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Thun - Winterthur 3-3
24.07.2001NLB Qualifikation 2001/2002


Von wegen "Nichts los in Thun". Die Langeweile, die das Lachenstadion in der Abstiegsrunde einnebelte, ist endgültig verschwunden. Im Spiel gegen Winti sind endlich wieder die Emotionen da, die so lange vermisst worden sind. Und zwar auf und neben dem Spielfeld.
Doch während auf dem Rasen die Mannschaft wohl überlegt und abtastend beginnt, werden in der Fanclubecke die ersten Attacken schon zu Spielbeginn gestartet. Verbal zwar nur, doch dafür mindestens so laut wie Megaphon-"Hopp Thun"-Rufe. Verschiedenste Beschuldigungen sind zu hören: "Warum wart ihr nie an einem Testspiel?!" "Hey Mann, ich habe ein Privatleben!" "Warum warst du nicht am Treffen wegen den Saisonkarten!" "He, hör mal zu, im Gegensatz zum Fanclubpräsi weiss ich, wo das Al Ponte ist!" "Und warum hört man nie was von euch?!" "Ihr beantwortet unsere Anrufe, unsere Mails nicht... und einen Brief geschrieben haben wir auch." "An eine falsche Adresse. Nützt halt viel!" "Und ich war an einem Testspiel. Alleine... Und am anderen Testspiel habe ich doch auch gesehen... ich hab dich nur nicht gegrüsst!" "Und verdammt noch mal, ich will nicht alles alleine machen!" "Ach so, und was machen wir dann? Die Homepage vielleicht? Die Auswärtsreisen organisieren? Die..."
Attackpausen werden eigentlich nur genommen, um die Spielzüge der Thuner zu beschreien. Und diese Schreie sind laut, sonderbar voller Wut. Doch der Nutzen ist klein, als nach etwa einer halben Stunde die Thuner komplett ins Koma verfallen, an der Mittellinie beginnend überall Lücken aufreissen und die Winti-Stürmer hindurchspazieren lassen. Natürlich nützt Winterthur den Platz, natürlich erzielen sie das 1-0.
"Und wo ist eigentlich dieser Beni Gasser?! Ich lass' mich nicht im Internet bedrohen!" Und so schaut man sich um. Und so wird auf einmal jedes "Hopp Thun" aus einer anderen Stadionkurve zu einer potentiellen Provokation. Ein Glück für diesen Dreckskerl, sich nicht blicken zu lassen...
Die Thuner Spieler bleiben zurückhaltend, kommen kaum zu echten Abschlusschancen. Eine Freistossmöglichkeit Sekunden vor dem Pausenpfiff wird auch vergeben. 15 Minuten Rasenpause, die die Fanclubmitglieder dazu nützen, ihre verbalen Attacken noch etwas weiter unter der Gürtellinie zu platzieren. Was hier nicht weiter erläutert werden soll.
Zum Glück wird die rote Mannschaft in der zweiten Halbzeit stärker, geradezu mächtig. Sie rennen an, nicht vergeblich, Rama findet eine Lücke, passt zu Schneider, dieser schliesst ab, juhu, 1-1.
Weiter geht die Thuner Parade. Schnell, schnell, schnell, steile, gewagte Pässe, die aber sehr oft ankommen. Ein Pass gelangt bis zu Jurendic - der trifft zum 2-1. Thun führt!
Der erste Griff zum Handy, der Anruf zu einem daheimgebliebenen Fanclubmitglied. Auch so etwas sinnvolles... So schreit man sich am Telefon halt auch noch an, nun ja, wenigstens aus Freude über die Führung. Doch kaum ausgesprochen, trifft ein Wintispieler schon per Kopf zum 2-2. Das Telefonat endet missstimmiger als es begonnen hat.
Und damit nicht genug. Winti bleibt im Angriff, spielt die Thuner an die Wand. Noch mehr Lücken, noch eine Chance für ein Kopftor - natürlich, 2-3. Winti führt wieder.
Im Fanclub ist da eigentlich genug gesagt. Die Meinungen sind gemacht: Irgendwie hassen alle Beni und sind zudem von immer einem anderen Fanclubmitglied etwas genervt. Zumindest jedoch sind noch alle Thun-Fans, ins Neufeld abwandern will jedenfalls noch keiner. Wobei das Gerücht von einem Flirt mit einem weiblichen YB-Fan schon schlimm genug ist. Da muss wohl bald ein Fanclubmitglied gefoltert werden.
"Hopp Thun Hopp Thun". Oder "Allez Thun allez!" Trommelwirbel dazu. Das alles möglichst laut, sorgen doch die mitgereisten Winti-Fans auch nicht für schlechte Stimmung. Zumal Thun geschlagen scheint, gelangen sie doch kaum mehr vors Winti-Tor. Doch da weiss Thun-Trainer Latour Rat und wechselt den Strättligen-Bomber Stettler ein. Dieser läuft sich erst noch etwas wärmer auf dem Platz und zielt dann aus heiterem Himmel aus 25 Metern Entfernung aufs Tor. Er trifft, grosser Jubel, 3-3.
Man merke: Keine Umarmungen in der Fanclubecke. Aber trotzdem fröhliche Gesichter. So ein erfolgreiches Spiel lässt allen Streit vergessen lassen. Bei aller Unterschiedlichkeit halten halt alle Fanclubmitglieder ihre Emotionen dem selben Klub entgegen. Leid und Freud, Gemeinsamkeit. Es ist schön, Fussballfreund zu sein.
Und so schreit der ganze Fanclub als Einheit weiter, treibt die Thuner Spieler zu einem weiteren Tor ein. Dies kommt zwar nicht, dafür ein Schlusspfiff. Die Spieler bedanken sich, die Fans (soweit denn eben anwesend) versöhnen sich. Nur einer bleibt Feind: Dreckskerl Beni Gasser.
Was folgt ist ein möglicherweise historisches Wochenende für den Berner Fussball. Gewinnen nämlich YB und Thun am Freitag respektive Samstag, sind beide Berner Mannschaften zumindest vorübergehend Tabellenführer. Wär doch was.

Matthias Engel