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Thun - Vaduz 0:0
30.07.2015Europa League 2015/2016


Hopp Vadoz. Gerade mal zwei Dutzend Liechtensteiner haben die beschwerliche Auslandreise von Vaduz nach Thun auf sich genommen. Was der Zahl Thuner, die in Jerusalem waren, entspricht. Wobei anzumerken ist, dass anders als in Israel (ungerechtfertigte) Super League-Stadionverbote hier und heute gelten. Gut möglich also, dass ein paar bissige Rheinwölfe in San Marino und Estland waren, in der Schweiz aber ausgesperrt bleiben. Vielleicht war aber auch einfach die Ticketvergabe in den Liechtensteiner Fankreisen ähnlich chaotisch wie in meinem Kollegenkreis.
Die Kommunikation unter Männern – angesichts der torarmen Partie erlaube ich mir, etwas auszuholen – ist mangels Übung ja grundsätzlich fehleranfällig. Da winke ich schon mal am Bahnhof Bern einem einfahrenden Zug zu und durchsuche Wagen um Wagen, um die Thunfans aufzuspüren, nur um dann herauszufinden, dass sich mein Kollege bei der Abfahrtszeit um eine halbe Stunde geirrt hat. Beziehungsweise: Die Aussage, die Fanfahrt beginnt um 17 Uhr in Thun, bedeutet für bestimmte Männer halt nur, dass man zuerst einmal eine halbe Stunde eintrinkt, bevor man überhaupt in den ersten Zug steigt. Ein weiteres Beispiel für männliche Kommunikation ist, wenn man in den Ferien ausschläft, weil man sich kurz vor einem Israeltrip noch etwas Schlaf tanken will und man ja auch erst um 13.30 Uhr für den Ausflug mit dem Kollegen abgemacht hat. Also schaltet man Kopf und Handy erst um 10 Uhr ein, um zu erfahren, dass der Kollege den Abfahrttermin vorverschoben hat, er sogleich losfahren will und man halt mit dem öV seinem Auto hinterher fahren soll. Dumm nur, muss man erst noch einkaufen. Und dann ist auch noch ein Mittagessen mit der Familie angesetzt. Als Mittagslektüre dient übrigens Facebook: Da sieht man, wie aus dem Ausflug zu zweit ein Ausflug zu zehnt geworden ist – halt einfach (noch) ohne mich.
Und doch bin ich überrascht, wie mein MeinDeal - Grossartige Angebote zum kleinen Preis heute abläuft. Wenn zwei Männer 45 Minuten vor Spielbeginn vor dem Stadioneingang abmachen, sollte das doch eigentlich klappen. Erst recht, wenn der Kumpel von sich aus versprochen hat, dass er ein Ticket für mich organisiert, damit ich nicht an der Kasse anstehen muss. Nun gut, als ich mit dem Zug etwa auf Höhe Münsingen bin und noch eine halbe Stunde bis zum verabredeten Treffpunkt habe, teilt er mir mit, dass er das Ticket im Fanshop hinterlegt hat – auf meinen „Das steht so im Pass“-Namen. Er selber gehe schon eine halbe Stunde früher als abgemacht ins Stadion. Wer weiss, dass an Matchtagen die Warteschlange im Fanshop länger ist als vor den Ticketschaltern, mag sich über diese Aktion ein wenig wundern. Ich dagegen habe zum Glück genügend Bierproviant dabei. Dumm nur, dass im Fanshop kein Ticket auf meinen Namen auffindbar ist. Ich werde ans Help Desk verwiesen. Dort wiederum merke ich, dass ich besser mal dem Kollegen anrufe. Nummer besetzt. Rufe ich halt seiner Frau an. Und siehe da: Er habe mein Ticket unter meinem (früheren) Aebikurvenforum-Pseudonym hinterlegt. So stelle ich mich halt nochmals in die Fanshop-Warteschlange. An Tagen wie diesen zahlen sich die Meditationsübungen, die ich mir selber am israelischen Zoll beigebracht habe, aus. Immerhin habe ich mein Ticket dann aber nach nur einer Viertelstunde. Der Kontrollblick zu den Ticketschaltern zeigt: Dort stehen vor jeder Kasse zwei Thunfans an. Wenn überhaupt.
