuli-Tour mitlaufen kann. Euch Fussballfans sei dieses Erlebnis folgermassen erklärt: Die Fuli-Tour ist vom Lärm- und Bierpegel her etwa so wie eine Cupfahrt, ein Derbysieg und eine Moskau-Reise in einem. Also pädagogisch sehr wertvoll, wird doch jedes mögliche Thema dieser Welt im Laufe der Tour einmal angesprochen. Mit einer Ausnahme: diesem Fussballmatch, der am Sonntag in Zürich stattgefunden haben soll.
Dort stand ein Spielleiter auf dem Platz, der leider überhaupt kein so guets Luegi hat wie der Fulehung. Vielleicht hat sich Schiedsrichter Klossner von der bissigen FCZ-Choreo einschüchtern lassen - die Südkurve zeigt wahrhaft gefürchige Zähne Richtung Stadiongegner und andere Querulanten dieser Welt; vielleicht hat er aber auch nur wieder wie im Barrage-Hinspiel das EAV-Syndrom. Wir Kinder der 80er wissen: Wie eine Fata Morgana, Abakadabra und sie war nicht mehr da...
Dabei beginnt Thun stärker, auch der Neuling Justin Roth gefällt. In der 17. Minute hat er nach einer Flanke von Castroman eine Topchance. Genau dieser Castroman steht im Mittelpunkt, als in der 21. Minute Mahl auf Thuner Tor zu rennt. Der Thuner stoppt ihn. Ein einwandfreies Tackling, wie so ziemlich alle im Stadion denken. Ausser der Gestoppte. Und irgendein Fussballneuling in Volketswil. Der VAR schaltet sich ein, Klossner sieht sich die Szene am Bildschirm nochmals an und will dann Salanovic die Rote Karte zeigen. Salanovic! Wir trinken ja alle ziemlich viel am diesjährigen Ausschiesset, aber so einen sturmen Gring wie Klossner hat wirklich keiner von uns irgendwann zwischen Sonntagmittag und Dienstagabend gehabt. Diese Szene hilft natürlich auch nicht gerade, dass wir akzeptieren können, dass die dann doch noch Castroman gezeigte Rote Karte seine Richtigkeit gemäss Regelbuch hat.
Thun muss sich in Unterzahl zurückziehen und den Ball den Zürchern überlassen. Die tun sich 20 Minuten lang schwer mit der neuen Spielsituation, ehe Sohm in der 41. Minute bei einem Eckball richtig reagiert und am überhasteten Hirzel vorbei seinen ersten NLA-Treffer erzielt. Kein unhaltbarer Treffer.
Nach der Pause folgt dann schon der K.O.-Schlag. Nach einem seltenen Thuner Konter lancieren die Zürcher den Gegenangriff. Marchesano auf Tosin und schon wieder feiert ein FCZ‘ler seine NLA-Torpremiere. Was aus Thuner Sicht umso mehr schmerzt, da unser Team schon die dritte Partie hintereinander ohne Torerfolg bleibt. Die besten Torchancen hat in Halbzeit Zwei noch Tosetti, doch profitiert er bei seiner Einwechselung nach 70 Minuten auch stark davon, dass die restlichen Akteuere auf und neben dem Platz immer stärker den Abpfiff herbeisehnen. Als Schlusspunkt gibt es in der 92. Minute noch mal eine gefährliche Situation von Tosetti, doch dann ist Schluss mit diesem Spiel. Unser Fazit: Der Fulehung könnte gerne mal den Thunspielern das Treffen beibringen. Und vor allem den Schiedsrichtern das guete Luegi, allen voran Klossner.
Ja und dann geht es für meine Thuner Reisebegleiter und mich direkt im Car an den Ausschiesset. Dort passiert nicht mehr viel. Gut, ich trinke eine Stange aus einem Turnschuh - wenigstens nicht aus meinem und für ein Freibier als Belohnung. Ich fahre Rösslispiel - aber auch nur weil es der Fulehung und andere Thuner Prominenz vorgemacht haben. Ich bin am Montagnachmittag neun Stunden in der gleichen Beiz, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nur noch 15 Rappen im Portemonnaie habe. Ich wüsste zwar (Überraschung!) meinen Bankcode noch, aber der Bancomat ist leer gefegt. Meine Kollegen - und meine Kollegin, merci - versorgen mich armen Schlucker trotzdem die ganze Zeit mit Biernachschub. Wie gesagt, neun Stunden lang. Ich setze Kevä abends um 19 Uhr in seinen Bus - um eine halbe Stunde einen erbosten Anruf seiner Freundin zu erhalten. Was kann ich dafür, dass Kevä wie ich auf dem Rösslispiel mit dem Bus Runde um Runde dreht statt endlich einmal auszusteigen. Und im Zeitalter von #MeToo sei hier gesagt: Ich erlebe im Café Zentral den besten Ausschiesset-Kuss seit Jahren - mit einem Typen natürlich, man will ja schliesslich mit der Zeit gehen. Doch es ist ein ganz übles Gerücht, dass ich beim Kuss an Klossner gedacht haben soll. Wo fäuts!?