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Thun - YB 0:0
04.11.2007Super League 2007/2008


Endlich in der S-Bahn, endlich nach Hause. Dieses Spiel möglichst schnell vergessen. Ein typisches Berner Derby wars. Schwache Thuner, verunsicherte Berner. Wahlweise auch umgekehrt oder beides gemeinsam. Jetzt einfach nur noch heim, wie mir zuvor im Bus schon die YB-Jungs rund um Zeremoniemeister Mark und „alli Lüthis si geil“-Lüthi geraten habe. „Mattäng, gang hei u schrib di Spiubricht.“ Als ob man über dieses 0:0 noch irgendwelche Worte verlieren sollte.
Die S-Bahn fährt, juhu. Doch zu hören sind nicht nur Zuggeräusche, sondern auch falsch klingende Gesänge. Und damit sind nicht nur die YB huldigenden Texte gemeint. YB-Jungs kommen zu mir und setzen sich natürlich auch gleich in mein 6er-Abteil. Man sieht sich ja sonst viel zu selten. Der YB-Bruno stellt sich vor und erwartet Lob von mir, dass es nach Spielschluss absolut friedlich geblieben ist in Thun. Und mir würden sie natürlich auch nichts tun. Da habe ich ja nochmals Glück gehabt. So darf ich mir anhören, was wäre, wenn ich jetzt ein FCB-Fan wäre. Ja, da würde ich natürlich schon böse zusammengeschlagen…

Da erinnere ich mich halt doch lieber ans Spiel. Besonders an den Beginn. Tolle Zuschauerkulisse – 6800 Zuschauer wirken im Lachenstadion nun einmal besser als in Bern, Zürich oder Basel. Und eine ganz beeindruckende Choreo. Auch wenn nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, was die grossen grünen Tannen und die vielen grünen Fähnchen eigentlich aussagen sollen. Ist dies ein Dank an den FC St. Gallen dafür, dass dieser diese Saison noch schlechter spielt als Thun? Oder wird damit der Grüne Thomas Hiltpold gefeiert, der sich auch mit aller Kraft für das Stadion einsetzt? Den besten Deutungsversuch macht aber Kevin. Die Choreo sei eine Aufforderung an die YB-Fans für einen ordentlichen Feld-Wald-Wiesen-Fight. Kevin weiss halt nicht, dass es keine Agglo Thun-, sondern eine Aebikurve-Choreo ist. Die Auflösung: Bei Spielbeginn wird ein Bild vom nach Hause radelnden E.T. durch die Menge gezogen. YB soll schlichtweg nach Hause gehen. Warum nicht, bliebe uns doch das langweilige Derby erspart.

„Thuner, Thuner, ab in die Berge…“ Der Evergreen schlechthin wird mal wieder angestimmt, um sogleich wieder Flüchen über die Bierjetons in Thun Platz zu machen. Dabei sind die Jetons doch sogar gelb. Doch Bruno und Co. ärgern sich angeblich schon seit Jahren über das doppelte Anstehen. Jetons schon im Voraus kaufen? Nein, das wollen sie natürlich nicht. „Mir Bärner si herti Gringe.“ Eh ja… die berühmten Stadtberner YB-Fans, die rein zufällig in der S-Bahn sitzen.

Ich telefoniere während dem Spiel wieder einmal. Alle paar Minuten kann ich von Home danger und away danger erzählen. Mein Schreibblock dagegen bleibt völlig leer. Es gibt in der ereignungslosen ersten Halbzeit nicht nur keine einzige Gelbe Karte, sondern nicht einmal einen einzigen Eckball. Dafür hat mein indischer Gesprächspartner Freude am Telefonat. Immer wieder beginnt er „Young Boys, Young Boys“ zu singen. Ich denke nun aber nicht, dass er YB-Fan ist, sondern den Klubnamen schlichtweg zum Grölen findet. Gut, dass sich wenigstens einer heute Nachmittag gut unterhalten fühlt. Die Fans im Stadion dagegen sind abwechslungsweise gelangweilt, gefrustet oder gar schon eingeschlafen. Zur Pause steht es 0:0.

In der S-Bahn befindet sich ein Team der BLS-Abendbegleitung. Bevor sie Tickets kontrollieren können, müssen sie mal in der 1. Klasse für Ordnung sorgen. Dort haben selbstverständlich längst nicht alle YB-Fans einen erstklassigen Fahrausweis. Eine Busse? Nein, warum auch. Die YB-Jungs werden aufgefordert, sich doch einen neuen Platz zu suchen. Als in der 2. Klasse die Bahnangestellten mit Hassgesängen eingedeckt werden, verzichten sie ganz auf eine Billetkontrolle und ziehen sich zurück. „Ihr seid Scheisse wie die SBB!“ tönt es durch den Wagen. Wirklich toll, wie manche Fangruppen als Belohnung für ihr Verhalten immer wieder mit Gratisfahrten und Extrazügen belohnt werden.

Immerhin kommen die Spieler mit etwas mehr Aggressivität aus der Kabine. Plötzlich sieht man Zweikämpfe - und Fouls. Zuerst von den Thunern. 47. Minute Gelbe Karte Nyman, 57. Minute Gelbe Karte Guldan. Dann drehen die Berner auf: 58. Minute Gelbe Karte Schwegler, 76. Minute Gelbe Karte Tiago. Und in der 83. Minute begeht Schwegler erneut ein Foul: Gelb-Rot. YB noch zu zehnt und Thun-YB wird doch noch zu einem ansehnlichen Fussballspiel, wenn auch nur zehn Minuten lang. In der 84. Minute köpfelt Guldan nach einem guten Thuner Angriff den Ball an den Pfosten. Und wenig später rennt Faye alleine aufs Tor – und schiesst Wölfli ab, statt das nun verdiente 1:0 zu erzielen. Das Spiel endet 0:0.

Es wird Zeit für eine Diskussion über die Thuner Zukunft. Die sieht zapperduster aus – glaubt man den YB-Fans. Wahlweise sprechen sie über einen Thuner Abstieg in zwei Jahren oder einen Abstieg Ende Saison. Am liebste wäre ihnen wohl gerade beides. „Wer so gegen Aarau spielt, steigt ab.“ Beruhigend zu wissen, dass selbst ein 0:5-Thun noch stark genug für einen Punktgewinn im Berner Derby ist.
Mit Spott werde ich in Münsingen verabschiedet. Auch zwei YB-Fans steigen aus, packen ihre Schnäbis aus und pissen aufs Perron. Dabei blockieren sie natürlich die Türe, denn schliesslich wollen sie auch wieder im Zug weiterfahren. Schliesslich geht die S-Bahn-Fahrt mit Verspätung weiter – mit den YB-Pissern, aber zum Glück ohne mich.