Genug Einschub zum Thema Kommunikation unter Männern. Wo sind wir stehen geblieben? Ah ja, im Stadion vis-à-vis von zwei Dutzend Vaduzer Fans, wobei der eigene Block Süd auch nicht ganz voll, dafür aber sehr lautstark ist. Die torarme Partie beginnt – mit einem Tor. Rojas schiesst bereits in 3. Minute ein. Doch weil Rapp beim entsprechenden Angriff nicht nur rappig, sondern auch ruppig agiert hat, anerkennt der dänische Schiedsrichter Kehlet den Treffer nicht. Und auch auf der Gegenseite verwehrt der Schiedsrichter einen Treffer: Als Caballero in der 25. Minute im Strafraum herumwirbelt, bekommt er das Bein von Hediger zu spüren. In dieser Situation hätte man durchaus auf Penalty entscheiden können.
So aber müssen sich die beiden Mannschaften ohne Schiedsrichterhilfe im Toreschiessen üben. Sie tun das mit viel Leidenschaft, wobei vor allem die Vaduzer mehrmals die Torumrandung statt das Tor treffen. In der Viertelstunde nach dem Wiederanpfiff sind sie besonders nah am Torerfolg, bevor dann endlich wieder Thun das Spieldiktat übernimmt. Das ständige Hin und Her wirkt sich gut auf die Stimmung im Stadion aus. Direkt vor mir stehen bzw. hüpfen, springen und stretchen sich fünf Frauen, die sich in 90 Minuten mehr bewegen als ich in den letzten 9 Jahren. Die grösste Überraschung ist aber, dass ich in der Arena zum allerersten Mal eine Frau sehe, welche die schöneren Haare halt als Ferreira. Nellolady, bist du es? Erstaunlich dabei: die Frisur sitzt trotz dem intensiven Fitnessprogramm. Als das „Du hast die Haare schön“-Girl entdeckt, dass sich direkt hinter ihr Fanclublegende und ich kaum bewegen, wird sie gleich arrogant und stellt ihren halbvollen Colabecher vor meine Füsse. Und als ihre Kollegin auch gleich noch ihre Handtasche daneben stellt, steht fest, dass sie uns für so uralt und unbeweglich halten, dass wir in ihren Augen keinen Platzbedarf mehr haben. Dabei male ich mir schon aus, was jetzt passiert, wenn Thun ein Tor schiesst. Alle Typen aus unserer Reihe liegen sich in den Armen, das Cola fliegt auf die Handtasche und durchnässt sie, weshalb die darin liegende elektrische Zahnbürste (DAS Gadget für alle Block Süd-Mitglieder) einen Kurzschluss erleidet… Und dann ärgere ich mich. Und zwar über die verdammte treffsichere weibliche Intuition. Während wir Männer kaum miteinander kommunizieren können, wissen natürlich das „Du hast die Haare schön“-Girl und ihre Kolleginnen längst, dass hier gar kein Tor fallen wird, dass es beim 0:0 bleibt. Und tatsächlich: So stark beispielsweise Rojas spielt, der Ball lässt sich halt auch gegen Vaduz nicht per langem Dribbling ins Tor legen. Thun schiesst heute tatsächlich kein Tor. Und so müssen wir halt notgedrungen feiern, dass Thun heute zum ersten Mal in dieser Saison ohne Gegentreffer bleibt. Die Vaduz-Reise wird trotzdem gleich noch im Stadion gebucht. Wir wollen in grosser Zahl in Liechtenstein einmarschieren – mit drei Dutzend Thunern. Mindestens.