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GC - Thun 0:2
25.09.2018Super League 2018/2019


Dame Xy vom Litteringteam fragt mich schon kurz nach dem Zapfenstreich am Sonntagabend besorgt: «Über den Fulehung schreibst du aber schon keinen Bericht wie über die Spiele!?» Nein, natürlich nicht. Nur wie es der Zufall so will, befinde ich mich am Sonntagabend um 21 Uhr und bei 24 Grad schon auf der Anreise ins Letzigrund – die vorderhand mit einer Weissweinflasche aus dem Coop seine Fortsetzung nimmt. Immerhin zweieinhalb Stunden vor dem Spiel treffe ich mit Kevä im Schlepptau in meiner Wohnung in Zürich ein – und auch das nur, weil irgendwann zwischen dem Zapfenstreich beziehungsweise Dame Xy und diesem Fussballspiel die Temperatur auf 4 Grad abgestürzt ist(was im Letzigrund gefühlten Minus 4 Grad entspricht) und ich dringend Winterjacke und Kappe benötige.
Aber sind wir nicht alle irgendwie am Fulehung abgestürzt? Rekordaufmarsch am Zapfenstreich, der mit über 30 ziemlich an die Kondition geht. Ganz viele Thunspieler – vom EHC – die in der Metzgere von den Fans mit Handschlägen und (positiven!) Liedern begrüsst werden, obwohl sie doch Letzter sind in der Tabelle. Die UItramentalität hat bisher weder im Grabengut, noch in der Metzgere Einzug gehalten. Dann weiter in die American Bar, wo wir zwar nicht ins Englische wechseln, Bühler aber plötzlich Heimweh nach Rumänien bekommt und unbedingt nach Bukarest ans Wacker-Spiel will – zu Fuss natürlich, wie es sich in einer Fulehung-Nacht natürlich gehört. Bald ward er nicht mehr gesehen, wir essen unsere Mehlsuppe. Dann ab in den Chäs, wo schon nach fünf Minuten auf der Tanzbühne «Wo fäuhts!?»-Kernen fäuht. Kevä und ich sind derweil fleissig an der Bar und auf der Tanzfläche – selbst wenn auch hier wieder jedes gefühlt vierte Lied diese 079-Stalkingeschichte ist. Es wird nicht der letzte #Metoo-Moment bleiben. Dann endlich auf den Rathausplatz – und irgendwann klingt das Fest bei Hidir aus. Wer jetzt schon einem Filmriss hat, wird tagsdarauf auf Seite 2 im Thuner Tägu aufgeklärt: «Am Rande des Ausschiesset, jedoch in keinem Zusammenhang zum Anlass, sorgte ein kurzer Polizeieinsatz inmitten der Leute für Aufsehen. Wir können einen Einsatz am Montag um 9.30 Uhr am Mühleplatz bestätigen, dies im Zusammenhang mit der Anhaltung einer gesuchten Person…» Ja, sucht man jetzt in Thun wirklich schon Personen, die wegen dem Fulehung die Zeit vergessen? Am Rande der Seite 2 im Thuner Tägu, jedoch in keinem Zusammenhang zum Anlass, steht übrigens auch noch die Schlagzeile: «Musiker im Stadion ausgepfiffen». Und die Aussage von Markus Lüthi: «Wer jene Haltung vertritt, kann sich einen anderen Club suchen.» Ich hoffe mal sehr für Lüthi, dass er für diese Aussage ein Düre-Mach-Alibi hat. Irgendwann ist dann Nachmittag, Michaela-a-a, und der Lärmpegel steigt parallel zum sinkenden Niveau der Musik. Matros verspricht aber, dass wir nur 26 Lieder warten müssen, bis endlich die gute Musik zu spielen beginnt. Trotz all dem Lärm schlafen die ersten von uns am Tisch ein. Halbschlafender Ambrifan Nummer 1 schüttet dann ganzschlafendem Ambrifan Nummer 2 Wasser über den Kopf – im Café Zentral und in der Valascia wird die UItramentalität eben noch gelebt. Darauf folgt je nach Sichtweise der Höhepunkt oder Tiefpunkt des Fulehungs. Der aufgeweckte Ambrifan schaut kurz in die Runde der fünf Thunfans an seinem Tisch und schüttet dann selber Wasser aus – über die einzige Frau am Tisch. #Metoo, Kollege, #Metoo. Um 19 Uhr verabschiede ich mich dann, denn ohne Schlaf kann ich vielleicht auskommen, aber zwei Zapfenstreiche innert 24 Stunden schaffe ich mit über 30 nicht mehr.
Nochmals 24 Stunden später – das Gesslerschiessen und der Schlussumzug sind eindeutig seriöser abgelaufen – stehe ich dann im Letzigrund. Also im leeren Letzigrund. Erst am Samstag war ich im gleichen Quartier – Kreis 9 für alle Züri-Fans – an einer Viehschau, an der es mehr Leute hatte als hier. 3500 Zuschauer sind es hingegen offiziell, so gut die Hälfte davon ist wirklich anwesend. Genau das passiert also, wenn es an einer Sport- oder Freizeitveranstaltung keine Treichle hat.
