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Winterthur - Thun 1:0
30.10.2019Schweizer Cup 2019/2020


Wir Alten in der Kurve pflegen in Thun zu singen: «Schade, Winti alles ist vorbei». Eine Hommage an die wilden Neunziger, dem Jahrzehnt von Dr. Alban, Ace of Base und einer der verrücktesten Aufholjagden im Schweizer Fussball. 22 Meisterschaftsspiele hat Thun damals im Herbst gespielt – und eine einzige Partie davon gewonnen. Sämtliche Ähnlichkeiten mit der Gegenwart sind natürlich jedenfalls rein zufällig. Jedenfalls lag Thun an Weihnachten 34 Punkte hinter YB und vor allem 8 Punkte hinter dem FC Winti, der sich an dem letzten Nicht-Abstiegsplatz festkrallte. Und dann wurde Frühling. Von 14 Spielen gewann Thun gleich deren 8, überholte den Quartierklub SV Schaffhausen (nicht zu verwechseln mit dem FC Schaffhausen) und vor allem auch den FC Winterthur, der dadurch abstieg. Deshalb also: «Schade, Winti alles ist vorbei».
Wir Alten sind heute auch gleich die Ersten in der Kurve. Als die Thunspieler einlaufen, sind wir gerade mal zu dritt im Gästesektor. Selbst der Capo hat das heisse Mexico dem nass-kalten Winterthur vorgezogen. Passend dazu der Artikel im Matchmagazin des FCW: «Sosiaalinen peruskirja». In Winterthur spricht man neuerdings finnisch. Das passt zum Dauerregen. Völlig durchnässt bin ich eigentlich schon nach der ersten Stunde im Stadion bereit, wieder heimzugehen. Da ist 19.15 Uhr und das Spiel noch nicht einmal angepfiffen. Zurück hält mich nur der Glühwein für 4 Stutz.
Schliesslich ist dann doch noch Match, was bei einem Cupausflug immer etwas überrascht. Insbesondere unsere Spieler. Der beste Thuner in den Startminuten ist noch Nuno da Silva. Dumm nur, haben wir den nach Winterthur ausgeliehen. Feurige Stimmung ist aber doch im Stadion. Die Winti-Fans zünden eine erste Pyro, als unsere staugeplagten Ultras noch nicht einmal im Stadion sind. Thun kämpft derweil auf dem Platz. Meint zumindest Schiedsrichter Hänni. Nach 20 Minuten zeigt er Havenaar, dem besten Japaner, der je im Schweizer Cup gespielt hat, Gelb. Nach 30 Minuten zeigt er Kablan Gelb. Winterthur spielt dagegen Fussball – und müsste in der 31. Minute in Führung gehen. Doch ist das hier der Winti-Doumbia, nicht der YB- bzw. Sion-Doumbia. Aber jener Davide Callà auf dem Platz ist tatsächlich der Echte. Und der verwertet in der 36. Minute einen Pass von Da Silva (ausgerechnet!) zum 1:0. Winti jubelt und zündet erneut Pyros. Ich hole noch etwas mehr Glühwein. Und Sutter in der 37. Minute die Gelbe Karte. Wie kann heute ein so passives Team wie Thun so viele Karten kassieren. Entweder haben die Thun-Spieler oder aber Schiri Hänni den Sinn des Cups nicht begriffen. Wahrscheinlich beide nicht.
In der zweiten Halbzeit passiert dann Überraschendes: Das Spiel plätschert beim Dauerregen sogar noch mehr vor sich hin als vor der Pause. Thun spielt nun schlecht statt einfach nur schwach. Und der Glühwein geht aus, verdammt noch mal. Wir sind kurz davor, den Platz zu stürmen, aber zum Glück organisiert das Team des Getränkestands Glühwein-Nachschub. Ich sehe nun nicht mehr viel vom Spiel, nur kurz einige Thuner Pyros, was aber auch an meiner völlig zugeregneten Taucherbrille liegen könnte. Ich glaube zu erkennen, dass die Thuner bei jedem Angriff einen hohen Ball Richtung Rapp schlagen – aber so einfallslos kann unser Team doch gar nicht sein. Derweil sieht Stillhart Gelb. Und dann auch noch Hefti. Standardmässiges 5:0 für Thun, wenn auch nur im Sündenregister. Es braucht dann schon eine Grätsche von Callà gegen Hefti, dass überhaupt mal ein Winti-Spieler Gelb sieht. Ja, von diesem Schiri sind heute keine Geschenke für Thun zu erwarten. Einen Penaltywunsch wie am Sonntag in Bern äussere ich deshalb gar nicht erst. Dafür müsste Thun ja mal den gegnerischen Strafraum erreichen.
Die Optimisten unter uns sind dankbar dafür, dass die Thuner mit einem Kopfball von Sutter in der 84. Minute doch tatsächlich eine erste/letzte Torchance haben. Die Pessimisten unter uns – also etwa 90 Prozent der Fans – sind dagegen dankbar, dass nach 94 Minuten dieses Spiel endlich ein Ende nimmt. Und damit die Cupsaison.
Nicht aber der Abend. Drei von uns Thunern haben die clevere Idee, uns auf Erkundungssafari durch die Bierkurve zu begeben. Ja, hier ist nicht Zürich, wo im Letzigrund die Lichter 10 Minuten nach Abpfiff schon ausgehen. Auf der Schützenwiese kann man bis Mitternacht problemlos weitertrinken – wobei «problemlos» im Cup bekanntlich ein dehnbarer Begriff ist. Typisch Cup ist auch, dass ich im Stadion meinen Schirm verliere – nicht aber etwa meinen ersten Glühweinbecher, den ich vier Stunden zuvor gekauft habe. Nein, ich wollte kein Souvenir von Winterthur mit zurück ins Bernbiet nehmen. Am nächsten Morgen steht der FCW-Becher dennoch auf dem Stubentisch und erst noch voller Münz. Ob ich für mein letztes Bier im Stadion gesungen habe? «Schade, Winti alles ist vorbei».