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Weder: «Die Millionen werden immer überschätzt»
19.12.2006Hintergrundinfos

Anmerkung: Folgendes Interview haben die beiden Thunfans Judihui und Mattäng exklusiv für das FC Thun Forum und die Interseite www.thunfans.ch führen können. Interviewtag war der Donnerstag, 14. Dezember 2006.

Kurt Weder: «Die Millionen werde immer überschätzt»

FC Thun-Präsident Kurt Weder erklärt, wie schwierig der Neuanfang nach der Champions League ist. Die Halbzeitbilanz sei nicht durchzogen. sondern schlichtweg schlecht. Schuld daran sei aber nicht nur der Trainer. Ob Lustrinelli der Retter in der Not sein wird?


Thunfans: Wie geht es Ihnen, wenn das Spiel so harzt, wie zum Beispiel gegen Luzern? Möchten Sie da nicht manchmal wie Ihr Kollege Constantin in der Pause in die Spielergarderobe gehen und rufen: „Chömmet Giele! Machet! Machet!“?


Kurt Weder Nein. Das ist kein Thema und wird auch nie eines werden. Wir haben eine klare Aufgabenteilung zwischen Präsident, Sportchef und Trainer. Ich sehe die Mannschaft vor und nach dem Spiel. Dazwischen gehört die Mannschaft dem Trainer. Ich habe keine kombinierte Funktion von Präsident und Trainer in Personalunion wie Herr Constantin.


Thunfans: Halten Sie vor dem Spiel noch eine präsidiale Ansprache?


Kurt Weder Nein. Das könnte es höchstens einmal in einem Ausnahmefall geben. Ich habe mich immer mit allen Trainern abgesprochen, wie sie es wollen. Und daran halte ich mich dann. Sonst gibt es ein Durcheinander, bei dem die Verantwortlichkeiten nicht mehr klar sind.


Thunfans: Halbzeitbilanz. Das Ergebnis ist eher durchzogen...


Kurt Weder Sie ist nicht durchzogen. Sie ist schlecht. Wir müssen das Kind beim Namen nennen. Wie immer man es betrachtet: von den Punkten her, von den geschossenen Toren, von den erhaltenen Toren. Es ist unter unseren Erwartungen. Wir waren nach der letzten Saison sicher keine Träumer und wussten, was auf uns zukommen würde. Wir haben die Auswirkungen der Champions League trotzdem völlig unterschätzt. Ich hatte mich zwar im Vorfeld und während der Champions League intensiv mit der Situation danach auseinandergesetzt. Aber es ist unglaublich, welche Auswirkungen ein solches Ereignis im Umfeld und bei den Spielern ausgelöst hat. Gerade bei manchen Spielern war ein grosser Realitätsverlust festzustellen. Wobei man das ihnen gar nicht mal verübeln kann. Sie sind durch den ganzen Medienrummel so verrückt gemacht worden. Und man muss sehen, dass die Spieler schon im Vorfeld der Champions League langsam ins nationale und internationale Schaufenster gestellt worden sind. Ständig waren Scouts von in- und ausländischen Clubs auf der Tribüne. Das hat jetzt Gott sei Dank wieder abgenommen.


Thunfans: Sie haben selber einmal Fussball gespielt. Wie weit helfen Ihnen diese Erfahrungen heute bei Ihrer Aufgabe?


Kurt Weder Das mit dem Fussballspielen war vor grauer Zeit. Aber dank dieser Erfahrungen weiss ich zumindest, um was es eigentlich geht. Sonst sage ich immer laut und deutlich, dass ich kein Profi bin. Das ist aber auch nicht wichtig. Dafür haben wir den Sportchef und den Trainer. Wesentlicher sind die meine Erfahrungen bezüglich der Führung des Klubs. Die Leute haben gar keine Ahnung, wie anspruchsvoll und kompliziert die Klubführung ist. Sportlich gesehen hat man inzwischen überall begriffen, welch riesige Leistung der FC Thun letztes Jahr erbracht hat. Ich würde es auch als grosse Leistung betrachten, wenn innerhalb der nächsten fünf Jahre wieder einmal ein Schweizer Klub in die Champions League kommen würde. Eine Leistung war aber vor allem, wie wir das alles abgewickelt haben. Am Tag des Malmö-Spiels hatten wir in Thun das Hochwasser. Zum Glück hatte ich im Juni für neue Büros gesorgt. Sonst wären wir total im Elend gewesen. Wir hatten also zwar schon Büros, waren aber immer noch am Einrichten. Wir hatten damals nur eine minimalste Administration. Die Leute konnten praktisch alle nur Deutsch. Und plötzlich musste alles in Englisch abgewickelt werden. Aber wir haben wirklich hervorragende Leute bekommen. Und vom Ablauf: Man muss in einer solchen Situation schauen, wie man einfach handlungsfähig wird. Da konnte man nicht tagelang zuwarten. Damals musste im Stundenrhythmus entschieden werden.


