Thunfans » Spielberichte » Testspiele 2000 bis 2023 » Thun - Yverdon
Thun - Yverdon 1:1
20.06.2009Testspiele 2000 bis 2023


Jetzt kann ich’s ja zugeben: Eigentlich hätte ich mir einen ganz anderen GC-Schnösel als neuen Thun-Trainer gewünscht… the one and only Raimondo Ponte. Bei ihm wäre an jedem Fantalk ein fulminantes Redefeuerwerk garantiert. So habe ich mich am Donnerstagabend auch entschieden, lieber für ein Ponte-Podiumsgespräch in die Zürcher Langstrasse zu pilgern als mir das Yakin-Debüt in Zollbrück anzusehen. So habe ich von Ponte erfahren, dass ein richtiger Trainer immer die Hausschlüsselkopien aller ausländischen Spieler hat. (Sollte man vielleicht auf die U21-Spieler ausweiten...) Und ich habe gelernt, dass wenn einer so gut und bekannt ist wie Ponte, er sich natürlich nie für einen Job bewerben muss. Seltsamerweise ist nur Ponte dieser Ansicht, weshalb er noch einige Zeit Langzeitarbeitsloser bleibt und wohl nie Thun-Trainer wird.
Ich gebe aber zu: Ich habe mich am Donnerstag auch einfach deswegen gegen einen Testspielbesuch entschieden, weil ich mit dem öV für die Strecke Münsingen – Zürcher Langstrasse etwa gleich viel Zeit benötige wie für die Reise Münsingen – Fussballplatz Zollbrück. Um so besser, dass das Spiel heute im nahen Heimberg stattfindet… ha ha. Natürlich nicht. Während man in 7 Minuten von Thun nach Heimberg fährt, benötigt man als Münsinger öV-Benutzer 45 Minuten. Die Tatsache, dass in Heimberg gar keine Busse fahren, ist in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt. Für mich klarer Fall: Ich organisiere mir ein Auto für das Spiel und stoppe noch kurz am Bahnhof Kiesen, um einen Kollegen aufzuladen. Einen wahrhaftig fussballverückten Sion-Fan. Nicht wahr, wenn ein Sion-Fan sich freiwillig ein Thun-Yverdon-Testspiel ansieht, muss ein gewisser Fussballwahn vorhanden sein. Er zieht sich sogar einen Red Devil-Schal über, Relikt einer wohl ausgestorbenen Gattung Thunfans.
Dem Walliser möchte ich eigentlich unser Team vorstellen. Problem: Ich (er-)kenne nur die Hälfte der rotgekleideten Herren. Auf dem Platz stehen: Stulz, Reinmann, Zahnd, Schindelholz, Calapes, Glarner, Larroque, Faye, Ikanovic, Roux und Henel. Obs an den vielen neuen Namen liegt, dass das Team einigermassen engagiert auftritt? Bereits nach einer Viertelstunde ein wunderbarer Angriff, der 12er wird gefoult. Penalty. Faye stellt sich hin und verwandelt sicher. Die rund 1000 Zuschauer applaudieren entzückt. Wie aber reagiert Yakin? Er steht recht teilnahmslos am Spielfeldrand. Ausser mit ein paar Gesten nimmt er nicht aufs Spiel Einfluss. Aber es reicht wohl, wenn mit dem Yverdon-Trainer und dem Thun-Goalie (hallo Stülzu) zwei Beteiligte wild herumschreien.
Die Fans dagegen sind brav. Ob das wohl am Polizeiwagen liegt, denn die Uniformierten gleich hinter dem Thun-Tor abgestellt haben – zwar nicht im Gras, aber auch nicht ganz korrekt auf dem Trottoir?
Für Ärger sorgt eigentlich nur eine Schülerband im nahen Festzelt. Die Instrumente haben die Jungs und Mädels zwar schon vor über einer Stunde aufgebaut. Aber den Soundcheck machen sie natürlich während der ersten Halbzeit. Gleich dreimal hallt der Zombie-Song über den Platz. Und ich ärgere mich, dass ich den Gesang nicht aus meinen Gedanken wegsaufen kann.
In der Pause ist Rama der grosse Star. Klein und Gross wollen eine Unterschrift oder ein Erinnerungsfoto. Er versichert: Ab Ende Juli wird er in der U21 zum Einsatz kommen. Richtige und wichtige NLB-Tore verspricht er für den Herbst. Mit meinem Sion-Kumpel schwatzt er zwar auch. Aber keine Angst: „Nichts Wallis, ich spiele nur noch in Thun.“ Ja hoffentlich bald wieder…
Auch ohne Rama macht Thun heute eine gute Figur. 60, ja 70 Minuten sind sie die bessere Mannschaft. Selbst bei den Eckbällen ist eine gewisse Besserung erkennbar. Ikanovic – sowieso der beste Spieler auf dem Platz – tritt sie, die Testspieler fangen sie mit dem Kopf ab. Doch zum Treffer reichts noch nicht. Schade, ein Eckballtor würde der Moral ja so gut tun.
Aber allein ein Sieg gegen Yverdon wäre schon ein wichtiger Erfolg. Doch in den Schlussminuten geraten die Thuner wie gewohnt in Bedrängnis. Dass bislang gute Abwehrkonzept wird mangels Kondition durch ein Haudrauf-Zufallsprinzip ersetzt. So kommt Yverdon eine Viertelstunde vor Schluss zum ersten Tor, das wegen Offside aber nicht zählt. Doch zehn Minuten vor Schluss wird ein Yverdonstürmer penaltyreif umgerissen (kein Pfiff!) und Stulz Sekunden später bezwungen. Während Yakin ruhig bleibt, brüllt Stulz seine Vorderleute nieder. Hätte er nicht besser den Schuss von Bouamri einfach abgewehrt?
Yverdon hat nun sogar Chancen zum Sieg. Und wenn der Trainer nicht so lautstark und so regelmässig Penaltys fordern würde, würde der Elfmeter-Pfiff sogar noch erfolgen. So aber kann sich Thun über die Zeit retten. 1:1. Was vor allem die Thuner Testspieler ärgern sollte, die sich heute bestimmt nicht für eine Verpflichtung aufgedrängt haben. Ob man vielleicht mal bei Raimondo Ponte nachfragen sollte, was sein Fussballnachwuchs heute so macht? Dann käme der Fussballpapa vielleicht doch noch an einen Fantalk.