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Vaduz - Thun 1:1
03.10.2015Super League 2015/2016


Liebe Fans des FC Vaduz, sehr geehrte Gäste aus Thun… bereits zum vierten Mal in der Saison (je zweimal Europa League sowie einmal in der Meisterschaft) treffen wir dieses Jahr auf den FC Thun. Die Berner Oberländer haben sich in der Vergangenheit als unser Angstgegner herausgestellt… Michael W.Baum, Vorstand FC Vaduz

Der FC Thun ein Angstgegner? Da erlaubt sich Mattäng W. Fenchel doch eine Anmerkung: Wenn bei Fussballspielern und Fussballfans etwas Angst auslöst, dann sind es wohl die Partien Vaduz gegen Thun an sich. Die spielen sich nämlich jeweils auf einem erschreckend tiefen Niveau ab, dass man sich wie auf einer 90-minütigen-Nonstop-Geisterbahn fühlt. Wobei man wirklich nie weiss, bei welchem Eckball oder welchem Konter der nächste Schreckmoment Herzrhythmusstörungen auslöst. Das haben sich wohl auch die Verantwortlichen des Liechtensteiner Fussballverbands gedacht, als sie ihre Aktion «Tschuttisch met Herz – denksch Pink» ausgetüftelt haben. Der LFV spendet den ganzen Oktober lang pro Meisterschaftstor 50 Franken und pro Zuschauer 1 Franken an die Organisation Pink Ribbon – allerdings nur bei Spielen der Liechtensteiner Frauenteams. Logisch, bei Vaduz-Heimspielen würde ja so gar kein Geld zusammen kommen.

Dass das Spiel Vaduz-Thun nicht gerade als Topevent gilt, zeigt sich uns bereits auf der Hinreise bei mehreren Beobachtungen:

1. Im Städtle herrscht zwar eine Stunde vor dem Spiel dichtes Gedränge. Das liegt aber am Jahrmarkt, der Leute von Nah und Fern, also aus ganz Liechtenstein, anzieht. Plus ein Fernsehteam des ORF. Die einheimischen Fussballfans haben aber immerhin ein eigenes kleines Festzelt. Und so trinken wir feines Astra bei den fl – skulls, dem FC St. Pauli - Fanclub Liechtenstein. Wie heisst doch so schön ihr Vereinscredo: «Die fl – skulls sind im Jahre 2008 gegründeter Verein und sind nicht sportlich aktiv.» Unserem Dave gefällt es besonders gut im Pauli-Festzelt, erhält er doch einen schwarzen Ballon umgehängt. Also das gibt definitiv zusätzliche Ultrapunkte für ihn.
2. Es gibt auch ganze Völkermassen an Hipstern, die blindlings am Jahrmarkt vorbeiziehen. Doch obwohl sie sich fast so urchig wie wir Thunfans verkleidet haben, heisst ihr Ziel nicht Rheinparkstadion Vaduz, sondern SaL Schaan. Dort findet heute die «Wiesngaudi mit den Kuschelbären» statt. Gegen ein solch hochstehendes Kulturangebot fällt es natürlich jedem Fussballverein schwer, ein Publikum zu finden.
3. Selbst manche Thunfans schieben den Matchbesuch bis auf den letzten Moment auf. Klein-Raschle verlieren wir schon beim Umsteigen am Bahnhof Zürich aus den Augen. Er wollte angeblich noch zum Zahnbürstchen-Shopping an die Bahnhofstrasse. Und andere Thunfans steigen schon bei der Postautohaltstelle Vaduz-Rütti aus. Dort könne man ein Selfie mit einer goldenen Kuh machen. Ist immer noch sinnvoller als ein gemeinsames Selfie mit einem Vaduz- oder Thun-Spieler.

