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Solothurn - Thun 0:4
15.08.2015Schweizer Cup 2015/2016


Es ist ein gutes Wochenende für die Thunfans und für die YB-Fans. Die Thunfans sind voller Euphorie, weil es bei Coop sämtliche Zahnbürsten zum halben Preis gibt. Da kann ordentlich Proviant für die Prag-Reise von nächster Woche eingekauft werden. Die YB-Fans können sich darüber freuen, dass im Tele Bärn-Wahl-Voting YB-Fan Lars Lunde Guggisberg (2912 Stimmen) viel beliebter zu sein scheint als FCZ-Fan Christine Radisli Huber (54 Stimmen) – wer das noch ändern will, soll täglich abstimmen unter http://www.telebaern.tv/nationalrat/kandidat/49/Christine-Huber. Und gleich beide Kurven können sich darüber freuen, dass es mal ein Wochenende ohne Meisterschaftsniederlage gibt – es steht nämlich eine Cuprunde auf dem Programm. Da kann man zwar auch peinlich scheitern, gerät dadurch aber wenigstens nicht noch tiefer in den Abstiegsstrudel.
Für Thun steht heute ein Abstecher nach Solothurn auf dem Programm. Wenn wir denn unseren Platz im Stadion «Stadion» überhaupt mal finden. Auf der Anfahrt mit dem Auto können wir in Stadionnähe zwar erst noch dem Fanmarsch folgen. «Das sind unsere Thuner!» behaupte ich, als die Gruppe Jugendlicher vor uns Pyro zündet. Doch als wir aus dem Auto ausgestiegen sind, entpuppen sich die Rot-Weissen vor uns als Solothurnfans. So müssen wir halt alleine zum Gästesektor finden. Vor der Haupttribüne fragen wir deshalb um Rat. Wir werden von den Sicherheitsmännern links um die Ecke geschickt. Dort herrscht gerade grösste Aufregung. Erst fahren drei Kastenwägen der Polizei vor, dann der Mannschaftscar der Thuner. Als die Spieler aussteigen, werden sie abgeschirmt durch Polizisten in Vollmontur, die uns ihre Schilder entgegen halten. Aus dem Stadioninnern ertönt es «Thuner, ab in die Berge!», was uns stutzig macht. Ein Nachfragen an diesem Eingang bringt uns tatsächlich die Erkenntnis ein, dass auch das hier nicht der Gästesektor ist. Wir werden von den Sicherheitsmännern rechts um die Ecke geschickt – also in die Richtung, aus der wir soeben gekommen sind. Und so stehen wir wieder vor der Haupttribüne. Von hier aus wollen uns die Sicherheitsmänner ebenfalls weiter schicken. Und zwar – ja genau – zurück links um die Ecke. Da werden wir nun doch etwas sauer. Zum Glück mischt sich ein Solothurn-Fan ein. Rechts vorne, keine 50 Meter von hier, sei der Eingang für die Thuner. Die Sicherheitsmänner behaupten zwar immer noch das Gegenteil, doch der Fan hat uns tatsächlich den wegweisenden Hinweis gegeben. Endlich stehen wir vor dem provisorischen Gästesektor, wo es statt einem Kassenhäuschen einen einzelnen Sicherheitsmann gibt, der Stück für Stück den Stapel Tickets in seiner Hand unter die Leute bringt. 20 Franken kostet der Spass – doppelt so viel wie ein Europacupmatch in Prag.
Immerhin sind die Eintrittstickets überhaupt noch verfügbar. Denn am Verpflegungsstand gibt es nämlich schon einen Engpass. Obwohl ich der allererste Thunfan überhaupt am Stand bin, sind die Sandwichs bereits ausverkauft. Ich bin kurz zuvor, mich bei Herrn Zürcher zu beschweren, dessen Handynummer prominent auf den Helfershirts aufgedruckt ist. Doch da werde ich vom Bratwurst-Chef angesprochen: Es ist Fanclub-Michi! Was er doch für eine Tellerwäsche-Karriere absolviert hat. Vom Fanclubchef eines NLB-Teams hat er es zum Chefgrilleur bei einem 1. Ligisten geschafft. Ob sein Geständnis «Es ist mein erster Solothurnmatch seit fünf Jahren» eher die Schwärze der Würste oder seine Unkenntnis über die Form der FCS-Spieler entschuldigen soll? In jedem Fall bewirkt seine Aussage, dass Fanclublegende all seinen Mut zusammenreisst und tatsächlich eine Bratwurst bestellt. Dabei scheint es erst gestern gewesen zu sein, als Fanclublegende an einem Meisterschaftsspiel in Solothurn einen Hamburger gegessen hat, der prompt eine Lebensmittelvergiftung zur Folge hatte. Heute jedoch ist das FC Solothurn-Menu ein einziger Genuss. Was auch ich nach meiner Bratwurst bestätigen kann. Wenn sich trotzdem während der ersten Halbzeit zwei Thunfans mit bleichem Gesicht und schlechtem Bauchgefühl am Boden krümmen, hat das nichts mit den Bratwürsten zu tun – und auch nichts mit Ciriaco Sforzas Trainerentscheiden – sondern mit der süffigen, mehrstündigen Anreise der öV-Benutzer. Was wohl Mr. Cardinal in seiner Solothurner Beiz ausgeschenkt hat?
