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Wolfsburg - Thun 2-3
03.07.2004UI-Cup 2004/2005


"Thun hat nur einen offiziellen Fanclub". Als wir früh morgens an einer deutschen Raststätte diesen falschen Satz im Kicker lesen, ist unser Wille zu einem lautstarken Auftritt in Wolfsburg gleich doppelt so gross. Rund 30 Fans sind wir allein im Car, weitere Thuner reisen auf anderen Wegen an. Dass die 12-stündige Anreise mit vielen süffigen Zwischenstopps lohneswert ist, zeigt sich schon kurz nach dem Ortsschild Wolfsburg um 10.00. Die 120'000 Einwohner-Stadt ist nämlich nicht nur die VW-Stadt schlechthin, sondern (für Schweizer Verhältnisse) auch eine Fussballstadt, zumindest was die Stadien anbelangt. Schon das bescheidene Porsche Stadion wär wohl Super League tauglich, das alte und das neue Stadion des VFL schliesslich beeindrucken uns weit mehr.
Nur mit dem Stadtleben können wir Thuner uns nicht so recht anfreunden, wir verwöhnten Schweizer vermissen eine Altstadt, einen Fluss, einen Dönerstand, der schon um 11 Uhr offen hat und einen Bahnhof, an dem auch Schnellzüge halten. Aber immerhin scheint Wolfsburg ein guter Ort für Hörgeräte- und Zahngoldgeschäfte zu sein. Und die Leute sind nett, immer wieder werden wir gefragt, wie lange wir denn nun unterwegs waren. Unsere Abfahrtszeit 22.00 steht derweil in der Wolfsburger Allgemeinen, was wie der Rest des Berichtes korrekt ist. Einzig beim Wechsel von Raima nach Augsburg hat sich ein kleiner Schreibfehler eingeschlichen.
Nach dem Mittag zeigt dann der Deutsche Sommer sein wahres Gesicht, es beginnt geradezu stürmisch zu regen und hageln. Da kommt einem direkt der Song "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" von Rudi Carrel in den Sinn. Und tatsächlich: Plötzlich singen all die Fans aus Thun, Wolfsburg und Hannover völlig durchnässt in einer Unterführung gemeinsam unzählige Fanlieder. Einige Deutsche, vor ab die mit den Hannoverschals, wollen gar auch während dem Spiel Thunlieder singen. Für "Stimmung!" sind beispielsweise auch Nana, nebenberufliche Vorkauerin in einem Altersheim und ihr Freund Chrissie, der sich übrigens nicht nach dem Aargauer Ausdruck für Kirsche benamst hat.
6 Euro (5 Euro für Studenten) kostet der Eintritt, ein Entgelt, das sich lohnt. Das Spiel ist nämlich vom ersten Moment spannungsgeladen, die überall heiss diskutierte EM-Langeweile ist weit entfernt. Dies nicht zuletzt dank den Thunern, die von Anfang an viel Druck nach vorne machen. Klar, auch Wolfsburg hat seine Chancen. Doch entweder ist die ersatzgeschwächte Elf bei den Angriffen zu wenig zielstrebig oder Coltorti zeigt wieder einmal eine seiner grossen Paraden. Thun dagegen hat bald seinen verdienten Torjubel, nach 15. Minute trifft Baykal nach einem Eckball. Thun führt und kommt auch dann immer wieder zu Chancen, was vor der Pause zu ersten Pfiffen der Einheimischen führt. Ansonsten dominieren stimmungsmässig wir Thuner - wie uns jedenfalls die Premiere-Fangruppe aus Thun immer wieder meldet.
Und wir Thuner werden immer lauter. Lustrinelli wird wenige Minuten nach der Pause feierlich verabschiedet, das erste Einlaufen von Ojong wird bejubelt. Und der neue Mann enttäuscht uns nicht. Bereits bei einem seiner ersten Ballkontakt wirbelt er durch die Wolfsburger Zone und schiesst beherzt zum 2-0 ein. Das ist in der 59.Minute.
Thun dominiert die folgenden Spielminuten klar, auch wenn viele Chancen vergeben werden. Doch in der 70. Minute landet auch ein Schuss von Raimondi im Netz, Thun führt im Bundesligastadion VW-Arena 3-0! Wir sind ausser uns vor Freude und stimmen schon mal ein "Hamburg, wir kommen!" an.
Dumm nur, das ausgerechnet jetzt die Kräfte der Thuner schwinden. So kommen die Wolfsburger dank ihrem Schlussfurioso noch zu zwei Toren. In der 75.Minute erzielt Schnoor das 1-3, in der 88.Minute Präger das 2-3.
Doch am Schluss pfeiffen die 5000 Wolfsburger Zuschauer trotzdem, während wir Thuner ganz laut rufen "Aus-, Aus-, Auswärtssieg!" Es ist der allererste Thuner Auswärtssieg in einer Europacuppartie.
Bei der Rückfahrt mit dem Car will trotz dem Sieggefühl keine Partystimmung aufkommen, zu erschöpft sind wir nach all dem Jubel und Trubel auf der Hinfahrt und im geliebten Deutschelande. So träumen wir ganz ruhig schon mal von Hamburg. Und auch die Carchauffeure träumen irgendwie. Erst verfahren sie sich, dann klappt erst an der 3. angefahrenen Tankstelle das Tanken. Es ist wieder eine lange Nacht...
Um 6.00 treffen schliesslich die Fans wieder in Thun ein, unter ihnen übrigens Mitglieder aller drei grossen offiziellen Fanclubs, falls dies eine deutsche Zeitung in ihrer Berichterstattung noch erwähnen möchte.

Matthias Engel