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FCZ - Thun 2:1
23.07.2014Super League 2014/2015


Heute bin ich John Hamish Watson, kurz Dr. Watson. Wenn ein Watson-Schreiberling bei einem Stadiontest suggeriert, Fussballatmosphäre könne man nur an der Mittellinie richtig erleben, mache ich doch im Letzigrund gleich den Test. Doch leichter gesagt, als getan. Der 2 für 1-Gutschein, den meine Begleitung als Beipackzettel zum Saisonabo erhalten hat, sorgt an der Stadionkasse für Aufregung. 10 Minuten lang versucht das Ticketgrosi auf einem Stadionplan den gewünschten Platz unmittelbar neben dem Saisonabo-Sessel anzuwählen. Immer wieder scheitert sie. «Ich kann dort nicht klicken», beginnt sie zu jammern. Ziemlich schwach für ein Zeitalter, in dem man auf Tagi Online die Wohnorte sämtlicher Saisonabobesitzer anwählen und analysieren kann. Wahrscheinlich könnte ich mir dort schneller einen WG-Platz in einer Ultraclique erklicken als mir hier meinen 90 Franken-Platz zu sichern. Wir kapitulieren schliesslich und nehmen halt irgendeinen Platz auf der Westtribüne.
Wie viel Service bekommt man eigentlich für 90 Franken geboten? Nun ja, ein Verkäufer kommt regelmässig an deinem Platz vorbei mit einem Warenangebot, das er sichtlich auf Fussballfans zugeschnitten hat: Es gibt «GlaceMagebrot»… «GlaceMagebrot»… «GlaceMagebrot». Hätte ich doch den Thuner Bierverkäufer als zusätzlichen Begleiter mitgenommen.
Der FCZ erteilt Thun heute zwei Lektionen. Die eine lautet: Wie spielt man effizienten Fussball und gewinnt völlig verdient drei Punkte. Ja, der Sieg geht in Ordnung und die beiden Tore von Chikhaoui sind denkwürdig. Für ein Team wie Thun, das diese Saison wohl die ganze Kraft dem Abstiegskampf widmen muss, ist aber die zweite Lektion weit wichtiger: Fair-Play im Fussball ist etwas für Weicheier. In der 15. Minute zeigt Chermiti, dass auch er sich einige WM-Spiele angesehen hat. Hollandspiele. Er rennt im Strafraum an Leite vorbei und hebt dann in bester Robben-Manier zum Flug ab. Kreative Aktion. Würde er mit dem Fuss tatsächlich erfolgreich bei Leite einhängen, wäre der Penaltycoup wohl vollbracht. Doch die Schwalbe misslingt, der Pfiff bleibt aus. Leider auch die mehr als verdiente Gelbe Karte von Jaccottet.
Später liegt ein Zürcher in der Thuner Platzhälfte am Boden, während Thun zum Konter ansetzt. Das Publikum pfeift, die FCZ-Spieler jammern… und die Thuner spielen den Ball auf Höhe des Mittelkreises hinaus. Nachdem der FCZ-Spieler wieder aufgesprungen ist, gibt’s einen Einwurf weit in die Thuner Platzhälfte hinein, die ballführenden Thuner Spieler werden umgehend angegriffen. Vorbei die Konterchance.
1:0 steht es zur Pause, 1:0 steht es nach 60 Minuten. Da bleibt auf Höhe des Mittelkreises nach einem Zweikampf ein Thuner liegen. Der verletzungsanfällige Chikhaoui steht unmittelbar daneben. Doch von Fairplay keine Spur. Er nimmt den Pass seines Mitspielers entgegen und rennt und rennt und rennt. Er hat eine eigene Philosophie davon, wie man den Ball aus dem Spiel nehmen soll, wenn sich ein Gegner am Boden wälzt. Er schiesst bei der 11 zu 10-Situation das 2:0.
Notieren wir uns also: FAIR-PLAY IM FUSSBALL IST ETWAS FÜR WEICHEIER. Und schreiben wir hinzu: KALUDJEROVIC IST EIN NEUZUGANG MIT VIEL POTENZIAL. Der Serbe schiesst in seinem ersten NLA-Spiel nämlich prompt ein Tor. In der 73. Minute. Und so wird es in der Schlussphase noch ein wenig spannend. Der eingewechselte Gonzalez vergibt aber gleich zweimal eine Topchance, so dass es beim 2:1 bleibt. Ob dieses Spiel wirklich einen Wert hatte von 90 Franken? Dr. Watson meint… NEIN!