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YB - Thun 3:1
09.08.2015Super League 2015/2016


10 Jahre Stade de Suisse bzw. 10 Jahre erstmals ausverkauftes Stade de Suisse (Remember Thun-Malmö) – da sind Fanclublegende und Mattäng selbstverständlich mit dabei. Erst recht bei diesem Schnäppchenpreis von 10 Franken pro Kopf. Wobei wir diesen Preissturz ja zuerst mit der schlechten Form beider Teams in Verbindung gebracht haben. Könnte man derzeit für so ein Berner-es-ist-gar-kein-Derby wirklich mehr Eintritt verlangen? Ihre Plätze suchen sich Fanclublegende und Mattäng nicht einfach irgendwo im Stadion aus und schon gar nicht im Der-18.49-Uhr-ist -gut-genug-für-eure-Rückreise-Sektor. Der ideale Platz für solch einen Match ist natürlich im B8 Parkett, in jenem Stadionbereich, in dem die Thunfans just vor zehn Jahren ihren ausverkauften Heimsektor hatten in der Champions League. Da bekommt man richtig Heimweh an die gute alte Zeit. Gefühle, die vom Stadion TV gefördert werden. Das zeigt nämlich vor dem Spiel einen Jubiläumsfilm mit den Höhepunkten aus 10 Jahren Stade de Suisse. Da sind Ausschnitte von Fussballvizemeistern zu sehen, von zweitklassigen Rockmusikern und von Teams, die an der Euro 08 früh ausschieden. Ausschnitte von anderen Fussballhighlights haben es dagegen seltsamerweise nicht in den Final Cut des Jubiläumsfilms geschafft. Gab es in diesem Stadion 2009 nicht einen Cupfinal zwischen Sion und YB? Und was war noch mal mit diesen Champions League-Spielen, die 2005 im Stade de Suisse stattgefunden haben? YB war damals zwar nicht dabei. Hunderte YB-Fans dagegen schon. Man könnte fast meinen, die Filmemacher hätten da etwas verdrängt. In Sachen Verdrängen ist aber auch die YB-Kurve top. Die feiert mit ihrer grossformatigen Choreo nämlich nicht etwa 10 Jahre Stade de Suisse, sondern 90 Jahre Wankdorf.
Dabei hätten YB-Fans doch durchaus ihre Gründe, die Stade de Suisse-Gegenwart zu akzeptieren. YB mag derzeit nicht gerade gut spielen, aber doch besser als Thun. Bereits nach 6 Sekunden(!) stehen die YB-Angreifer ein erstes Mal im Thuner Strafraum, Faivre und Co. geraten ein erstes Mal unter Druck. Und aus Thuner Sicht spürt man umgehend, dass hier wirklich alles für Thun laufen müsste, um überhaupt einen Punkt holen zu können. Und anderem bräuchten wir eine Top-Goalieleistung, erst recht bei Standardsituationen. Doch bereits in der 13. Minute herrscht pures Chaos im Thuner Strafraum- und das bei einem Freistoss! Bertones Freistoss fliegt (natürlich!) an den Thunern vorbei zu einem YB-Spieler. Vilotic kann zum Schuss ansetzen und schiesst den Ball via Innenpfosten ins Tor. Die kurze Hoffnung, dass der Ball die Linie nicht ganz überquert haben könnte, zerschlägt sich leider mit dem entsprechenden Schiripfiff. 1:0 für YB.
Während bei YB vor allem Hoarau und Gonzales stark auffallen, präsentiert sich Thun als durchschnittlich agierendes Kollektiv, dass die YB-Abwehr kaum zu knacken weiss. Als Erstes versucht es in der 30. Minute Ferreira, der nach einem Zweikampf mit von Bergen aber stürzt. Der Schiri entscheidet auf Schwalben-Gelb statt Penalty – wohl der richtige Entscheid. Weit besser macht es da in der 39. Minute Rapp, der eine Flanke von Ferreira verwertet. Wie war das nochmals mit der Blitztabelle, die Sekunden zuvor YB auf Platz 3 und Thun auf Platz 8 zeigte? Nichts ist vergänglicher als eine Blitztabelle, allerhöchstens noch eine Zahnbürste.