Thunfans: Das kann man sich als Aussenstehender kaum vorstellen, wie eine solche Organisation in so kurzer Zeit hochgefahren wurde.


Kurt Weder Nein, wirklich nicht. Wir haben in den gut drei Monaten den rund sechsfachen Jahresumsatz gemacht. Und danach mussten wir alles wieder zurückfahren. Dass kann man sonst in keine Branche machen. Aber ich hatte den Vorteil, dass ich bis 1985 bei Frutiger Gruppenleiter war und da lange das ganze Auslandsgeschäft geführt hatte. Wir hatten Baustellen mit Budgets bis 1,8 Milliarden Franken und mit rund 6'500 Mitarbeitern. Da habe ich das Hoch- und Zurückfahren einer Organisation gelernt. Man kann noch so viele Drehbücher für Szenarien entwerfen. Am Schluss muss man einfach wissen, wie es geht. Man muss frei führen können und Kopfrechnen. Und dann brauchten wir Leute, die bereit waren, rund um die Uhr am Projekt „Champions League“ zu arbeiten. Das waren „positiv Verhaltensgestörte“, die eine riesigen Leistung erbracht haben. Die Kerncrew ist heute noch hier. Dank dessen haben wir die Administration inzwischen stabilisiert. Sie ist ausgezeichnet organisiert und funktioniert. Die Leute haben während der sieben bis acht Monate der Champions League und des UEFA-Cups 70 bis 100 Stunden pro Woche gearbeitet. Am Abend wurde länger gearbeitet. Und als Belohnung, wie ich damals immer sagte, durften sie am Morgen früher anfangen.


Thunfans: Das war sicher eine aufregende Zeit. Jetzt ist aber auch nicht „Courrent normale“, aber in die andere Richtung...


Kurt Weder Jetzt hat es tatsächlich auf die negative Seite umgeschlagen. Aber das hat viele Faktoren.


Thunfans: Anderen Klubs geschieht das auch. Rekordmeister Rapid Wien spielte letztes Jahr auch in der Champions League und steht heute in der österreichischen Meisterschaft am Tabellenende.


Kurt Weder Es scheint so. Wir haben das bei anderen kleinen Klubs, die in der Champions League gespielt haben, schon früher gesehen: Einer ist Konkurs gegangen. Ein anderer ist direkt abgestiegen. Es gibt dafür mehrere Gründe. Vor allem liegt es an den Spielern: Sie verlieren nach einem solchen Ereignis meistens die Relationen. Bei jenen, die aus dem Ausland ein Angebot erhalten ist das in Ordnung. Da muss man gar nicht lange darüber nachdenken, dass man sie ziehen lässt. Man muss nur schauen, dass man für sie noch etwas Geld bekommt. Aegerter und Deumi haben wir aber mit aller Kraft bis zum beinahe Geht-nicht-mehr in Thun gehalten. Allerdings ist es riskant, wenn man will, dass ein Spieler seinen Vertrag einhält. Aber wir haben nicht Verträge, um zuzuschauen, wie sie gebrochen werden. Es hat im Fussball eine Mentalität Einzug gehalten, die schlicht zum Kotzen ist.


Thunfans: Was sind Verträge im Fussball überhaupt wert? Mehr als das Papier, auf dem sie geschrieben stehen?


Kurt Weder Verträge sind schon etwas wert. Aber am Schluss ist man halt erpressbar. Entweder wir lassen einen Spieler ziehen, oder man risikiert einen Leistungsabfall.