Das Spiel beginnt gleich mit einer Topchance von Spielmann. Sein Lieblingsfan Särlä passt da aber gerade nicht auf, weil sie sich an einem Rumputsch abmüht. Typisches Dienstagabendgejammer? Nein, noch nie war hier im Stadion der Puntsch so schlecht dosiert, jedes Zuckerwasser am Fulehung hatte da mehr Treibstoff. Es dauert drei weitere Rumpuntsch-Runden – und ein Gespräch unter vier Augen zwischen Kevä und dem Standchef – bis wir endlich einen Rumputsch erhalten, der diesen Namen auch wirklich verdient. Etwa 80 Minuten werden da gespielt sein.
Das Spiel ist nicht wirklich gut, doch Thun immerhin die bessere Mannschaft auf dem Platz. In der 26. Minute hat die zweite Grosschance des Spiels, nicht wahr Särlä, wieder Spielmann. So alleine im Strafraum könnte man den Ball aber sicher auch ins Tor köpfeln statt nur links daran vorbei. Dann die 28. Minute – ich zitiere den Sportal.ch-Liveticker-Schreiberling: «N'Goy mit dem perfekten Zuspiel auf Nedim Bajrami, der aus halbrechter Position abzieht. Guillaume Faivre klärt den Ball in extremis an den Pfosten.» Fussballkenner, die nicht am Fulehung waren, werden später sagen, sie hätten in dieser Aktion die einzige GC-Chance des Spiels erkannt. Ich bin schon froh, haben die Thunspieler heute Abend die eindeutig die besseren Reflexe als wir Thunfans. Es ist aber nur ein Gerücht, dass der Capo hinter seiner Sonnenbrille mal wieder eingeschlafen ist, wenn es mal ausnahmsweise für fünf Minuten ruhig bleibt im Thunsektor. Er meditiert sicher nur.
Für Emotionen sorgt dann die Totomat-Melodie. Mangels anderen NLA-Spielen freuen sich die Langnaufans unter uns, jetzt dann die Führung ihrer Tigerli bejubeln zu können. Denn gerüchtweise steht es ein paar Kilometer weiter drüben in der Halle 0:3 oder sogar schon 0:4 für den SCL. Doch dann kommen Bundesligaresultate – notabene vier Minuten, nachdem die Spiele überhaupt angepfiffen worden sind. It’s Nau or Never…
Die zweite Halbzeit fühlt sich dann selbst für jene Thunfans als lange an, die locker mal 15 Stunden am Stück auf dem Mühli sitzen können. Aber hey, auch unsere Zeit ist kostbar. Jede noch so schwache Aktion wird jetzt in die Länge gezogen. Um nochmals die arme Sau zu Wort kommen zu lassen, der über eine solche Partie einen Liveticker schreiben muss: «Pinga kommt im Strafraum der Gäste zu Fall und reklamiert einen Penalty, der Schiedsrichter lässt jedoch weiterspielen. Es kommt zu einer Rudelbildung, welche mit gelben Karten bestraft wird.» Die ganze Aktion dauert über eine Minute, in der wir die ganze Zeit Angst haben, es gebe da doch noch einen Penalty.
In der 81. Minute hat dann nicht nur GC eine erste Torchance in der zweiten Halbzeit, sondern wir endlich einen guten Rumputsch – wir haben uns so lange dafür eingesetzt, dass es unbedingt nochmals erwähnt werden muss. Und vor allem sorgt der Rumpuntsch für ein süffiges Happyend: Denn eigentlich wollte Kevä fünf Minuten vor Schluss raus aus dem Stadion, um rechtzeitig den Zug zu erwischen. Nun bleibt er dank Rumputsch aber und sieht, wie Hunziker in der 88. Minute einen Eckball tritt. Der Ball kommt erst zu Tosetti, der köpfelt, und Sutter, der irgendwas mit seinem Rücken macht. Der Ball landet so zwar im Netz, doch an einem Spiel wie heute weiss erst einige Sekunden lang niemand auf und neben dem Platz, ob der Treffer überhaupt zählt. Dann der Jubel des Teams und der Jubel von uns: 0:1!
Hat ĂĽbrigens jemand gesagt, Thun könne keine Eckbälle verwerten? In der 94. Minute versuchen sie nochmals ihr GlĂĽck, wobei die kurze Variante wohl eher aus ZeitspielgrĂĽnden gewählt worden ist. Dann kommt aber Fatkić auf den Geschmack, ĂĽberläuft zwei Gegenspieler und spielt zu Tosetti. Der dann wieder zurĂĽck auf Fatkić, der den Ball zum 0:2 in Netz hämmert. Nun ist es lauter im Letzigrund, als vor ein paar Stunden – oder ist das doch schon ein paar Tage her? - um 5 Uhr morgens auf dem Rathausplatz. Hopp Thun und Guet Nacht!