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Lausanne - Thun 1-0
20.04.2002Auf-/Abstiegsrunde 2001/2002


Frauen! Nichts gegen Frauenfussball, aber Frauenentscheide im Fussball - das muss nun wirklich nicht sein. Gross ist denn auch der Schock, als ich Stunden vor dem Match in einer Berner Beiz erfahre, dass ausgerechnet die Rote Nicole die KnĂĽllerpartie Lausanne-Thun pfeiffen will. Da wird mir geradezu schlecht, obwohl das Bier eigentlich gut.
Nun ja, nach einer kurzen heftigen Diskussion entscheiden wir Fans uns trotzdem fĂĽr eine Reise nach Lausanne, obwohl die Hoffnungen auf einen Sieg jetzt gewiss geringer ist.
Apropos Hoffnung und Frauen. Im "Schnellzug", der seltsamerweise in Romont und manch anderem Kaff hält, sind wir mal wieder am Missionieren. Schliesslich muss der FC Thun (und besonders seine Fans) in der Schweiz noch etwas bekannter werden. Zu dritt flirten wir daher mit den zwei hübschen Mädels auf den Sitzen vis-à-vis, wobei der eine von uns bei seiner Tätigkeit schon bald von einem Handyanruf unterbrochen wird. Seine Freundin ist dran - sie meldet sich aus dem fernen England. Na wenn das mal kein Beweis ist, dass Frauen auch schon nur den Ansatz eines Betruges riechen. So flirten wir nur noch zwei mal zwei, was ja bestens aufgehen würde. Und trotzdem verlieren wir beiden bestaussehensten Jünglinge die Flirtpartie - gegen...
Plötzlich stehen die beiden Mädels nämlich auf und wechseln auf die Sitzplätze hinter uns. "Wir wollen einen besseren Blick auf den See", erklären sie uns Verdutzten.
Angeblich mit einem Lächeln - wie uns später unser telefonierende Kollege mitteilt. Ausgerechnet der hat nämlich als einziger weiterhin Blickkontakt mit den beiden Schönen.
Nur fast vergessen wir in Lausanne auszusteigen, wo wir mit ziemlichem Französischgeschick herausfinden, dass das "Stade Olympique" auf der Busfahrplanstadtkarte eben doch die Pontaise ist. So steigen wir in den nächsten Bus, wo wir im Anhänger eine ziemlich rasant-gefährliche Bergfahrt erleben. Besonders mit ein bisschen verstärkendem Hoppsassa.
Und schliesslich sind wir im Stadion angelangt, wo wir die billigen Eintrittspreise (10 Franken) begrüssen und so etwas friedwilliger die umfassenden Eingangskontrollen über uns ergehen lassen. Als ob ein FCB-Fanpass nicht Nettigkeitsbeweis genug wäre.
Die Spieler laufen ein. Und die Schiedsrichtsfrau. So kanns denn losgehen. Und es geht gut los, die Thuner zeigen trotz der drei aktuellen Niederlagen keinen Respekt vor dem oberklassigen Gegner. Thun ist viel im Ballbesitz und kommt auch zu ersten Torchancen. Lausanne dagegen kommt zu einer Zwei Minuten-Strafe! Seltsam, aber wahr.
Die rote Nicole jedenfalls fordert aus einem unerkennbaren Grund einen Lausanne-Spieler dazu auf, das Spielfeld zu verlassen. Und zwar ohne Kartenzuck. So verharrt der Lausannois als Zuschauer am Spielfeldrand und versucht alle paar Sekunden wieder die Rückkehrerlaubnis zu bekommen. Doch Nicole winkt immer wieder ab. Sicher ganze Zwei Minuten lang. Erst dann erklärt sie "Lausanne ergänzen".
Wieder zu elft, ist Lausanne immer noch nicht die stärkere Mannschaft auf dem Feld. Die Waadtländer spielen äusserst zurückhaltend und kommen zu wirklich sehr wenigen, nie gefährlichen Torchancen. Auf der anderen Seite dagegen stellen wir erfreut fest, dass sich die Lausanne-Verteidiger nicht die Mühe machen, Topskorer Rama zu decken. So kommt er sogleich zu einer Bombenchance. Schräg vor dem halbleeren Tor bringt er den Ball aber zweimal nicht am Goalie vorbei. Schade.
Der einzige wirkliche Jubel im Thun-Sektor betrifft daher die 2-0-YB-FĂĽhrung gegen Lugano. Und nicht einmal da scheinen sich alle Thuner Fans zu freuen.
Pause. Die Bratwurst ist hervorragend, das Brot aber äusserst knapp bemessen. Weniger überzeugend ist das Securityduo in unserem Sektor, das auf einmal Lausanne Fans in unsere Fanzone hineinlässt. Einzig Weiss-Blau-Beflaggte lässt man nicht auf uns los.
Warum auch, schliesslich hat es anderswo genügend Plätze, ist das Stadion mit 1'450 Fans alles andere als gefüllt. All diese sehen wie wir in Halbzeit Zwei ein erstarktes Lausanne. Thun gerät leicht unter Druck, doch halten sich die Oberländer Mannen hinten immer noch gut. "Das ist EIN Team, das zusammensteht" bemerkt ein Fan ganz richtig. Ein Team mit einem Kobel, der nun wirklich alles abwehrt. Mit einem verblüffend starken Fahrni. Mit Rama und Oscar, die manche Chance erspielen. Mit Moser junior, der in Halbzeit Zwei dazukommt. Mit Moser senior. Und überhaupt mit allen Thunern Fussballhelden, die heute spielen. Auch Stettler ist dabei.
Dabei ist auch noch die Rote Nicole. Allen ist ihre negative Einstellung gegen Thun bekannt. Und alle mĂĽssen wir mitansehen, wie die Nicole entscheidet, als Kobel einen angreifenden Lausanne StĂĽrmer scheinbar korrekt stoppt. Die "Fliiiiiiiiiiiiiiiiiieg"-Schwalbe wird mit einem Penalty belohnt.
Da nützt aller Protest nichts, Kobel sieht sich mit einer unheimlich schweren Aufgabe konfrontiert. Hält er? Hält er? Wir hoffen sehr.... doch Kobel fehlen beim Schuss einige wenige Zentimeter. Der Ball landet im Netz, bei Lausanne regiert der Jubel, bei Thun die Wut. "Fussballmafia SFV!"
Thun wird so im letztem Moment um einen sicher geglaubten Punkt gebracht. Zumal Lausanne nun bestes Zeitspiel zeigt, was Latour selbstverständlich ärgert. Die unmögliche Schiedsrichtfrau greift ein- indem sie die Thuner Trainerlegende auf die Tribüne schickt. So muss er zumindest nicht mitansehen, wie Nicole aus zwei Nachspielminuten kurzerhand eine macht und vorzeitig abpfeift.
So hat Lausanne gewonnen, die Punkte jedenfalls. Der moralische Sieger ist aber Thun und entsprechend lassen wir auch die Mannschaft hochleben, die uns ebenfalls applaudiert. Dieser Match gibt jedenfalls Mut und Hoffnung. Man darf nie vergessen, dass Thun weiterhin nur einen Punkt unter dem Strich ist. Frauenentscheide im Fussball hin oder her.

Matthias Engel