Thunfans: Im Nachzug zur Champions League wurden immer wieder Stimmen laut, die forderten, man solle mit den Millionen noch den einen oder anderen Routinier nach Thun holen, um die Mannschaft zu stabilisieren.


Kurt Weder Natürlich, das war auch die Idee. Aber die Millionen werden immer überschätzt. Wenn wir wie die anderen Klubs aufrüsten wollten, wären wir eine Saison lang dabei. Und dann wäre das Geld verbraten. Und dann müssten wir schauen, wie wir jährlich zu zusätzlich fünf bis sechs Millionen Franken kämen. Das ist nicht real.

Zu den Routiniers: Wir haben es versucht. Aber mit Vedran Jese haben wir einen Fehltransfer getätigt. Nach dem ersten Spiel meinten wir, dass er noch in Form kommen würde, obwohl er in seinem ersten Spiel nur eine Stunde lang spielte. Wobei das bei den Transfers immer so ist: Manchmal hat man Glück. Manchmal hat man weniger Glück. Man kann die Spieler beobachten. Man kann sie im Probetraining haben. Richtig kennt man sie erst nach drei Monaten.


Thunfans: Reto Gertschen sagte, Sie mussten auf Spieler sogar Druck aufsetzen, damit sie Leistungen erbrachten.


Kurt Weder Ja, das muss man ständig. Man muss sich mal die Leistungen all derjenigen Spieler anschauen, die die Champions League spielten. Nicht einer hat während der ersten Hälfte der Meisterschaft eine akzeptable Leistung erbracht. Und in Luzern waren es auch nicht die jungen Spieler, die die grössten Gurken in den Himmel geschlagen haben....


Thunfans: Kann man aus dem, was Sie gerade gesagt haben, schliessen, dass der Trainer an der derzeitigen Situation nicht direkt schuld ist.


Kurt Weder Der ist sicher auch daran mitschuldig. Er ist der Dirigent des Orchesters. Aber was will ein Dirigent machen, wenn das eine Orchestermitglied sein Instrument nicht richtig gestimmt hat und ein Mitglied auf dem Horn falsche Töne bläst.


Thunfans: Die Reaktionen von Heinz Peischl nach dem letzten Spiel waren sehr zurückhaltend. Man hatte den Eindruck, dass er sehr bedrückt sei. Wird Herr Peischl angesichts dieser Situation am 4. Januar wieder da sein?


Kurt Weder Ja sicher.


Thunfans: Er hat auch nichts von sich aus signalisiert, dass er ein weiteres Engagement überdenken möchte?


Kurt Weder Nein. Wir hatten am Montag nach dem Luzern-Spiel am Mittag bei mir im Büro eine Sitzung des Transfer-Ausschusses wie immer. Wir haben eine Bilanz gezogen. Wir haben alles gnadenlos auseinander genommen. Natürlich war die Stimmung nicht so fröhlich wie auch schon, aber auch nicht so trüb. Wir haben sehr viel analysiert, beispielsweise die Transfers. Was haben sie gebracht? Was haben die Schlüsselspieler gebracht? Was die jungen Perspektivspieler? Das war dann der erfreuliche Teil des Ganzen. Bei den jungen Spielern sind wir viel schneller vorwärts gekommen als wir erwartet hatten. Aber es ist doch ein Wahnsinn, wenn Yves Zahnd am Schluss die Abwehr führen muss, während Armand Deumi herumgurkt. Aber Armand ist nicht an der ganzen Misere schuld. Er ist nur ein Beispiel.

Man muss auch den ganzen Verletzungsreigen betrachten: Wir hatten seit dem Sommer ständig fünf bis zehn Verletzte. Und auch wie diese Verletzungen zustande kamen, ist beinahe schon ungeheuerlich. Ein paar beispiele: Nachdem Tapia den Freistoss von Dos Santos an den Kopf geknallt erhielt, sehe ich ihn später in der Kabine an zwei Krücken. Ich frage mich, ob das eine neue Methode sei, um eine Gehirnerschütterung zu behandeln. Was aber geschah: Als er zu Boden fiel, hat er das ganze rechte Bein verdreht. Im Raum standen ein Adduktorenanriss und einer Innenbandzerrung. Gott sei Dank war es dann aber nicht so schlimm. Eine Woche später dann der Zusammenstoss von Benjamin Lüthi, der mit schwerer Hirnerschütterung und Blutgerinsel im Gerhin bewusstlos liegen blieb. Die Hirnerschütterung von Bettoni! Hämmerli spielt in St. Gallen einen guten Match. Beim Lauftraining in der Woche darauf stolpert er über eine Wurzel und verletzt sich am Fuss. Das war ein wesentlicher Grund, weshalb kaum jemals in der gleichen Formation gespielt werden konnte.

