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FCB - Thun 1:1
27.09.2014Super League 2014/2015


Vorerst geht’s nicht mehr weiter. Allein sitze ich am Bahnhof Olten und warte auf Anschluss. Ich habe ja ohnehin mit wenigen Zugfahrern gerechnet, da ausgerechnet am Super League-Spitzenkampftag in Basel Gleisarbeiten den Joggeli Shuttle quasi aus der Erfolgsspur geworfen haben. Da reist es sich bequemer mit den Fancars, die denn auch gut gefüllt (also auch die Fahrzeuge, nicht nur die Passagiere) Richtung Basel unterwegs sind. Ich dagegen warte hier in Olten auf eine Gruppe Zugfahrer, die seit dem Fulehung einen anderen Zeitbegriff zu haben scheinen. «Wir treffen uns um Fünf am Bahnhof Thun. Ja, es ist gut, wenn du um halb Sechs in Bern auf uns wartest. Wir steigen dann aus, um dich zu treffen.» Also habe ich um halb Sechs in Bern auf die Jungs und die (hoffentlich nur heutige unter dieser Eigenbezeichnung für Stimmung und Unruhe sorgende) «Kurvenschlampen» gewartet und bin fünfmal auf dem Perron dem Zug nach Basel entlang rauf und runter gewandert. Ich verstehe die Welt nicht mehr und sitze mittlerweile schon im fahrenden Zug, als mich Zeitphilosoph Kevä per Telefon endlich aufklärt: Nur weil sich eine Thuner Fangruppe um 17 Uhr am Bahnhof Thun trifft, heisst das doch nicht, dass man deswegen den 17.04 Uhr-Direktzug nach Basel nimmt. Sondern den 17.32 Uhr-Zug. Analog zur akademischen Viertelstunde gibt’s demnach eine ultra-krasse Halbstunde. Und da nahm Kevä eben an, ich wolle mich am Bahnhof Bern auch so eine halbe Stunde lang entschleunigen. Ein Ritual, das ich schliesslich in Olten ausführe. Wenigstens habe ich genügend Efes dabei. Und passenderweise eine Packung Militärgüezi.
Mit Güezi, Weisswein und Kevä geht die Fahrt für mich in Olten um halb Sieben endlich weiter. Die Stimmung ist gut, das Litteringteam ist entsprechend viel beschäftigt. Ganz Farbe will die Fangruppe aber nicht bekennen, die meisten tragen keinen Fanschal. «Wir sind neutral unterwegs, da es ja in Basel nicht allzu sicher ist.» Aha. Und wie neutral ist man wirklich, wenn man Lieder anstimmt wie «Wir hassen Basel, wir hassen GC, aber ihr seid die…» Ich verzichte dann jedenfalls in Basel darauf, zu fünfzehnt ein Fanmärschchen zum Stadion zu machen, so neutral der auch immer ausgetragen wird. Schliesslich trage ich unverkennbar ein original rotes Longo-Trainershirt. Und prompt werde ich an der Tramhaltestelle angehauen: «Du bist Thuner, oder?» Gleich drei Burschen kommen auf mich, alle drei sind sie schon ziemlich angetrunken. Sie haben in mir das ideale Opfer gefunden und wollen von mir ganz konkret… den Weg ins Stadion wissen. Ich erweise mich für die drei Thuner Studenten als Reiseführer und bekomme für meine gute Tat während der Fahrt im überfüllten Tram ein Bier spendiert. Definitiv ein Ritual, das mir sympathischer ist.
Da wir vor dem Stadion noch intensive Diskussionen über Fulehungerlebnisse und Klettertechniken bei Bäumen und Containern rund um Fussballstadien führen, gehe ich erst direkt auf Anpfiff ins Stadion. Mein Glück, dass die Eingangskontrollen hier weit besser organisiert sind als in Aarau. Und wohl etwas weniger gründlich sind. In der Muttenzerkurve wird nach 30 Minuten jedenfalls eine Pyro gezündet. Eine einzelne. Hat da der erste Beppi die Hoffnung aufgegeben, dass Basel heute ein Tor erzielen wird? Der grosse FCB reisst sich an der Thuner Abwehr nämlich in der ersten Halbzeit die Zähne aus, der grosse Streller macht ausschliesslich durch Theaterszenen und sonstige Bodenübungen auf sich aufmerksam. Und zu alledem zeigt sich Thun auch noch offensiv, geht in der Eckballstatistik 4:2 in Führung und sorgt mit einem 20 Meter-Knaller von Schneuwly in der 39. Minute für einen Schockmoment. Doch Vaclik kann den Thuner Führungstreffer mit einer tollen Parade verhindern. Angesichts der Thuner Leistung werde ich richtig euphorisch und smsle Richtung Heimat: «Also we ä Match witer so louft, mues i mi Platz 9-Prognose uf e Platz1-Prognose wächsle.» Die Antwort von Fanclublegende folgt umgehend: «Was hesch für Droge gno. Wo o. FCB dominiert. Thun viel zu ängstlich.»
Ich jedoch bleibe dabei: «Sit öppe 10 Jahr nümm so e gueti Thuner Leischtig hie gseh.» Was aber doch nicht verhindert, dass das Heimpublikum kurz nach der Pause die FCB-Führung bejubelt: Nach einem ärgerlichen Ballverlust von Gonzalez im Mittelfeld setzt Serey Die zum Konter an. Ein Pass zu Xhaka, ein Schuss, der sich als Aufsetzer entpuppt und Faivre alt aussehen lässt. Und schon steht es 1:0. Worauf unser Capo ganz tief in die Voodoo-Kiste greift und die Fussballgötter zu besänftigen versucht, in dem er mich mit weissem Papier wie einen Weihnachtsbaum behängt. Auch für dieses Ritual gibt’s für mich als Belohnung ein Bier.
Thun lässt sich tatsächlich nicht unterkriegen und hält weiter gut mit. Einzig die Chancen sind etwas spärlich. Nach über 80 Minuten melde ich halb resigniert Richtung Heimat: «O wes 0 Punkt git e guete Uftritt.» Worauf Fanclublegende meint: «Wiiiiiiiiiiihuuuuuuuuuuuu. Wiiiiiiiiiiihuuuuuuuuuu.» Da liegen wir Thunfans uns nämlich in den Armen, während die Livetickerschreiberlinge vermelden: «Wir schreiben die 90. Minute! Cassio hat zuviel Platz, tunnelt Suchy mit dem Pass auf Berat SADIK, der mit dem one-timer den Ball ins linke Eck schiesst! Der Liga-Topskorer schlägt wieder zu, 7. Saisontor bereits für ihn!» 1:1 – und das erst noch völlig verdient. Wobei selbst Sadik nach dem Abpfiff so euphorisch ist, dass er Gölä am Zaun gleich sein Trikot in die Hand drückt. Wir anderen Fans machen uns dagegen ganz neutral auf den Heimweg – nicht aber, ohne in den Trams und Zügen laut zu singen. «Mir si Thuner, kener Bärner…» und so weiter und so fort.