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Thun - Aarau 0:0
25.10.2014Super League 2014/2015


«In Schaffhausen ist nicht wahnsinnig viel los, aber das Berner Oberland ist noch ruhiger.» Gianluca Frontino maxt heute im Matchprogramm gleich in seinem ersten Satz Richtung neue Heimat. Er ergänzt aber seinen Frontalangriff immerhin mit einem «es ist richtig heimelig hier». Mit dieser Idylle ist es aber kurz nach Anpfiff vorbei. Während das Spiel auf dem Platz noch nicht richtig heiss gelaufen ist, kommt es im Fansektor zum grossen Knall. Inmitten des grossen Fahnenmeers wird ein Böller gezündet. Unsere Reaktionen – und damit spreche ich von 99 Prozent der Fans in sämtlichen Sektoren und von sämtlichen Fanclubs – reichen von «Vollpfosten» bis «Arschlöcher». Was für eine Street Credibilty erhofft man sich eigentlich, wenn man es direkt auf das Gehör von anderen Fans abgesehen hat? Andere kaufen sich doch auch ganz einfach einen Hoddie und eine Sonnenbrille, wenn sie sich ein böses Image verschaffen wollen. Wäre dieser Böller nicht, könnte man das mehrminütige Einnebeln des Stadions mit stinkendem rosaroten Rauch wenigstens noch knapp als Parodie auf jenen ebenfalls stinkenden blauen Rauch des Rekordmeisters vor ein paar Wochen durchgehen lassen. Moderne Kunst zwar, die vor einer überwiegenden Mehrheit im Stadion abgelehnt wird – insbesondere wegen der teuren Busse für den FC Thun – , aber halbwegs als x-Mentalität (für x bitte ein eigenes Wort einfüllen) entschuldbar. So aber stürmt Präsident Markus Lüthi, der beileibe nicht als ultra-feindlich bekannt ist, blitzschnell in jenen Teil des Block Süd, der im Nebel untergegangen ist. Und ja, dies meine ich sehr wohl zweideutig!
Doch was schreibe ich hier überhaupt kritisch. Jeder, der an diesem Spiel auch schon nur einen Schal um den Hals trägt, ist ja gleich wieder als krasser Gesetzesverbrecher abgestempelt, der nie mehr einen Fuss in ein Stadion setzen sollte. Das Motto «Wie viele Deppen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?» scheint so manchem Zuschauer unbekannt sein, lieber teilt man unter der Gürtellinie aus. Der schönste Gruss, den ich persönlich erhalte, lautet: «Ihr sit sicher keini FC THUN Fans sondern Hooligens. Darum bi ig fürs Konkortat gsi. Läbenslangi Reyonverbot für söttigi Arschlöcher.» Sehr nett und vor allem sehr nett im Kollektivstrafen-Plural geschrieben. Die gleiche friedliebende Person hat mir Stunden vor dem Match noch schreiben dürfen: «Scheisse itz isch Andrist no gsperrt. Itz cha ig nid mal mis Hurrenlied anstimme.» Ja, eine ganze Thuner Familie regelmässig primitiv zu beschimpfen und damit auch noch zu prahlen, hat natürlich sehr viel mit Fankultur zu tun. Was wäre wohl in der Arena los, wenn man nicht nur Scheiss-Böller, sondern ebenfalls homophobe Gesänge und rassistische Affenlaute konsequent verfolgt würde. Im Matchprogramm steht schliesslich gleich nach dem Frontino-Interview: «Wir gegen Pyro - Gewalt - Randale. Gemeinsam für Respekt -Stimmung - Fankultur.» Nur so ein Gedanke…
Zurück zum Spiel: Thun spielt angeblich gut auf dem Rasen, doch bis etwa in die zehnte Spielminute hinein ist nicht viel von den Spielern auf dem Platz zu erkennen. Als sich der Nebel endlich lichtet, taucht der Dürrenast-Speaker im Stadion auf. Er kann vermelden, dass Dürrechnebu immerhin ein Tor geschossen hat gegen die U21 von Thun – aber gleich vier Tore kassiert hat. Seine Ausführungen zum Spiel sind umso wichtiger, weil die Partie von Thun 2 sinnigerweise um 16 Uhr begonnen und sich dadurch mit der Partie von Thun 1 überschnitten hat. «In der 70. Minute sind viele Zuschauer bei uns gegangen», so der Speaker, der neben den Spielern einer der wenigen war, der überhaupt bis Schlusspfiff ausgehalten hat. Aber immerhin haben sämtliche Thun2-Zuschauer viele Tore gesehen – nach einer halben Stunde stand es schon 3:0 für Thun2 – während wir Thun1-Zuschauer in der Arena mitansehen müssen, wie Sadik und Co. Torchance um Torchance vergeben. Die optische Überlegenheit bringt Thun bis zur Pause nichts ein.
In der zweiten Halbzeit zeigt sich dann Aarau nicht mehr so passiv, sondern greift nun selber beherzt an. Plötzlich gewinnen die Gäste jeden Zweikampf im Mittelfeld, so dass das Spiel zu kippen droht. Ein Fall für Frontino, der in der 63. Minute ins Spiel kommt und jetzt mal zeigen soll, dass im Oberland die Einheimischen nicht zwingend so ruhig sein müssen. Doch Frontino bleibt heute eher blass und ist bei der Szene, in welcher der Ball dann wirklich im Netz zappelt, nicht mal als Statist involviert. In der 81. Minute jubeln nämlich die Aarauer: Wieser spielt zu Mudrinski, der den Ball im Tor versenkt. Doch der Fändlima protestiert mit seiner Fahne. Er hat ein Abseits gesehen, «eine knappe, aber richtige Entscheidung» wie auch der Liveticker-Schreiberling vermerkt.
Wenig später müsste dann der Ball auf der Gegenseite zwingend rein. Doch Sadik klebt seit ein paar Tagen wirklich das Pech am Schuh: Zunächst hat Sulmoni auf Zuspiel von Hediger die Chance zum 1:0, doch FCA-Goalie Mall reagiert blitzschnell. Der Abpraller landet aber bei Sadik, der den Ball ins verwaiste Tor köpfeln will. Doch auf der Linie zerstört Mudrinski sämtliche Thuner 1:0-Hoffnungen und wehrt den Ball im letzten Moment ab. Und so bleibt es beim 0:0. Es bleibt die Erkenntnis, dass es eigentlich schöner in der Arena wäre, wenn die Fans – mit Ausnahme der Fangesänge und der mit viel Aufwand gebastelten Choreos- etwas ruhiger wären und dafür das Team wieder für etwas mehr Spektakel besorgt wäre. Deal!?