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St. Gallen - Thun 0:4
06.10.2007Super League 2007/2008


„Bewegen wir Bern…“ Am heutigen Samstag kann man dem Wahlkampf wirklich nicht entfliehen. Doch während in Bern Ländlerfreunde und Knallköpfe einander gar nichts schenken, geht vor dem Espenmoos ein Politiker wie in der guten alten Zeit mit Wahlgeschenken auf Stimmenfang: Top-Politmann Andreas Widmer verteilt an alle Fans Kägifret. Auch wenn (Thuner) Fussballbegeisterte oftmals überhaupt keine Wahlbegeisterte sind, wie uns Schizo gleich outet. Andererseits: Wie ernst man einen Thuner nehmen, der ab nächster Woche beim FC Winterthur II spielt? Vereinsbeitritte gehören nicht zu den Dingen, die man besoffen machen sollte, lieber Schizo. So landet man unverhofft bei einem Hassverein. Aber da wir nun eben keine SVP-Gläubige sind, sondern nur FC Thun-Anhänger, wollen wir weiter zu unserem schwarzen Schaf Schizo halten. Diese noble Geste findet sicher auch Andreas Widmer toll. Allerdings will der uns nicht verraten, welcher Partei er angehört. Ist der freundliche Kägifret-Vertreter etwa auch ein Schaf-Hasser? Natürlich nicht. Andreas Widmer ist Präsident der CVP Toggenburg.
Ist das Kägifret der einzige Farbtupfer an einem weiteren tristen Auswärtsmatch-Nachmittag? Die geringe Anzahl Thunfans, die nach St. Gallen gekommen sind, ist jedenfalls kein Zeichen für allzu grossen Thuner Optimismus. Der grösste Anlass zur Hoffnung ist noch die lange Absenzenliste des FCSG. Doch bei einem Blick auf die St. Galler Mannschaftsaufstellung bemerkt Fussballlexikon77 richtig: „Also anfangs Saison habe ich eine Mehrzahl dieser Namen auch schon gekannt.“ Wie das allerletzte Aufgebot sieht die Startelf „Razzetti; Feutchine, Zellweger, Garat, Di Jorio; Mendez, Gelabert, Gjasula, Ciccone; Fernandez, Aguirre“ tatsächlich nicht aus. Da tönt die Thuner Startformation mit Namen wie Glarner, Andrist und Rama schon nach mehr Verzweiflung. Nur wer weiss, dass die Formkurven dieser drei Jungs derzeit steil nach oben verlaufen, gibt die Hoffnung auf Punkte nicht gleich bei Anpfiff auf.
Und tatsächlich: In der 11. Minute läuft der allererste Thuner Angriff über Glarner, Rama und Andrist. Glarner gewinnt das Laufduell an der Seitenlinie und passt zu Andrist – wobei der dazwischen stehenden Rama clever über den Ball springt. Andrist schiesst den Ball ohne Zögern oder St. Galler Gegenwehr flach aufs Tor – und trifft! Thun führt überraschend und kann den Vorsprung noch überraschender problemlos verwalten. Güller Torgefahr ist eigentlich nur bei Freistössen spürbar. Da schreit zuerst die St. Galler Kurve „Jürgen, Jürgen, Jürgen“, wobei wir nach jedem Fehlschuss von Gjasula ins „Jürgen“-Echo einstimmen. Andere St. Galler scheinen an diesem Nachmittag den Torschuss überhaupt nicht zu suchen.
So kommt Thun in der 40. Minute zur zweiten Torchance. Eine schöne Ballstafette über mehrere Stationen, ein Razettiabpraller, Andrist auf Rama und der schiesst das 2:0. Gab es wirklich eine Zeit, als Andrist und Rama noch nicht perfekt miteinander harmonierten. Wir freuen uns über das Tor und den thunfreundlich gestimmten Fähndlima. Für uns war das Tor sehr offsideverdächtig. Aber vielleicht sind wir uns halt auch einfach keine schnell herausgespielten Thunchancen gewohnt.
In der Pause müssen wir schnell zu neuen Bierbechern kommen. Also hin zum Bierverkäuferhooligan, der so gefährlich ist, dass er hinter einem Zaun (!) mit kleinem Guckloch eingesperrt ist. Ach, was werde ich einst das Espenmoos mit seiner Dixiekloromantik und dem vielen Senf vermissen.
Die zweite Halbzeit gleicht den zweiten 45 Minuten bei Thun-Xamax. Aber bei einer 2:0-Auswärtsführung macht ein langsames Fussballspiel natürlich viel mehr Spass. Und immerhin der Totomat bietet gute Unterhaltung: Nicht nur in den NLB-Spielen fallen viele Tore (ja, liebes Schweizer Fernsehen, NLB-Resultate und Tabellen interessieren die Fussballfans!), sondern auch bei YB-Luzern. Aus einem 0:1 wird dort innert weniger Minuten ein 6:1.
Dass es überhaupt keine Inner- und Ostschweizer braucht, um das Bernbiet zu bewegen, beweist in den Schlussminuten auch nochmals der FC Thun in aller Deutlichkeit. Wobei sich Rama bei der dritten Thunchance des Spiels wieder einmal sehr viel Zeit lässt, nachdem er den gegnerischen Torhüter ausgespielt hat. Ein Schritt, zwei Schritte, drei Schritte – Schuss. Und Tor! 3:0. Und mit seinem dritten Saisontreffer ist Rama schon wieder Thuner Topskorer.
Das ist in der 82. Minute. Der Sieg steht nun fest. Doch es kommt noch besser: In der 85. Minute knallt Scarione den Ball aus weiter Distanz ins Netz. 4:0. Der höchste Auswärtssieg seit dem 4:0 in Schaffhausen am 21.9.2005. „An Tagen wie heute weiss man wieder, wieso man sich all die leiden Thuner Auswärtsspiele antut“, erklärt Verdammt-Nochmal-Allesfahrer77.
Auf der Heimreise verhalten wir uns erst ganz ruhig, um vor dem Stadion und bei der Bushaltestelle nicht auf schlechte Verlierer zu treffen. „Hier sind wir ruhig, aber im Zug geht’s dann so richtig los“, so Partyguide77. Unsere Versteckaktion gelingt aber nicht wirklich, da uns unser breites Grinsen immer wieder verrät. Im Zug – St.Gallen-Bern nonstop – geben wir dann unsere lautesten Siegeslieder zum Besten. Der Tagesfavorit nebst all den musikalischen Grüssen an St. Gallen, Will und Winterthur: „DEKLASSIERT, SCHALA LA LA LA LA. DEKLASSIERT, SCHALA LA LA LA LA.“
Wie Andreas Widmer die Niederlage verdaut hat, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hofft er, den nächsten Match mit dem FC Kantonsrat nicht auch so hoch zu verlieren.