Michi tippt übrigens ganz Optimist auf einen 2:1-Sieg für Solothurn. Da halte ich natürlich ebenso zuversichtlich entgegen und tippe auf einen 2:1-Sieg der Thuner. Trotz Ruberto im Tor. Und trotz einem verdächtig weit nach hinten versetzten Ferreira. Vorne spielen dagegen Buess und Rapp und Frontino! Der schafft geradezu ein Wunder, in dem er dafür sorgt, dass Thun in den ersten 10 Minuten mal nicht in Rückstand gerät, sondern selber vorlegt. In der 10. Minute erzielt er das 0:1. Und als er in der 21. Minute einen Pass von Rojas verwertet, steht es gar schon 0:2. Von den Solothurnern ist dagegen auf dem Spielfeld kaum etwas zu sehen. Die einzigen Solothurner Akzente setzen die Fans. Auf die Choreo mit viel rotem Rauch zu Spielbeginn folgt ein lauter Support. Wobei auch mal Zeit bleibt zu einem gehässigen Wechselgesang mit den rund 250 Thunfans.
Insgesamt 1200 Zuschauer haben den Weg ins Stadion gefunden, eigentlich enttäuschend wenig für einen Kantonshauptort mit langer Fussballgeschichte. Das einzige, was Solothurn fussballmässig noch mit Thun zu verbinden scheint, ist wohl die Erinnerung an den Ex-Trainer Latour (ja, der ist auch im Stadion und nervt natürlich einmal mehr in einem Interview auf dem Spielfeld mit altbekannten Standardsprüchen. thunfans.ch meint: Nicht-Spielern sollte NIE NIE NIE im Stadion ein Mikrofon hingehalten werden. So etwas würde es bei einem Spiel wie Thun gegen Vaduz sicher nie geben…). Gut, eine zweite Gemeinsamkeit gibt es doch noch: Die allgemeine Freude der Zuschauer darüber, dass heute während dem ganzen Spiel nicht ein Tropfen auf die Zuschauer fällt. Auch nicht auf den Thuner Neuzugang Zarate, der uns erst auf der Ersatzbank auffällt und dann in der 57. Minute tatsächlich – gemeinsam mit Munsy – eingewechselt wird. Mit diesem Doppelwechsel hat Sforza ausnahmsweise ein glückliches Händchen. Zarate verblüfft uns mit schnellen, genauen Pässen. Es ist wirklich beeindruckend, wie er seine Mitspieler stets im Auge hat. Ja und Munsy, der schiesst einfach Tore. In der 61. Minute profitiert er von einem mannschaftsdienlichen Pass von Frontino, der das 0:3 eigentlich auch gleich selber hätte erzielen können. Und in der 85. Minute erarbeitet er sich seine Torchance selber und schiesst zum 0:4 ein. Dennoch beklagen wir Munsys Chancenauswertung in der Schlussviertelstunde. Da wäre locker ein Hattrick für unseren Entlebucher drin gelegen.
Als Thun mit vier Toren in Führung liegt, stürmt ein Sicherheitsmann in unseren Sektor und schnappt sich einen Fan. Wir wollen den jungen Thun-Supporter schon aus den Fängen den Bösen befreien, als wir von der Art seinen Vergehens erfahren: Er ist der Sohn des Security und hätte (laut seinem Vater) gar nicht mit uns die Thuner Tore bejubeln dürfen. Von diesem kleinen Missverständnis abgesehen, haben die Sicherheitsleute wenig Interesse an uns. Speziell ist daher auch das Bild in den Schlussminuten: Die Sicherheitsleute stehen vor dem Heimsektor und verunmöglichen den Solothurner Fans den Platzsturm. Das könnte etwas mit fliegenden Glasflaschen vor dem Spiel zu tun haben. Wir dagegen bleiben auch ohne Bewachung ruhig in unserem Sektor und bejubeln das klare Weiterkommen in die zweite Cuprunde. Es ist wirklich ein gutes Wochenende für die Thunfans und… wir mögen es ihnen und dem Wölfli ausnahmsweise auch mal gönnen… für die YB-Fans.