Und nicht zuletzt: Mit etwas mehr Glück wäre der eine oder andere Ball ins Tor gegangen und wir hätten locker ein paar Punkte mehr geholt.


Thunfans: Welche Vorgaben haben Sie für die zweite Hälfte der Meisterschaft?


Kurt Weder Das wird der siebte Rang sein, im Minimum der achte. Der FC Thun muss von den vier Mannschaften im hinteren Tabellenfeld die vorderste sein.


Thunfans: Werden Sie noch im Frühjahr während der Meisterschaft reagieren können, wenn Sie sehen, dass es nicht so läuft, wie Sie es sich wünschen?


Kurt Weder Ja, natürlich. Aber wichtig ist nun, dass wir das Kader korrigieren und einiges klar stellen. Es wird noch die eine oder andere Mutation geben. Die Frage ist, wen wir noch heranbringen und wen nicht. Zwei, die kommen werden, sind praktisch gesetzt. Aber es ist noch nicht spruchreif.


Thunfans: Einer davon heisst Lustrinelli?


Kurt Weder Nein, nein. Aber Reto Gertschen hat gesagt, dass man an ihm dran ist.


Thunfans: Aber in den Medien war zu lesen, dass er ein Problem mit Ihnen hätte.


Kurt Weder Ja, das wurde geschrieben. Man muss wissen, dass zwischen Mauro und mir nie etwas vorgefallen ist. Wir hatten nie Probleme miteinander.


Thunfans: Er müsste Ihnen eigentlich dankbar sein, dass Sie ihn nicht zu YB ziehen liessen. So darf er jetzt im Ausland spielen, verdient gut und hat erst noch tschechische Fussballgeschichte geschrieben.


Kurt Weder Natürlich. Sein Problem ist ein ganz anderes. Er war der erste, der sich damals bei uns zu gewissen personellen Konstellationen geäussert hatte. Er wollte so nicht mehr weiterspielen.


Thunfans: Und damit meinte er nicht Sie.


Kurt Weder Nein, das war immer auf der technischen Seite. Unser Fehler war, dass wir damals mit der ganzen Situation rund um Thun Süd mit einem Entscheid zu lange gewartet haben. Aber wir hatten schon im Herbst zuvor hier im Büro regen Besuch einiger Spieler, die genug von der damals herrschenden Situation hatten. Aber dieses Kapitel ist geschlossen, Und wir werden uns auch nicht weiter dazu äussern.


Thunfans: Nochmals zu Lustrinelli: Vor drei Wochen sagte Reto Gertschen in unserem Interview, dass er Lustrinelli nicht erreicht habe. Drei Wochen später sagt er das gleiche immer noch. Es kann doch nicht so schwierig sein, Lustrinelli zu erreichen. Wir deuten das eher, dass man ihn entweder nicht will oder schon alles klar ist.


Kurt Weder Weder noch. In letzter Zeit habe ich mich mit ihm persönlich zweimal unterhalten. Das Ganze ist ziemlich kompliziert. Die Teilnahme an der EM 08 ist das ganz grosse Ziel von Mauro Lustrinelli. In Prag sitzt er aber meistens nur auf der Ersatzbank. Damit ist er von seinem Ziel ziemlich weit weg. Dann träumt er von einem grossen Klubs in der Schweiz, um spielen zu können. Jetzt muss man einfach einmal die Situation auf dem Schweizer Markt anschauen. Vielleicht träumt er immer noch von YB. Aber vielleicht merkt auch er, dass er da eher geringe Chancen haben wird. Bei uns wäre er sicher herzlichst willkommen. Und wir könnten ihm auch einen angemessenen Lohn zahlen. Aber es ist eine offene Geschichte.


Thunfans: Bis wann klärt sich dass?


Kurt Weder Irgendwann. Plötzlich.


