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Thun - Aarau 2-1
03.10.2006Super League 2006/2007


Läck ist das laut in der 1. Halbzeit. Und das in Wind und Regen. Nach drei Tagen Fulehung sind die Fans scheinbar immun gegen Müdigkeit, Kater, Herbstwetter und schlechten Fussball. Obwohl das Spiel auf dem Platz nur wenig gefällt, wird aus voller Brust gesungen – nein, eher abartig gegrölt. Allein Andy ist lauter als zehn Ehemalige am Zapfenstreich. Dabei ist das Spiel wieder so „durchschnittlich“, dass man Angst haben muss, dass Red Fanatic seine Bierwurf-Drohung tatsächlich wahr macht. Jeder aus der Kurve, der „Longo, Longo“ statt „Peischl, Peischl“ ruft, soll ein Bier auf die unfreundliche Art abbekommen. Immer wenn jedoch heute Abend Bierbecher fliegen, hat diesen einen ganz anderen Grund: Das geradezu abartig schlechte Trio rund um Schiri Studer. Immerhin fällt dank ihren Fehlentscheidungen im Minutentakt nicht auf, wie wenig eigentlich auf dem Spielfeld passiert. Es soll Fans geben, die wegen den fehlenden Torszenen weder merken, dass Rama einmal von Anfang an spielt, noch dass erneut Portmann im Tor steht. Okay, letzteres bemerkt immerhin „Er steht im Tor, im Tor und ich dahinter“-Christine.
Nach 45 Minuten lauter Langeweile ist keiner von uns darauf vorbereitet, was nach der Pause folgt. Zuerst stellen wir erfreut fest, dass in der 2. Halbzeit Gügi bei uns spielt, also auf unsere Seite, also genau gesagt vor unserer Kurve. Er ist nun Anti-Held Nummer 1, denn matchentscheidende Schwalben verjähren nie.
Doch die allgemeine Aufregung wird noch viel grösser. Plötzlich kommt es zu regelrechten Espresso-Emotionen, die Ereignisse überstürzen sich zwischen der 50. und 65. Minute.
Dabei ist die Stimmung doch nun angenehm ruhig. Der kleine Lüku stimmt noch leise ein „There’s only one Milaim Rama an“. Ich singe nur halbwegs mit, wage aber eine Prognose: „Heute Abend wird noch die ganze Fankurve dieses Lied singen.“ Ich muss nicht lange warten. In der 50. Minute gelingt endlich einmal ein Passspiel der Thuner. Tapia auf Rama, der nimmt den Ball an und setzt zum Schuss an…
„Mustergültige Annahme“, wird der FC Thun auf seiner Homepage schreiben. „Mit dem Oberarm“, wird das Schweizer Fernsehen kritisieren. „Aus abseitsverdächtiger Position“, wird sich der unglückliche Felix von der Aargauer Zeitung ärgern…
Uns ist das alles egal, denn Rama trifft. Rama trifft tatsächlich! 1-0. Sein erster Saisontreffer. Noch 19 und ich habe die Rama-Bierjeton-Wette mit Tomtom gewonnen.
Wenig später fluchen wir schon wieder. In der 58. Minute zeigt Studer Hodzic aus dem Nichts heraus die Gelbe Karte. Seit wann stellt eigentlich im Fussball der Schiedsrichter eigene Regeln auf? Okay, dumme Frage…
Wenige Sekunden später, die 59. Minute. Ein missglückter Schuss, ein Abpraller, Adriano trifft. Viele jubeln, aber – der Linienrichter hatte die Fahne oben. Offside? War das keine neue Spielszene?
Die Thuner geben nicht auf, wollen unbedingt den zweiten Treffer. Die 60. Minute. Der Ball kommt zu Tapia, der alleine vor dem Tor steht. In Thunspielen längst keine Garantie für einen Treffer. Doch er schlägt ihn mit dem Kopf wunderschön ins Netz. 2-0. Der Treffer zählt.
Dann Anspiel der Aarauer. Sie kommen nun Richtung Thuner Tor. Der Ball kommt in den Strafraum. Meshab hat ihn in gefährlicher Position, will ihn auf einen Kollegen spielen. Nein, Jese gelangt noch an den Ball. Er kickt ihn… ins eigene Tor! In der 62. Minute steht es nur noch 2-1.
Jetzt bloss kein weiterer Gegentreffer. Aber Aarau hat in der 64. Minute schon wieder den Ball. Mesbah nimmt im Mittelfeld Anlauf. Ein schneller Spurt. Aber nicht Richtung Tor, sondern direkt auf Hodzic zu. Soll der den Weg freimachen oder grätschen? Er entscheidet sich, stehen zu bleiben und das Gesicht abzuwenden. In den Augen dieses verdammt noch mal unfähigen Schiedsrichters wird die natürliche Reaktion als Rempler geahndet. Ja, es gibt die zweite ungerechtfertigte Gelbe gegen Hodzic. Gelb-Rot, Thun spielt eine halbe Stunde in Unterzahl.
Die Fankurve tobt. Leider teilweise auch gegeneinander. Warum rasten eigentlich ausgerechnet Pryo-Kids aus, wenn sie von einem halbleeren Bierbecher getroffen werden? Haben sie Angst, ihr Material werde nass? Schwache Aktion, sich mit eigenen Leuten prĂĽgeln zu wollen.
Unser aller Feind soll doch Studer heissen oder Gügi oder ganz Aarau – und nach all dem Fluchen wäre es vielleicht gut, wieder das eigene Team zu unterstützen. Dies ist ab der 80. Minute der Fall, als die positiven Gesänge wieder Überhand nehmen und wir die Mannschaft toll anfeuern. Jetzt ist dies auch nötig, denn nach langer Anlaufzeit wissen die Aarauer doch noch mit ihrer Überzahl umzugehen. Sie spielen nun Powerplay, sind praktisch 90 Prozent im Ballbesitz. Zum Glück sind Bieli und Gügi keine richtigen Knipser. Ab der 85. Minute spielt deshalb auch noch Bengondo. Und knallt erst Mal den Ball an die Latte.
Die Nachspielzeit. Lange vier Minuten. Vielleicht, weil sie auch mindestens fünf Minuten dauern. Ab und zu kann sich Thun befreien, doch bis zum letzten Augenblick kommt Aarau immer wieder vors Tor. Dann plötzlich der Jubel. Die Spieler, die Betreuer, die Zuschauer – Thun hat 2-1 gewonnen! Saisonsieg Nummer 2 trotz widrigster Umstände. Schöner kann Fussball nicht sein.
Bis halb elf stehen wir noch in der Kurve. Denn während wir den bescheidenen Rama an diesem Abend nicht mehr sehen, zeigen sich noch ein paar ganz wilde Kerle im Lachen: Die Aarauspieler müssen auf der Laufbahn auslaufen. Geschätzte 20 Strafrunden hat ihnen Longo aufgebrummt. Um die Rüebli-Jungs bei ihrem Fitnesstraining zu pushen, sorgen wir für eine stimmige musikalische Umrahmung: Paukenschläge und dazu ziemlich jeden Spottgesang, den wir nur halbwegs mit Gügi und Co. in Verbindung bringen können. Aber sie tragen halt auch wirklich weisse Socken… Läck ist es wieder laut.