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Signal Bernex - Thun 0:2
18.08.2019Schweizer Cup 2019/2020

Folgender Spielbericht ist Greta gewidmet. Denn wir fliegen wirklich alle zu viel in Europa herum...

Moskau, Moskau, wirf die Becher an die Wand. Oder anders gesagt: Stell dir vor, Thun spielt und fast keiner geht hin. Jedenfalls auf Anpfiff. Da gibt es die einen Thunfans, die haben an diesem Sonntag lieber noch einen Abstecher nach Rom gemacht. Und andere Thunfans verlegten ihren Matchtag samt Pferderennen gleich auf Sizilien nach Palermo. Und den Dritten und meisten wurden die - hier zitiere ich bewusst nur typische 08/15-Aussagen der SBB - die berüchtigten Leute in Gleisnähe zum Verhängnis. Ich erwarte von Liveticker-Spekulanten dann aber doch noch, dass sie Spiez von Bern unterscheiden können. Von irgendwelchen Bahnhof-Deppen soll hier aber nicht die Rede sein. Sondern von Russen und Chinesen, Flughafen-Deppen halt.
Russinnen und Russen sind nämlich nicht alle so aufgeweckt wie im Crazy Daisy, sondern können ganz übel mürrisch sein. Dann ist Moskau plötzlich keine Reise mehr wert. So das Personal des Aeroexpress. Da fallen gleich mehrere Verbindungen des Flughafenzugs nacheinander aus. Aber als Bahnhofpersonal aktiv auf uns ratlos wartende Touristen zuzugehen, das tut man natürlich nicht. Da wollen wir Touristen in grösster Not mit drei Taxis zum Flughafen. Doch anstatt das Unmögliche für uns möglich zu machen, feilscht man als Taxifahrer lieber minutenlang und mehrmals mit uns um einen möglichst hohen Preis, der dabei natürlich regelmässig nach oben korrigiert wird. Das macht keine noch so selbstmörderische Fahrt wieder weg. Und als Zollbeamter uns Thunfans auf die Sprünge, sprich in den Flieger zu verhelfen, verstösst natürlich auch gegen sämtliche Prinzipien des behäbigen Beamtendaseins. 75 Minuten vor Abflug und 55 Minuten vor Abschluss des Boardings als Gruppe am Flughafen zu sein, ist bei russischer Arbeitsmoral halt einfach spät. Auch weil da noch eine chinesische Reisegruppe ist, die einerseits erst über eine Stunde später als wir Thunfans in ihrem Flugzeug sein müsste und andererseits mit lauter Papiertickets vor dem einzigen E-Ticket-Schalter in der ganzen Flughafenhalle ansteht. Vorlassen würden sie uns Thuner dennoch nicht oder allenfalls erst nach ewigem Gezicke, als es ohnehin schon zu spät ist. Kurzum: Von uns 14 Thunfans des Samstagflugs schaffen es nur gerade 3 in den Flug nach Genf. Der grosse Rest strandet in Moskau. Und Aeroflot kann uns gerade mal drei Ersatztickets anbieten - am darauf folgenden Montag!
Das droht das grösste Schweizer Grounding zu werden seit dem Aus der Swissair. Glück im Unglück ist, dass in Italien am Donnerstag Ferragosta war und dieses Wochenende Grossreisetag mit entsprechend grossen Flugzeuge ist. Mit der erfreulichen Folge, dass man über Italien noch einigermassen zu bezahlbaren Preise, also etwa 500 Franken pro Kopf, aus Russland rauskommt. Auch wenn die Reiserouten Greta keine Freude machen: Sieben von uns buchen Moskau-Palermo-Zürich, vier andere eher Ökobewusste (!?) Moskau-Rom-Mailand. Warum sich aber ausgerechnet Mattäng der Mailand-Reisegruppe anschliesst bleibt wohl ebenso auf ewig ein Geheimnis wie die Höhe der Sanierungskosten von Svetlanas Wohnung. Klar ist: Der Flughafen von Moskau ist jetzt erst einmal das neue Airbnb von uns, haben wir doch den Flug um 18 Uhr verpasst, können aber erst um 3.30 Uhr beziehungsweise 5 Uhr endlich aus dem Land fliegen. Und es ist irgendwie wie bei Svetlana. Gutes Essen landet hier nicht auf dem Tisch. Was einen Thunfan tatsächlich dazu bringt, zur Abwechslung statt über seinen Hunger nach Püppischuppen über seinen Hunger nach Essen zu jammern. Dafür fehlt es uns an keiner Bar an Bier, weder im Irish Pub (endlich Guinness für Mattäng!), noch im Friday‘s (endlich 3-Liter-Pitcher für alle!) und schon gar nicht in der Alitalia-Business-Lounge mit Bier und Wein à discretion. Denn diese Überraschung hat unser Moskau-Abenteuer für uns auch noch parat: Wir fliegen je nach Flug und Sitzreihe Business-Klasse oder sogar First Class. Mit allen Privilegien inbegriffen.
Nur die ungewollten Verlängerungen dieses Luxuslebens müssten echt nicht sein. Da die Anschlussflüge ab Palermo und Rom je über eine Stunde verspätet sind, platzen auch noch die letzten Träume der Moskau-Fahrer, in irgendeiner Form beim Spiel gegen Signal Bernex dabei sein zu können. Die Höchststrafe bekommt die Rom-Gruppe aufgebrummt, die just während der ersten Halbzeit in der Luft und somit ohne Kontakt zur Fussballwelt ist.
Sie verpassen somit alle Höhepunkte der ersten Halbzeit: die guten Angriffe von Salanovic, die beiden Kinder, die bei der Eckballfahne des Signal-Strafraums näher am Spielgeschehen sind als gegenüber der arbeitslose Thun-Goalie Hirzel, und der lautstarke Einzug der Thuner Kurve nach rund einer halben Stunde. Als die Rom-Gruppe in Mailand landet, steht es indes zur Pause immer noch 0:0.
Und dann gibt es aus dem fernen Genf folgendes zu berichten: Die erste Topchance des Spiels hat Signal Bernex nach einem haarsträubenden Fehler von Rodrigues. Der heimische Mboli trifft von der Mittellinie aus an der Abwehr und dem viel zu weit vorne stehenden Hirzel vorbei - die Lattenunterkante. Ein solcher Sonntagsschuss, der das Cupout bringt, hätte jetzt also gut zum für viele Thunfans so beschissenen Wochenende gepasst. Stattdessen kommt es zum Happyend: In der 63. Minute trifft Havenaar bei einem Eckball zum 0:1. Und in der 69. Minute erhöht Rapp nach einem Konter auf 0:2. In den Schlussminuten könnte Munsy erst noch auf 0:3 erhöhen, bei der nächsten Szene dann wiederum der Schiedsrichter einen Foulelfmeter gegen Havenaar pfeifen. Doch der Pfiff bleibt aus. Stattdessen jubeln in ganz Europa die nach dem Moskau-Abenteuer gleichermassen verstreuten wie zerstreuten Thunfans. Und haben ganz fest vor, trotz all der Flughafen-Deppen dieser Welt es ganz sicher ans nächste Cupspiel nach Nyon zu schaffen.