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Thun - FCZ 1:4
12.12.2015Schweizer Cup 2015/2016


Lieber Tomtom,

diesen Spielbericht schreibe ich persönlich an dich. Angesichts des ernüchternden Resultats gehe ich ohnehin nicht davon aus, dass irgendein anderer Thunfan sich für diese Zeilen über ein kleines, aber nerviges Fussballdebakel vom 12.12.15 interessieren könnte. Genau zwei Jahre ist es heute her, seit der Fussballgott das Spiel des Lebens für dich abgepfiffen hat. Glaub mir, wir vermissen dich immer noch sehr. Was du nicht alles verpasst hat: Einen 5:0-Sieg im Letzigrund gegen GC. Drei Auswärtsniederlagen in Aarau. Ganz viel Feuerwerk auf dem Heimweg vom letzten Aarau-Match (man muss schliesslich gute alte Freunde ordentlich verabschieden). Und dann war da natürlich noch die Reise nach Prag. Schöne Frauen gibt es dort immer noch. Und Bier. Viel Bier. Und Schweinswürstli. Hunger hatten wir jedenfalls nie. Und dann waren wir mit dem FCT selbstverständlich auch wieder in der Cup-Provinz unterwegs. Als da im Zürcher Säuliamt die ganze Zeit ein junger Thuner gegen den Zaun getreten hat, haben wir ihn alle belehrt, was sich an einem Zaun gehört. Selbst unser Broncho. Du sollst schliesslich weiterhin der einzige Thunfan sein, der seine Leidenschaft am und mit Zauni so richtig ausgelebt hat. Jedenfalls hat Thun das Spiel gegen Wettswil-Bonstetten gewonnen, weshalb wir heute im Cupviertelfinale stehen – in einem Heimspiel gegen einen anderen Zürcher Verein. Ja, ich weiss, so eine Spielansetzung an deinem zweiten Todestag hat eine gewisse Ironie. Schliesslich hatte dein letzter Spielbericht, den du für thunfans.ch geschrieben hast, die Partie Thun-GC zum Inhalt. Im Dezember 2013 war das. Tore hat es keine gegeben. Dafür 120 Minuten frieren in der Arena. Und einen Thuner Sieg.

Wie du weisst, bin ich ja auch Gottéron-Fan. Nein, Meister sind die immer noch nicht geworden. Aber da sie weniger häufig 0:0 spielen als Thun, führen sie jedes Jahr ein lancer d'ours en peluche durch. Gestern war es wieder so weit. Im dritten Drittel konnte ich dann mein Plüschtier tatsächlich werfen. Beim Stande von 1:7. Wenigstens hatte ich dieses Mal beim ersten Gottéron-Tor so viel Bier intus, dass ich zum ersten Mal in all den Jahren mit meinem Plüschtier aufs Eis hinab traf. Eine Kanterniederlage hat auch seine Vorteile. Aber das weisst du ja von unseren gemeinsamen Fanfahren nach St. Gallen. Ich muss aber zugeben, dass die meisten Plüschtiere schon beim 4:0 von Davos auf dem Eis gelandet sind. Es gibt halt Fans, die bei gewissen Spielen jeweils etwas früher nach Hause gehen müssen. Wenn unser wichtigster Fan (entschuldige Tomtom, das ich damit doch nicht dich meine) nach gefühlt sieben Jahren heute endlich wieder zurück im Stadion ist, ist er entschuldigt. Es kann schon sein, dass er während seiner jahrelangen Abwesenheit jedes Fussball-Zeitgefühl verloren hat und er sich deshalb mitten im Spiel verabschiedet, um an seinen eigentlichen Arbeitsplatz zu gehen. Schade, macht es Hediger ihm nicht gleich. Bei Fans wie Fanclublegende freuen und wundern wir uns dagegen zugleich. Schön, ist er am Match. Aber wie lange eigentlich? Letztes Jahr hielt er es gerade mal bis zur Pause am Cupviertelfinale aus. Okay, das war in der unbeheizten Cuphochburg Münsingen. Aber nein, 90 oder gar 120 Minuten Cupviertelfinale trauen wir ihm auch in der Arena nicht zu.

Du musst aber wissen, dass von allen im Stadion die FCZ-Fans am wenigsten Geduld haben. Und ich sage das jetzt nicht, weil sie im Bus zum Stadion schon so hyperaktiv sind und hie und da etwas kaputt geht. Es ist ja schon sensationell, wie sie zu hunderten nach Thun gekommen sind und für einen ausverkauften Gästesektor sorgen. Doch fällt eben auch (negativ) auf, dass sie von Anfang an in einem Spielabbruch-Modus zu ticken scheinen. Die erste Pyroshow, die sie unter der grossen Blockfahne basteln, ist ja wirklich noch toll. Als dann aber alle paar Minuten wieder in irgendeiner FCZ-Ecke Fackeln oder Rauchbömbli gezündet werden, wird es langsam nervig. Immer wieder hängt der Rauch tief im Stadion, immer wieder werden die Spieler von Fackeln geblendet. Und damit nicht genug: Als die Thunspieler in der ersten Halbzeit die Eckbälle vor dem Zürcher Block treten müssen, werden sie wie selbstverständlich jedes Mal mit Gegenständen beworfen. Was sollen diese Feuerzeuge? Rauchen ist schliesslich sowieso tödlich. Eigentlich ein Witz, dass Schiedsrichter Erlachner das Spiel nur einmal wegen der Wurfmanie unterbricht.

