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Thun - Servette 3:0
02.09.2012Super League 2012/2013


«Blödsinn!» sagt er. Den Rüffel des Fussballkenners fängt sich nicht etwa ein Fan ein, der behauptet, Thun werde diese Saison Meister. (Die Chancen stehen schliesslich besser als bei YB.) Und Ziel der Kritik sind auch nicht diejenigen, die nach wie vor das Thuner Catering kritisieren. (Einen «fliegenden» Bier-Verkäufer einzusetzen macht keinen Sinn, wenn er die ganze Halbzeit durch totenstilles Bier ohne Kohlensäure verkauft.) Das «Blödsinn!» ist gegen Markus Stählis öffentlichen Vorwurf gerichtet, der FC Thun werde mit System benachteiligt. Ausgesprochen hat es Urs Meier – ausgerechnet – heute in der «SonntagsZeitung». Das notabene in einem Artikel, der den Titel trägt «Schadet Bernard Challandes mit seinem cholerischen Verhalten dem Verein?»
Sind nicht irgendwie alle Choleriker, die den FC Thun im Herzen tragen? So ist jedenfalls mein Eindruck nach dem letzten Spiel gegen GC. Und so fühle ich auch heute zu Spielbeginn, als bereits nach dem ersten missratenen Schuss die Hände verworfen werden – wenigstens vorerst nur auf den Rängen. Laut wird’s dann erst recht, als Schiri Wermelinger ein erstes Mal anders entscheidet, als es wir Thunfans möchten. Ja, auch er pfeift heute höchst durchschnittlich. Aber wer sich zu solchem Blödsinn entschliesst, wie das Spiel bei Ballbesitz Thun zu unterbrechen, weil sich neben (!) dem Spielfeld ein über die eigenen Beine getolperter Servettien auf dem Boden wälzt, kann kein Fehlpfeif-System haben. Der versteht einfach sein Handwerk nicht. Und so zeigte er heute beispielsweise auch die gelben Karten im Zufallsprinzip. Einzig das Gelb für Ferreiras «Notbremse»-Foul nach dem x-ten missglückten Thuner (!) Eckball scheint auf den ersten wie zweiten Blick angebracht zu sein.
Damit nebst nur vier Servettiens mit Schindelholz überhaupt ein zweiter Thuner Gelb sieht, muss sich Wermelinger ziemlich anstrengen. Thun hat nämlich kaum je einen Grund zu Unsportlichkeiten zu greifen. Die Oberländer sind fast durchwegs im Ballbesitz und tänzeln sich regelrecht an den Servettiens vorbei. Dass dabei die Zweikampfbilanz gar nicht viel besser aussieht als gegen GC, hat einen einfachen Grund: «Pressing» ist für die Genfer zumindest in der ersten Halbzeit ein Fremdwort, die Thuner kommen im Minutentakt in den Strafraum, ohne sich auch nur einmal auf ein Mittelfeldduell einlassen zu müssen.
Entsprechend viel Energie bleibt da für den Torschuss. Und dementsprechend wunderschön sind die heutigen Tore der Thuner: In der siebten Minute flankt Salamand auf Schneuxty, der mit dem Ball eine Art Paar-Pirouette vollführt und ihn dann ins lange Eck schiebt. Kaum zu glauben, dass es sein erster Saisontreffer ist.
Schön ist auch das 2:0. Salamand tritt einen Freistoss von der Grundlinie, doch statt zu flanken, schiebt er ihn locker zu Ferreira rüber, der den Ball seelenruhig ins Netz schiebt. Der Treffer hat nur zwei Schönheitsfehler: Erstens sind da schon 66 Minuten gespielt und Thun sollte längst 5:0 führen. Und zweitens vermag Ferreiras Geste, sich vor der Thunkurve zu verbeugen und auf das Thunlogo auf seinem Dress zu deuten, nicht alle zu beeindrucken. Das ist etwas gar viel kitschiger Herz-Schmerz für einen, der ebenfalls ein Choleriker zu sein scheint und uns vor nicht allzu langer Zeit noch den Mittelfinger gezeigt hat. Dass nur ein Fan und nicht gleich Dutzende von uns mit der «Remember Thun-Luzern»-Geste antworten, hängt daran, dass heute Kindertag ist. Allgemein geben wir uns heute ganz brav, auch der einzige Böller des heutigen Spiels wird auf der Gegenseite gezündet. (BTW, Freiheit für alle Schlagzeuger).
Sehenswert ist ebenfalls das erlösende 3:0 in der 90. Minute. Passend zum Kindertag ist es der grosse Moment des Teambenjamins Renato Steffen (Jahrgang 1991). Der flankt, scheitert an einem Verteidiger, erhält dann aber die Gelegenheit, gleich nochmals zu flanken. Die Flanke fliegt zu Eddie Murphy himself, der den Ball volley ins Tor spediert. 3:0. Was für ein Jubel unter den 5000 Zuschauern. Die Fussballeuphorie macht sich gleich mehrfach bemerkbar: Noch vor Spielschluss sind in der Fankurve unglaubliche 36 Tickets fürs Cupspiel gegen Düdingen verkauft. Und noch unglaublicher ist, dass Guiness und Red Fanatic der Mannschaft Applaus spenden. Ja, Red Fanatic freut sich. Und noch ein Choleriker freut sich: Challandes, für den wir gleich zweimal Schlachtrufe anstimmen. Erst, als ausnahmsweise mal der gegnerische Trainer auf die Tribüne verbannt wird. Und dann natürlich, als der 3:0-Sieg feststeht. «Bernard Challandes isch e geile Siech!»
«Blödsinn?» Ja, ja, Herr Meier, bei uns haben Choleriker die besten Chancen, zum Publikumsliebling zu werden.