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Thun - YB 0:4
30.03.2008Super League 2007/2008


Das erste SMS des Tages verheisst nichts Gutes: “Die Zuglinie Bern-Thun ist gesperrt.” Und so komme ich schon um 10.30 Uhr in Zeitnot. Plötzlich bekommt mein Plan „Vormittags in Bern sein, Mittags in Münsingen essen, am Nachmittag in Thun gegen YB gewinnen“ erste Risse. Statt 12 Minuten habe ich plötzlich 65 Minuten von Münsingen nach Bern. Denn es ist natürlich klar: Obwohl stündlich ein Schnellzug von Münsingen nach Bern fährt, gibt es keine direkten Ersatzbusse nach Bern. Und die „S1-Ersatzbusse“, die fahren, fahren natürlich zu S1-Zeiten und nicht zu Schnellzugzeiten. So wird mein „schneller Abstecher“ nach Bern zur langatmigen Odysee. Das Münsinger Mittagessen lasse ich schliesslich ganz weg, ich fahre kurz nach Mittag „direkt“ von Bern nach Thun – quer durchs Gürbetal.
Wenigstens ist der „Schnellzug“ noch frei von YB-Fans. Eigentlich erstaunlich, sind doch die Thunfans am heutigen Spiel in Unterzahl. Ein jeder Berner Sportfan war halt schon immer YB-Fan und will sein Team heute bei einem weiteren Schritt Richtung Meistertitel sehen. Dass die Stadtberner Fussballeuphorie (Anmerkung: YB-Fans leben natürlich nicht auf Alpen und in Ställen, sondern bloss in einem 1-Kilometer-Radius rund um den Bärengraben) von den Broncos missverstanden wird, ist ärgerlich: Da wollen also Stadtberner Fans in bester Absicht mit YB-Trikots, YB-Schals und SCB-Schals (besonders intelligent!) in die FC Thun-Fankurve und müssen erstaunt feststellen, dass man dort gemäss Broncos-Anweisung das YB-Gelb nicht offen zeigen kann. Das nervt. Und dass die Thunfans noch so eine eigene Choreo zeigen, statt den Blick auf die letzte YB-Pyroshow im Lachen freizugeben, verstösst gegen die Derby-Fairness. Ach ja: Thun-YB ist natürlich gar kein Derby.
Das Spiel aber ist typisch Thun-YB. Bereits zum dritten Mal in dieser Saison (das Spiel vom letzten Sonntag war bloss die berühmte Ausnahme der Regel) handelt es sich um ein typisches 0.0-Spiel. In der ersten Halbzeit gibt es keine einzige Torchance – weder für Thun, noch für YB.
Immerhin wird das Spiel nach der Pause besser. Genauer gesagt. YB spielt schneller und Thun spielt schläfrig. Wie immer um die 50. Minute herum (man kann schon von einer mysteriösen Thuner Viertelstunde sprechen) will die Thuner Abwehr mal wieder dem Gegner ein Tor schenken – wie bereits gegen Sion, Aarau etc. Dieses Mal stehen nach einer Flanke mit Yakin und Häberli gleich zwei Fussballgötter vor dem leeren Thuntor. Doch beide verfehlen den Ball. Ein Zeichen?
Leider fehlt wenig später Ferreira auch die Torintelligenz. Statt den Ball über Wölfli hinweg ins Tor zu schiessen, landet sein Schüsschen in Wölflis Armen.
Nun ist wieder YB am Ball. Ein schnell lancierter Angriff, ein YB-Spieler alleine vor Bettoni – und prompt grätscht Guldan von hinten hinein. Penalty. Rote Karte. Grosser Frust. Es ist die 63. Minute. Yakin tritt zum Penalty an, zielt – und sieht wie Bettoni den Ball abwehrt – doch der Ball fliegt trotzdem schräg ins Netz. 0:1.
Thun gibt trotzdem nicht auf und greift beherzt an. Da YB mehr mauert als spielt, ergeben sich tatsächlich Thuner Chancen. Doch es schaut nichts Zählbares raus. Da spielt YB schon effektiver. Ein Foul eines Thuners, ein Freistoss von Yakin und schon schiesst Häberli zum 0:2 ein.
Während Daueroptimisten nun das Beispiel Arsenal bemühen, da der Londoner Club gegen Bolton gestern ein 0:2 in Unterzahl in 3:2 verwandelt hat – auswärts! - zeigt Nyman seine finnischen Qualitäten. In der 81. Minute steht er unbedrängt im Thuner Strafraum und bringt es doch fertig, den Ball einem YB-Spieler vor die Füsse zu spielen. Nun haben Häberli und Yakin leichtes Spiel. Yakin schiesst das 0:3. Wenig später erhöht Raimondi gar auf 0:4 – womit erneut drei YB-Treffer in der YB-Viertelstunde gefallen sind.
Während einige Daueroptimisten auch nach dieser Kanterniederlage weiter an den Ligaerhalt glauben, ertrinke ich meinen Frust ausgerechnet mit gelbem Fanta. Ob meine Hausärztin wohl YB-Fan ist, dass sie mir bis Mitte Mai ein absolutes Alkoholverbot erteilt hat? Denn Abstieg nüchtern miterleben zu müssen – echt fies.
Später am Abend setzt sich im Zug ein angegrauter YB-Fan neben mich, dessen Grinsen kein Ende zu nehmen scheint. Als würde sein YB-Seidenschal noch nicht für einen genug grossen Stich in meinem Herzen sorgen, nimmt er sein Handy hervor und telefoniert mit Käru: „Itz müesse mir de scho luege für die Billet denn in Basu. Ja, für e 10. Mai. Si hei hüt gseit, im Internet cha me o bstelle. Es het also no Billet…“ Als ich plötzlich so etwas wie Mitgefühl spüre, dass er nach all den tristen Jahren endlich einen YB-Titel sehen wird, wechselt er plötzlich das Thema: «I freue mi o uf e Sundig. Wird e guete Match. I fahre ir 1. Klass uf Basu – hoffentlech bechunt Basu ufe Dechu…“ Da bin ich doch beruhigt, dass ich nicht neben einem langjährigen YB-Fan sitze, sondern bloss neben einem Gloryhunter. Ich will ihn fragen, ob er jetzt eigentlich seinen „FC Thun Champions League“ noch braucht, der sicher auch in seinem Schrank hängt. Doch da hält der Zug. Münsingen ist wieder für alle Endstation.