Als die übrig gebliebenen Thuner Zugfahrer dann doch rund 45 Minuten vor Anpfiff beim Stadion ankommen, ist der Weg zu den Kassen mit Absperrbändern versperrt. Strassenschlachten? Grossfahndung nach Refugees wie Klein-Raschle? Oder ist der Match etwa schon ausverkauft? Der Lärmpegel ist jedenfalls hoch, denn… es muhen Kühe! Da zotteln doch tatsächlich 50 braune Kühe an uns vorbei. Traditioneller Vaduzer Alpabzug? Nein, bloss ein weiteres Fest, das natürlich auch noch viel wichtiger als das Spiel Vaduz-Thun. Womit sogar der eigentliche Liechtensteiner Höhepunkt des heutigen Tages ausgemacht ist: Heute wird in Vaduz der Jubiläums-Prämienmarkt gefeiert. Im Jahr 1940, also just vor 75 Jahren, wurde der Verein Braunvieh FL als Liechtensteiner Braunviehzuchtverband gegründet. Da gratulieren wir doch mit tierischen Grüssen!
Angesicht dieser grossen Konkurrenz an Topevents überrascht es dann doch, dass immerhin 2757 Zuschauer sich dieses Spiel antun. Jedenfalls offiziell. Denn da müssen viele abwesende Saisonkartenbesitzer, Matchballspender und Sanitäre mitgezählt werden. Ein neutraler deutscher Groundhopper stellt jedenfalls fest, dass in Wahrheit nicht mal 2000 Leute im Stadion sind. Übrigens apropos Sanitäre: Man soll ja als Schweizer im Ausland nicht überheblich sein, aber die Sanitäranlagen in Vaduz sind ja wirklich ein stinkender, ekliger Graus. Wie sonst nur in Biel. Oder sind etwa ein paar Thunfans nicht fähig, Sanitäranlagen wie normale Menschen zu benutzen? Das wäre dann aber noch viel peinlicher!
Die Spielanalyse überlassen wir lieber dem Groundhopper aus Deutschland. Er behauptet sogar, früher für Hansa Rostock gespielt zu haben, doch braucht es nicht mal eine Spielerlaufbahn im Lebenslauf, um seine Analyse als fundiert einstufen zu können. Kollege Groundhopper fasst sich vor Spielbeginn gleich mal einen Ball – ja, auch beim Einschiessen haben die Spieler der beiden Mannschaften nicht gerade ein gutes Visier – und legt sich umgehend mit dem Schiedsrichter an. Das Spielgerät ist ja mehr Volleyball als Fussball! Nun ja, der Schiri erklärt ihm, dass so ein praller Ball ganz normal sei für die Schweizer Liga. Und für Liechtenstein. Kollege Groundhopper schüttelt schon mal den Kopf. Und seine Laune wird während dem Spiel nicht besser. «Warum verschieben sich die Thuner nicht kurz und eng gestaffelt zum jeweiligen Ballbesitzer? Warum spielen sie nicht aggressiver? Warum gibt es keine einzige Gelbe Karte für einen Verteidiger? Was ist das eigentlich für ein Niveau? Dieses Spiel ist ja so schwach wie eine Partie der Oberliga! Und für so was habe ich 25 Franken bezahlt? Ich fahre sicher nie mehr nach Vaduz!» Wobei anzumerken ist, dass Kollege Groundhopper nicht etwa aus Rostock, sondern aus Bad Ragaz angereist ist.
Die beiden Tore, die Kollege Groundhopper in der zweiten Halbzeit immerhin noch sieht, stimmen ihn ebenfalls nicht milder. Das 0:1 für Thun fällt in der 48. Minute – Achtung seltenes Naturschauspiel - nach einem ECKBALL von Zarate. Sulmoni trifft per Kopf. Das 1:1 für Vaduz fällt in der 56. Minute nach einem halbwegs brauchenbaren Pass von Avdijaj in den Strafraum. Achtung typische Szene für ein Spiel Vaduz gegen Thun: Mal wieder sorgt ein Eigentor für die Entscheidung. Reinmann verlängert den Ball nämlich ins eigene Tor. Anschliessend neutralisieren sich die beiden Mannschaften wie zuvor – ohne dem Gegner weh zu tun und auch ohne die eigenen Spielzüge auch nur ansatzweise zu variieren. «Und der FC Thun hat wirklich Sforza entlassen? Wie wollen die denn gut werden?»

Während Groundhoppers Heimreise nach Bad Ragaz rund 50 Minuten dauert – inklusive Bier- und Schnapskauf im Aperto Buchs (er hat sich die kleine Verstärkung redlich verdient), sind es für die Thuner Zugfahrer 3 Stunden 47 Minuten. Und selbst für Dave, der heute nicht ins Bernbiet, sondern nach Dave-Downtown im hintersten Aargau will, droht die Rückreise über 3 Stunden lang zu werden. Ausser er spielt auf Risiko und wagt eine schier unmögliche Variante über Schaan, Buchs, Uznach und Rapperswil. Da für mich diese Reiseroute auch einen 15-Minuten-Zeitgewinn ausmachen würde (und ich so gerade noch den Sport aktuell-Beitrag über den höchstwahrscheinlichen Gottéron-Sieg sehen könnte), schliesse ich mich Dave an. Die anderen Zugfahrer reisen dagegen gemütlich über Sargans heimwärts. Nun gut: Schon in Schaan (gemäss Fahrplan 2 Minuten Umsteigezeit) treffen wir angesichts all der Liechteinsteiner Topevents und dem entsprechend überfüllten Bus mit 10 Minuten Verspätung ein. Doch zu unserem Erstaunen wartet der Fahrer des zweiten Busses unser Eintreffen ab – klar, wir sind ja auch im Ausland und nicht in der Schweiz, dem Land mit all den überpünktlichen Busfahrerlegenden und Fanclublegenden. In Buchs (gemäss Fahrplan grosszügige 11 Minuten Umsteigezeit) haben wir dann nur noch 3 Minuten Verspätung. Das reicht zum Grosseinkauf. In Uznach (gemäss Fahrplan 3 Minuten Umsteigezeit) scheitert dann aber unser Risikospiel bereits. Nun sind zwar wir pünktlich, nicht aber der Voralpenexpress, auf den wir umsteigen möchten. Seine Verspätung beträgt über 20 Minuten wegen einer Betriebsstörung zwischen St. Gallen und Herisau. Ein Blick auf den SBB-Fahrplan zeigt: Da die Umsteigezeit in Rapperswil gerade mal 2 Minuten beträgt, ist die geplante Route nicht mehr mit sinnvollem Zeitaufwand machbar. Deshalb heisst es Umsteigen in die S-Bahn Richtung Ziegelbrücke, wo bei unserer Ankunft gerade der Regioexpress Richtung Zürich einfährt. Drin sitzen nebst jeder Menge betrunkener Zürcher Hipster: Ein Vaduzfan und unsere Thuner Zugfahrergruppe. Einigen wir uns halt auch öV-technisch auf ein Unentschieden. Da zum Glück aber Francine Jordi im Schweizer Fernsehen zu lange gesungen hat (welche Gründe gibt es sonst, die Sendung «Happy Day» um 30 Minuten zu überziehen?), bin ich aber dann doch rechtzeitig für den Sport aktuell-Beitrag über Gottéron vor dem Fernseher: Was für ein Happy-End. Ich sehe einen Bericht über die erste Saisonniederlage.