Thunfans » Spielberichte » Super League 2019/2020 » Thun - FCZ
Thun - FCZ 0:1
02.11.2019Super League 2019/2020


Ein jeder hat mal Probleme mit seinem Laufweg. Ich stehe heute auf, berechne den Winkel falsch (wahrscheinlich wollte ich ein fehlendes Alkohol-Schwanken ausgleichen) und knalle mit der Schulter voll in die Zimmerwand. Resultat: Heute muss ich mich schon mal sicher nicht rotschminken. Ja, der Tag will bei mir heute nicht so recht in Bewegung kommen. Eine Pechsträhne, die sich wie so oft in dieser Saison bis und mit Spielende fortzieht.
Erschwerend zur allgemeinen Verunsicherung im Verein kommt die lange Liste der Abwesenden hinzu. Während die ganze Fussballschweiz über die ach so lange Verletztenliste bei YB diskutiert, fehlen bei Thun eben mal so Hediger, Ziswiler, Bigler, Righetti und Salanovic sowie darüber hinaus die gesperrten Castroman, Fatkic und Stillhart. Schwer, so ersatzgeschwächt aufzutrumpfen. Beeindruckend, dass es die Thuner trotzdem versuchen. Während sie in Winterthur mehrheitlich abwartend spielten, übernehmen sie gegen den FCZ das Spieldiktat. Nur ist das Resultat in der ersten Hälfte trotzdem wieder dasselbe. Der Torerfolg will und will nicht gelingen, Rapp und Vasic scheitern mehrfach. Im Gegensatz dazu ist auch dieser Zürcher Gegner mal wieder kaltblütig effizient. Gerade mal eine Torchance durch Kramer hatte sich der FCZ in den ersten 40 Minuten erkämpft – fast noch gefährlicher war indes die FCZ-Rudelbildung, bei der sie einen angeblichen Handspenalty einforderten. Doch dann lanciert in der 40. Minute Marchesano durch die Thuner Abwehr hindurch Kramer, der einfach mal so aus kurzer Distanz an Faivre vorbei zum 0:1 einschiessen kann. Wie erwähnt: Ein jeder hat mal Probleme mit seinem Laufweg. Aber echt jetzt, liebe Thuner Abwehr, solche kollektiven Aussetzer dürfen einfach nicht in solcher Regelmässigkeit passieren. Angesichts der akuten offensiven Schwäche eigentlich überhaupt nicht mehr in dieser Saison.
Interessant, wie ein jeder auf eigene Art die Krise zu verdauen versucht – rein getränketechnisch. Die Kollegin wechselt von Bier auf Whisky-Cola, wohl auch um den Bierbecherwurf-Reflex etwas zu unterbinden. Kevä und ich trinken Tee-Zwätschge, wobei mir bis am Schluss nicht klar ist, ob dieses Gesöff nun wirklich auf der Getränkekarte steht oder ob Kevä mal wieder einer seiner sondernbaren Deals eingegangen ist. Der Verrückteste von uns allen ist aber Party-Kernen. Der trinkt den ganzen Match lang… Eistee!?
Nüchtern betrachtet kommt der FCZ stärker aus der Kabine. Auch wir Angetrunkenen müssen das eingestehen. Erst lässt Kramer in der 47. Minute eine Topchance im wahrsten Sinne des Wortes aus – er kommt schlichtweg im Strafraum knapp nicht an den ideal für ihn aufgelegten Ball. Und dann versenkt Kramer den Ball in der 50. Minute bei einem Schönbächler-Freistoss ein zweites Mal an diesem Abend im Netz. Doch der Treffer zählt nicht, Pa Madou stand im Abseits. Die Zeichen für eine weitere Thuner Niederlage mehren sich nun aber doch wieder verdächtig. Doch just in diesem Moment findet Thun mal wieder eine Prise Wettkampfglück – in der Form eines Platzverweises gegen Sohm. Schiedsrichter Schärer zeigt ihm für ein Foul gegen Vasic Gelb-Rot. 59 Minuten sind da gespielt, verbleibt also noch über eine halbe Stunde Zeit, in Überzahl zum Torerfolg zu kommen. Doch was der FCZ im Letzgrund gegen Thun innerhalb weniger Minuten gleich zweimal geschafft hat, das gelingt Thun hier in der Arena nicht. Gelmi und Rapp scheitern je mit guten Schüssen am heute wirklich starken Brecher. Andere Chancen wiederum werden viel zu leichtfertig vergeben, manch ein Schuss segelt weit über oder neben dem Tor vorbei oder gleich beides. Und dann kommt da noch die Szene in der 82. Minute, als der bereits gelbbelastete Joss in einen Zweikampf gegen Kramer einsteigt. Ob der Zürcher nur etwas Zeit oder eine Gelbe Karte gegen seinen Gegenspieler herausschinden wollte, bleibt offen. Klar ist aber, dass auch Joss Gelb-Rot sieht und somit wieder Gleichstand herrscht auf dem Platz, wenn auch nur bei der Anzahl Spieler. Bei Thun spielt inzwischen übrigens mit Hiran Ahmed ein NLA-Debütant. Ja, da war doch was im ersten Duell FCZ-Thun, eine Art Heldenmärchen von zwei Zürchern, die je erstmals für ihr Team in der NLA trafen. Nun nimmt auch Ahmed mit einem satten Flachschuss das Tor ins Visier. Es wäre DIE Thuner Heldengeschichte in der 84. Minute. Doch auch dieser Ball wird von Brecher gestoppt.
Es gibt heute – wieder – kein Happyend in Thun. Hoffnung können wir derzeit in Thun eigentlich nur aus den Neuigkeiten aus Lugano und Sitten schöpfen. Rund um den aktuellen Spieltag haben beide Teams ihre Trainer gewechselt. Man könnte direkt den Schluss daraus ziehen, dass auch anderswo in der Schweiz derzeit ganz schlechter Fussball gespielt wird. Die Antwort werden wir bald erfahren, heissen die nächsten Gegner der Thuner doch Xamax, Lugano und Sitten…
Ein jeder hat mal Probleme mit seinem Laufweg. Wobei es am Sonntag keine Hindernisse sind, die mir Bauch- beziehungsweise Schulterschmerzen bereiten. Sondern die schiere Dauer der Heimreise. Doch auf wen trifft man sonntags um halb 9 am Bahnhof als Thunfan, der sich auf den Rückweg nach Zürich macht? Einen anderen Thunfan, der sich auf den Rückweg ins Tessin macht! «Egal, wo du spiusch, mir si am glichige Ort».