Du schüttelst jetzt sicher wegen diesen FCZ-Aktionen den Kopf, Tomtom. Als du Thun vor zwei Jahren das letzte Mal gesehen hast, haben die Eckbälle der Thuner bei den Gegnern schliesslich noch keine Angst ausgelöst. Sondern höchstens Lachanfälle. Und weisst du was: Das ist im Dezember 2015 immer noch so. Als Zarate in der 11. Minute wieder mal so einen harmlosen kurzen Eckball tritt, flucht neben mir Fanclublegende: «Was söu de dä Scheiss?» Während Fanclublegende so vor sich hin flucht, kommt der Ball von Schirinzi in den Rückraum zu Wittwer, der einfach mal so auf den Ball eindrischt. Der Ball fliegt Richtung Strafraum und fliegt und fliegt und… landet rechts unten im Tor. 1:0. Ein Tor, wie geschaffen für einen Abend, an dem man ein Cupmärchen schreiben will.

Vor zwei Jahren hast du in deinem GC-Matchbericht über sonderbares finnisches Brauchtum geschrieben. Dein Satz lautete konkret: «Ethnologische Deutungen über finnisches Brauchtum, bei dem mit Bällen nicht nur in den Himmel, sondern auch auf Torumrandungen gezielt wird, sparen wir uns nämlich.» Gemeint hast du damit unseren Finnen Sadik, der inzwischen nicht mehr bei Thun spielt. Und doch trifft er auch heute noch zu. Wenn man sich diese erste Halbzeit nämlich so ansieht, scheint FCZ-Trainer Sami Hyypiä seine Stürmer ausführlich mit dem finnischen Brauchtum vertraut gemacht zu haben. Denn sei es nun Etoundi oder Buff, die Zürcher vergeben ihre besten Torchancen kläglich.

Uns soll es Recht sein. Wir Thuner sind jedenfalls nach der ersten Halbzeit zufrieden. Noch zufriedener sind jene Fans, die herausfinden, wo man heute ein Holdrio erhält (an den Getränkeständen, aber nicht im Fanzelt). Ja, Tomtom, wir Fans setzen auch 2015 noch die richtigen Prioritäten. Und so ein Getränk, das Trost spendet gegen die Kälte und gegen den Spielverlauf, brauchen wir nach Wiederanpfiff wirklich. Denn da zaubert jetzt plötzlich der FCZ: 50. Minute Tor Etoundi, 1:1. Und in der 57. Minute Tor Reinmann, 1:2. Wirklich wahr, nicht 2:1. Denn Reinmann arbeitet auch in dieser Saison verbissen an seinem Ruf, Rekord-Eigentorschütze des FC Thun zu sein. Dieses Mal hat er einen Schuss von Grgic unhaltbar ins Tor abgelenkt. Warum dann doch dieser und nicht Reinmann als Torschütze ausgerufen, wird mir nicht klar.

Und dann geht Fanclublegende heim. In der 71. Minute. Wahrscheinlich ärgert er sich, dass heute jedes Tor vor dem Gästesektor fällt. So alte Männer wie wir sehen schliesslich nicht mehr so gut. Und doch können wir erahnen, dass die Thuner bei diesem Eckball der Zürcher einfach neben ihren Schuhen gestanden sind. Zwar versucht Faivre mit einer Glanzparade bei Kecojevics Kopfball die Thuner noch im Spiel (und Fanclublegende noch im Stadion) zu halten. Doch beim Abpraller reagieren die Verteidiger zu langsam, so dass Etoundi zum 1:3 einschiessen kann. Schöne Weihnachten! Was Fanclublegende dadurch alles verpasst: Die Pyroaktionen Nummer 21 bis 31 der Zürcher. Und einen Schuss von Philippe Koch in der 79. Minute. Es handelt sich dabei um das 1:4.

Nach diesem ernüchternden Resultat geht’s heimwärts. Oder zumindest stadteinwärts. Wie gerne würden wir uns auf der kurzen Busfahrt etwas ausruhen. An liebsten auf dem Boden zwischen den Sitzreihen. Du weisst ja, wie erholsam das sein kann. Aber daraus wird nichts. Schon beim Obi werden wir von einem Verkehrspolizisten gestoppt. Ein älteres Ehepaar klopft an die Bustüre. «Witerfaahre, witerfaahre!» sind wir uns im im bereits gut gefüllten Bus einig. Schliesslich lesen wir das Zwölf und nicht die Bibel. Doch der Buschauffeur lässt sich erweichen und lässt das Ehepaar in den warmen Bus hinein. Worauf drei Dutzend Zürcher hinterher zotteln und der Verkehrspolizist im Businnern noch etwas Fanmikado spielen darf. Es wäre nämlich wirklich noch gut, hätte der Chauffeur einen Blick frei auf die Strasse statt auf Südkurvenschals.

Ich dagegen werde erst am Bahnhof vom blau-weissen Schalmeer um mich herum erlöst. Und dort sehe ich auf der Fahrplananzeige, dass ich dank dem Sonderhalt meinen Zug verpasst habe. Ich überlege kurz, ob ich auf den FCZ-Extrazug umsteigen soll, aber dann besinne ich mich, dass heute ja Tom-Tom-Tag ist. Da will ich mich doch nicht mehr über dieses Spiel ärgern, sondern auf dein Wohl trinken. Und so lande ich in einem Spunten, an dem auch du deine Freude gehabt hättest. An der Wand hängt zwar ein YB-Schal. Und es hat zwar weniger Frauen als auf der Reeperbahn. Aber dafür ist das Bier billiger. Und der DJ spielt Blasmusik und Gölas Indianer. Prost!

Häbs guet
Gruess
Mattäng