Thunfans: Er soll auch in Luzern im Gespräch sein.


Kurt Weder Ja. Aber man weiss ja, wie das läuft. Die Medien werden von den Spielerberatern gespiesen, um den Preis nach oben zu treiben. Gewisse Sachen kann man nicht erzwingen. Für mich ist die Situation fifty/fifty.


Thunfans: Lustrinelli war kürzlich in Thun gesehen worden.


Kurt Weder Ja, ja. Und am Sonntag hat er in Schönbühl zu Mittag gegessen. Wir sind gut informiert...


Thunfans: Wie sieht es mit dem neuen Assistenztrainer aus?


Kurt Weder Am Montag nach dem Spiel gegen Luzern haben wir mit Adrian Kunz hier die Vertragsauflösung unterschrieben. Wir bedauern natürlich seine Freistellung. Heinz Peischl hatte sehr auf ihn gesetzt, weil sie sich gegenseitig gut ergänzten. Aber nachdem, was Adrian Kunz sich geleistet hatte, war es nicht mehr möglich, ihn weiter im Betrieb zu halten.

Der neue Assistenztrainer wird nun am 4. Januar hier sein. Wir konnten die Situation mit Ruedi Baumann überbrücken, weil die U21-Mannschaft eine längere Spiel-Pause hat.


Thunfans: Und wer wird es sein?


Kurt Weder Wir wissen, wen wir wollen. Aber wir werden es erst kommunizieren, wenn der Vertrag unterschrieben ist. Ich muss noch anfügen, dass es sehr schwierig ist, einen guten Assistenztrainer im Winter zu bekommen, weil alle saisonale Verträge haben.

Thunfans: Wie sieht das Präsidentenamt überhaupt aus? Welche Aufgaben fallen bei Ihnen an? Wahrscheinlich gibt es nicht nur Telephonate mit Spielern und Spielerberatern.


Kurt Weder Nein, das ist eher die Ausnahme. Wenn so etwas einmal zu mir kommt, leite ich es gleich an den Sportchef weiter. Das ist nicht meine Sache. Allerdings bin ich Mitglied im Transferausschuss. Da hatte ich viele Sitzungen zusammen mit Beat Germann, dem Sportchef und dem Trainer (mit beratender Stimme). Das wir seit vielen Jahren so gehandhabt und hat sich bewährt.

Dann muss man sehen, dass wir acht bis neun Millionen Franken Umsatz im Jahr machen. Das ist schon ein ordentliches KMU mit einer sehr komplexen Struktur. Die läuft letztlich bei mir zusammen. Wieder ein paar Beispiele: Da war die Frage mit der Sicherheit anfangs der neuen Meisterschaft, auch bei den Auswärtsspielen mit dem entsprechenden Aufwand. Dann das Marketing und das Sponsoring. Wir sind auf der Suche nach neuen Vereinsmitgliedern und zusätzlichen Aktionären. Denn wir wollen eine Vielzahl von Aktionären, ein breit gestreutes Aktionariat. Auch da wird es wieder neue Aktionen geben. Führungsmässig ist die Administration stabilisiert. Da kam aber der forcierte Ausbau der Junioren mit der U21. Das hat bestens funktioniert. Besonders Beni von Gunten und Hansruedi Baumann sagen, sie hätten es noch nie so gut gehabt wie bei der Zusammenarbeit mit Heinz Peischl. Sie haben alle 14 Tage eine Sitzung zusammen mit Reto Gertschen. Das läuft optimal. Der Personalbereich ist aufwendig, besonders mit den bevorstehenden Transfers. Was muss sein? Was muss nicht sein? Dann der ganze finanzielle Bereich.


Thunfans: Wie gross ist Ihr zeitlicher Aufwand?


Kurt Weder In dieser Saison rund 30 Stunden pro Woche, also etwas mehr als ein 50-Prozent-Job. Letztes Jahr waren es 70 bis 80 Stunden pro Woche.


Thunfans: Und alles ehrenamtlich?


Kurt Weder Nein, wir haben beschlossen, dass alle Leistungen bezahlt werden – aber nur zu Minimalansätzen.


Thunfans: Fühlen Sie sich wenigstens für Ihre Arbeit geschätzt? Gerade mit dem Abgang von Longo Schönenberger standen Sie weit herum in der Kritik.


