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YB - Thun 4:0
19.04.2015Super League 2014/2015


Böses Erwachen heute Morgen in aller Herrgottsfrühe kurz vor 11 Uhr. Fanclublegende meldet sich um diese Unzeit schon per SMS zu Wort. Und wie es sich herausstellt, leidet er nicht nur unter seniler Bettflucht, sondern auch unter einer YB-Paranoia. In markigen Worten gibt er seinen Resultattipp für heute bekannt: «Remember Wankdorf: 8:2 für YB.» Wie viele dieser acht YB-Gschänkli uns Steffen übergeben wird, lässt er offen. Ich selber tippe sowieso ganz relaxt auf einen 2:1-Auswärtssieg für Thun. Zum Glück für mein Seelenheil weiss ich bei meiner Tagwache noch nicht, dass heute ausnahmsweise Fanclublegendes Tipp näher an der Realität liegt.
Thun reist tatsächlich gleich mit mehreren Handicaps nach Bern. Die lange Liste der Abwesenden ist ja noch das eine, wobei halt vor allem die Gelbsperre von Fitnessguru Hediger uns schmerzt (statt, wie es sein müsste, seine Präsenz den YB-Spielern). Viel schwerer wiegt die Tatsache, dass Thun nicht als Underdog im Wankdorf aufläuft, sondern als souveräner Tabellendritter. Dabei weiss doch jeder, dass man in Bern als Aussenseiter am Einfachsten Punkte sammelt. Wie sehr die Young Boys kleine Teams immer wieder unterschätzen, zeigt das grosse Plakat an der Stadionmauer. Akribisch sind da alle verbleibenden YB-Heimspiele aufgelistet – mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass behauptet wird, das letzte Saisonspiel gegen Vaduz finde am SONNTAG, 29. Mai statt. Bester Beweis dafür, dass die Klubführung wieder voller Überzeugung ist, dass solche Spiele ein Selbstläufer sind. Da kann man dann auch ruhig zwei Tage zu spät im Stadion auflaufen.
Heute ist es aber Thun, das phasenweise den Eindruck hinterlässt, Verschlafen zu sein. Einigermassen gut in die Partie gestartet, verpennen die Gäste von der 31. bis zur 33. Minute den entscheidenden Spielabschnitt komplett. Erst fälscht die Abwehr einen Freistoss von Bertone unhaltbar ins eigene Tor ab, dann profitiert Steffen von einem Missverständnis zwischen Sulmoni und Faivre. Und prompt steht es 2:0. Was viele YB-Fans zum Anlass nehmen, schon in die Pause zu verschwinden. Ich habe also selten ein so hyperaktives Publikum gesehen wie hier im B7 im Wankdorf. Das Wurst-, Bier und Glace-Holen scheint in jedem Fall Vorrang zu haben vor dem Torjubel. Oder spüren all die YB-Fans bloss, dass ihr Team heute ohnehin zu einem so hohen Sieg kommen wird, dass einzelne Treffer nicht mehr wirklich von Bedeutung sind?
Meine Sitznachbarn sind jedenfalls just in jenem Moment wieder auf ihren Sitzplätzen zurück, als Steffen zum 3:0 einschiesst. 52 Minuten sind da gespielt. Was auffällt: In unserem Sektor jubelt am Lautesten eine junge Dame, die sich einen roten(!) Schal als Kopftuch(!!!) umgebunden hat. Die Supporter von Xamax Neuchâtel waren früher irgendwie auch sympathischer. Derweil singen die Kurven munter ihre Lieder. Die Ostkurve zelebriert die gesammelten Werke des Mani Matter, wobei das Repertoire nur einmal durch ein «Thuner, Thuner, ab in die Berge» unterbrochen wird. Der Block Süd setzt dagegen auf gruseligen Humor und singt in der Schlussphase minutenlang über die Young Boys-Familiy. Da läuft einem wahrhaft das eiskalte Händchen den Rücken hinab. Dies ein Stück weit auch, weil just in diesem Moment Guillaume Hoarau mit einem Gewaltschuss gegen Guillaume Faivre das 4:0 erzielt.
Thun ist da längst schon geschlagen, weshalb Fanclublegende und ich angeregt diskutieren, ob YB diese Saison wirklich die klare Nummer 1 im Kanton ist. Dagegen spricht, dass Thun ja immerhin in den vier Direktbegegnungen ein Tor erzielt hat – Sadik hat Thun am 10. August 2014 gegen YB wirklich mal in Führung geschossen. Entscheidender als die 8 gegen Thun geholten Punkte ist aber, dass YB am 3. September 2014 2:0 gewonnen hat – auswärts in Sandreutenen. Ja, deshalb gebührt YB tatsächlich die Nummer 1 im Kanton. Dass den FC Münsingen diese Saison schlussendlich anders als YB – und erst recht anders als Thun - nur drei Siege von einem Titel getrennt haben, ist da doch zweitrangig.