In der 45. Minute wird’s richtig hektisch – auf und neben dem Platz. Dass die Thuner sichtlich nervös werden, nachdem der Schiri einen Zweikampf von Wieser mit Gonzales als Foul eingestuft hat, ist ja noch das eine. Als Thuner ahnt man die Torgefahr bei gegnerischen Freistössen mittlerweile weit im Voraus. Aber was da eigentlich in Monsieur Hoarau gefahren ist, dass er einfach mal so Schindelholz umboxt, ist wohl allen im Stadion unerklärlich. Da Fanclublegende und Mattäng ihren Platz direkt hinter dem Thuner Tor haben, sind sie bei dieser Szene mittendrin statt nur dabei. Im wahrsten Sinne des Wortes. «Verdammter Franzose!» ruft Fanclublegende. «Du Rassist!» ertönt es sogleich aus der Reihe hinter ihm. Da zeigt der Schiri auf dem Feld Monsieur Hoarau die Rote Karte. Was Mattäng zum Kommentar bewegt: «Der Schiri ist aber derselben Meinung!» Worauf ein YB-Fan im kultigen Fryand-Trikot zu Mattäng und Fanclublegende rüber stürzt. Dieser Fan ist nicht nur so alt wie Fredy Bickel, er verfügt auch in etwa über das gleiche Wüterich-Potenzial wie Fredy. Und so kommt es zu einem kleinen, aber feinen Handgemenge. Ultrapunkte gibt’s dafür aber keine, Mützenrunterschlagen ist ja so was von 80er-Jahre. Aber zumindest einen kleinen Besuch vom Stadionsicherheitsdienst («Wir haben eine Meldung erhalten…») gibt’s in der Pause als Belohnung. Da sich die Gemüter im Sektor B8 da aber längst wieder beruhigt haben, können anders als YB-Elf wenigstens die Fans die zweite Halbzeit komplett in Angriff nehmen.
Oder war bei dieser Szene mit Hoarau sonst noch was? Ach ja, das Tor natürlich. Selbstverständlich hat Gajic nach all der Aufregung den Freistoss direkt versenkt. Und ja, Faivre sah bei dieser Szene nicht gerade wie ein Held aus. Weshalb Thun in der zweiten Halbzeit zum vierten Mal in dieser Woche einem Rückstand nachrennen muss. Man hat als Fussballer ja sonst keine Hobbys. Viel Kampfgeist haben die Thuner ja. Oder zumindest 9 der 10 Oberländer Feldspieler. Warum Rojas bei einem Thuner Angriff liegen bleibt statt mitzuhelfen, bleibt wohl sein Geheimnis. Zumal just in dieser Szene Schindelholz bei seinem 35-Meter-Schuss die grosse Ausgleichchance hat. Doch der Ball knallt an den Pfosten. Wäre ja der Gipfel gewesen, wenn das Tor wegen dem herumliegenden Rojas nicht gezählt hätte. Kurz darauf gehen Sutter und Rojas vom Platz, während Frontino und Schirinzi in der letzten halben Stunde am Torerfolg mitarbeiten wollen. Doch irgendwie besiegelt dieser Doppelwechsel – gepaart mit der Einwechslung von Tabakovic bei YB– das Schicksal der Thuner. Plötzlich ist das Tempo bei Thun weg. Plötzlich traut sich YB wieder in die gegnerische Platzhälfte. Ausser einem weiteren Weitschuss von Schindelholz sowie einer Wieser-Chance, die von Mvongo aber souverän getilgt wird, ist da nicht mehr viel bei Thun. Und wenn Thun mal einen Eckball hat, dann herrscht zwar Torgefahr – aber für den Gegner! Erst recht, wenn sich ein Thunspieler zu allem Übel nach dem viel zu weit getretenen Eckball noch in einem billigen Absatztrick versucht. Selbstverständlich durchschaut Zakaria Wiesers Trick, schnappt sich den Ball und leitet den Konter für YB ein. Pass zu Nuzzolo – Pass zu Tabakovic – und Tor: 3:1 in der 83. Minute. Faivre zeigt leider seine erste Parade des Spiels erst nach 86 Minuten, als er zumindest noch das 4:1 von Tabakovic verhindern kann. Doch da ist die Thuner Niederlage schon besiegelt.
Und so wird die Blitztabelle – YB auf Platz 3 und Thun auf Platz 8 – doch noch bittere Realität. Zumal der heutige Spielverlauf Thun doppelt schmerzen könnte, wird Hoarau doch seine Sperre ausgerechnet gegen Lugano absitzen müssen. Von daher haben jene Thuner Recht, die nach dem Spiel schwören, sich ein Beispiel an den Jubiläumsfilmemachern nehmen zu wollen – und dementsprechend sämtliche Erinnerungen an den heutigen Ausflug ins Stade de Suisse möglichst schnell auf Nimmerwiedersehen verdrängen werden.