Kurt Weder Nein. Geschätzt wird man in dieser Funktion nicht wirklich. Beim Präsident wird alles abgeladen, vor allem von den Medien. Vor einem Jahr ging es los, als BZ / TT die Vertragsverlängerung von Urs Schönenberger aufgriffen und zu einem wahren Kesseltreiben ansetzten. Der Blick hat nachgezogen. Allerdings muss man wissen, dass ich in dieser Zeit mit keinem einzigen Journalisten des Blicks gesprochen habe. Irgendwie beginnt ein Medienmechanismus zu laufen. Wie etwa die Geschichte rund um Mauro Lustrinelli. Da war zuerst eine Geschichte mit völlig falschen Zahlen. Und das ging weiter so, bis Mauro Lustrinelli ihnen einmal sagte, wir hätten ihm doch ein sehr faires Angebot unterbreitet. Aber das wurde dann nur so irgendwo unter Verschiedenem gebracht. Dann kam Lustrinelli und sagte mir, dass er mit YB verhandelt habe und wechseln möchte. Da erklärte ich ihm, dass es so nicht gehe. Er habe einen Arbeitsvertrag und jetzt machten wir es so, wie es unter anständigen Leuten gemacht werde. Dann kam die Offerte von Sparta Prag. Die hat er zwar zuerst abgelehnt, später aber doch noch angenommen.


Thunfans: Aber Sie haben die Freude an Ihrer Aufgabe nicht verloren.


Kurt Weder Sie hält sich manchmal sehr in Grenzen. Wobei wir einen hervorragenden Verwaltungsrat mit sehr guten Leuten haben. Allerdings frage ich mich manchmal schon, weshalb ich mir das antue, spezielle wenn ich die „freundlichen“ Mails und SMS lese, die ich erhalte. Das gehört zwar dazu. Aber manchmal ist es schon erschütternd, was man zu lesen bekommt - weit unter den Knien.

Für mich wird nun wesentlich sein, was jetzt bezüglich des Stadions geht. Jetzt muss ein Entscheid des Gemeinderats her.

Thunfans: Da ist die Stadt ist am Zuge...


Kurt Weder Ja, sie muss jetzt einmal sagen, was sie will und nicht noch dieses und jenes entgegen nehmen. Und sie muss sich bald einmal entscheiden, weil wir sonst wieder nur Zeit verlieren. Die Stadt muss sagen, mit welcher Investorengruppe sie weiterfahren will. Dann muss so rasch als möglich die Umzonung an die Hand genommen werden. Die Burgergemeinde muss bereit sein, das Land zu einem fairen Preis abzugeben.


Thunfans: Haben Sie vom zweiten Projekt gewusst?


Kurt Weder Nein. Aber in Thun überrascht mich nichts mehr.


Thunfans: Heisst das, dass es im Augenblick ein offizielles und ein inoffizielles Projekt gibt?


Kurt Weder Nein. Jeder ist berechtigt, ein Projekt einzugeben. Aber die Stadt muss bald entscheiden, mit welchem der beiden Projekte es weitergehen soll.


Thunfans: Der FC Thun verfolgt das erste Projekt Marrazzi mit Frutiger und Jelmoli.


Kurt Weder Da sind wir dabei. Und wir warten, was von Seiten von HRS kommt.


Thunfans: Es könnte also durchaus sein, dass Sie vom FC Thun her mit HRS weiterfahren müssten, wenn die Stadt meint, dass dieses Projekt realisiert werden solle.


Kurt Weder Ohne Kenntnis der Sachlage kann ich mich dazu nicht äussern.


Thunfans: Hat HRS Sie als Präsidenten des FC Thun schon offiziell über das Projekt orientiert?

Kurt Weder Bis zum heute noch nicht (Datum des Interviews).


Thunfans: Ein umstrittener Punkt des ersten Projekts war die Mantelnutzung mit einem Einkaufszentrum. Hat man eine alternative Nutzung geprüft? Büro? Gewerbe? Industrie?


Kurt Weder Ja, aber das rechnet sich alles nicht. Man muss sehen, dass Thun Süd eigentlich nicht wegen des Einkaufszentrums sondern an einer viel zu komplexen Vorlage gescheitert ist. Es sind vier Vorlagen miteinander verknüpft worden: zwei Umzonungen, der Landabtausch und die Finanzierung. Das hat x Gruppierungen zusammen gebracht, die sich gemeinsam gegen das Projekt gestellt haben. Ich hatte drei Jahre lang vergeblich für eine andere Vorgehensweise gekämpft.

Jetzt wird die Situation ganz anders sein: Nun geht es nur noch um das Einkaufszentrum. Sonst haben wir keine Angriffsflächen mehr. Wir haben die Verknüpfung mit Lachen nicht mehr. Und wir wollen auch noch den Punkt beseitigen, dass die Stadt einen Beitrag leisten soll. Es soll alles privat finanziert werden. Dann hat die Stadt nur noch die Aufgabe der Umzonung.


Thunfans: Politisch wäre es sicher besser, wenn die Stadt mit dem Projekt nichts zu tun hätte...


Kurt Weder Ja. Nur ist das schneller gesagt als getan. Damit das funktioniert, braucht es ein Einkaufszentrum mit einer bestimmten Grösse und einem bestimmten Umfang der Nutzung. Sonst rechnet es sich nicht. Wenn wir es so auf die Schiene bringen würden, so hätten wir das Geschäft viel einfacher und transparenter gestaltet. Und ich hätte keine Angst, dass es nicht durchgehen würde. Dann wäre die Umzonung ein Geschäft des Stadtrats und unterläge nur dem fakultativen Referendum. Das würde mir keine Sorgen mehr machen.


Thunfans: Das Projekt in Schaffhausen mit ähnlicher Grösse bewegt sich bei 130 Millionen Franken.


Kurt Weder Bei uns auch. Schaffhausen ist aber schon weiter. Da ist man schon beim Umzonungsverfahren. Sie haben sich das Land gesichert. Die Investoren konnten es privat von der GF kaufen. Wir sind da noch viel weiter zurück: Wir haben das Land noch nicht und auch nicht die Umzonung. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir von der Burgergemeinde das Land zu einem vernünftigen Preis erhalten werden. Dann müsste sich die Stadt nur noch auf die Umzonung konzentrieren.


Thunfans: Wenn das Stadion einmal steht: Wie werden sich dann die Besucherzahlen entwickeln?


Kurt Weder Ich habe die Zahlen aller neuen Stadion. Im Durchschnitt sind die Besucherzahlen um 50 Prozent gestiegen. Aber das ist verständlich: Mit einem neuen Stadion und vernünftigem Komfort erschliessen wir neue Zuschauerschichten: Frauen, Familien. Man muss anständig verpflegt werden können. Die Toilettenanlagen müssen ausreichend sein. Und wenn etwas Stimmung herrscht, kommen die Leute. Es kann auch schon in einem Stadion mit 10'000 Leuten richtig brodeln. Jetzt im Lachen verpufft die ganze Stimmung.


Thunfans: Was passiert mit dem FC Thun, wenn das Stadion nicht rechtzeitig käme und er zwangsrelegiert würde? Wäre es das mit dem FC Thun gewesen?


Kurt Weder Das ist schwierig vorauszusagen. Aber ich meine, wenn wir in der Challenge League wären, würden wir da unten bleiben. Wenn man gleich wieder aufsteigen will, muss man ein Budget mit einem Defizit von 2,5 Mio. Franken aufstellen. Und dann braucht es zuerst jemanden, der dieses Loch deckt. Wobei das mit der Zwangsrelegation nicht so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird: Das passiert nicht von heute auf morgen. Es gehen nicht sofort die Rolläden runter, aber sie gehen runter. Wenn sich das Stadionprojekt um ein paar Monate verzögert, wird sicher nichts passieren. Aber man muss zeigen können, dass etwas passiert.


Thunfans: Vielen Dank für das Gespräch. Noch ein letztes Wort an die Fans?

Kurt Weder Wir haben Super-Fans. Wir werden ja auch rundherum für unsere Fans gerühmt. Bitte macht weiter so. Wir sind auch immer offen für Anliegen. Leider kann ich im Januar am Fan-Talk nicht dabei sein, weil ich da endlich nach langer Zeit wieder einmal für drei Wochen in die Ferien fahre.