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Sion - Thun 2:1
25.11.2018Super League 2018/2019


Als Mann fühlt man sich im 21. Jahrhundert nicht mehr an manchem Ort wohl. Überall kann Mann in ein Fettnäpfchen treten, weil Frau nicht korrekt findet, wie wir uns Männer benehmen. Baywatch und Sexy Sport Clips waren in den 90ern, heute ist MeToo und Mamma Mia 2 (ja, auch ich musste den im Kino schauen). Eine der letzten Ruckzugsorte ist das Männerpissoir. Da kann Mann noch Mann sein und den Bier- oder Weinbecher über dem Urinal hinstellen ohne dass ein Du-trinkst-zu-viel-Spruch kommt. Entsprechend wohl und sicher fühle ich mich heute auf dem Pissoir vor dem Tourbillon; Hose auf und der ganze Druck des Lebens und der süffigen Fanfahrt mit Cardinalbier, Schweizer Weisswein und undefinierbarem blauem Gesöff aus Portugal (wo ist eigentlich von Gunten, wenn so eine hässliche Portugiesenflasche nicht leer werden will) fällt von dir ab. Wenn da nicht plötzlich der Typ neben dir beginnen würde, auf der Pissoir-Ablage herumzutrommeln. Es gibt Körperteile und Kleidungsstücke, auf denen man sich keinen (eben noch) vollen Weissweinbecher wünscht. Danke Kevä, dass ich nun ein Männertrauma mehr habe - und erst noch durstig bin. Wenigstens kann ich mir im Raclettezelt noch Wein-Nachschub holen. Obwohl auch hier Kevä an der Theke wieder nur Flausen im Kopf hat. Zwar wagt es nicht mal er es hier, angesichts all der Weingläser herumzutrommeln. Aber sich provokativ mit einem Thun-Kleber an der Bar zu verewigen, liegt schon drin. Mit Glück werden wir trotzdem bedient.
Die anderen Thunfans sind da schon im Stadion und haben einen Farbtupfer für den Spielbeginn vorbereitet: Eine Pyroshow, die manchen Silvesterzauber übertrifft. Doch noch ist nicht Jahreswechsel, sondern trister November. Nach sechs Tagen Hochnebel nonstop und drei Niederlagen meines Hockeyteams in ebenso vielen Spielen, beginnt auch das heutige Sonntagsspiel mit einem ordentlichen Dämpfer. In der 3. Minute erzielt Kasami bereits das 1:0, wobei der 16-Meter-Schuss nicht ganz unhaltbar scheint. Thun schaut ziemlich dumm aus, was sich die ganze Halbzeit nicht ändern soll. Ein durchschnittliches Sion engt Thun regelrecht ein und kommt zu Angriff um Angriff. Besonders Lenjani ist ein ständiger Gefahrenherd. Mit Glück bleibt es bis zur 45. Minute beim 1:0. Das ist übrigens auch die Spielminute, in der Thun durch Hediger zum ersten Torschuss kommt. Eine Halbzeit, die uns etwa gleich gut gefällt wie der portugiesische Blauwein.
Also versucht die Fankurve das Team zu wecken. Zu Beginn der zweiten Hälfte gibt es schon wieder eine Pyroshow. Optisch ist der teure Spass noch schöner als der Vorgänger eine Stunde früher. Aber dieser eine Böller müsste nun wirklich nicht sein. Der nächste Knaller folgt sogleich auf dem Spielfeld. In der 50. Minute verletzt sich Lenjani am Oberschenkel und muss ausgewechselt werden. Der stärkste Walliser ist somit aus dem Spiel und Thun sogleich im Spiel. Ein erster Treffer von Thun zählt zwar wegen angeblichem Offside noch nicht. Dafür aber die Szene, in der Sorgic eine Flanke von Tosetti verwertet. In der 61. Minute steht es leicht unverdient 1:1. Nun fängt Thun zu zaubern an und setzt sich minutenlang im Sion-Strafraum fest. Das Offensivfurioso wird aber nicht durch ein Tor belohnt. Und so schafft es Sion, ab der 70. Minute wieder das Spieldiktat zu übernehmen. Das sorgt im Tourbillon für viel Emotionen. In der 80. Minute will selbst Trainer Yakin den Sieg und vor allem einen Handspenalty so sehr, dass Schiri Fähndrich den Wüthrich auf die Tribüne schickt. Wenig später kommt Sion trotzdem zum Torjubel. Sion schliesst einen bissigen (aus unserer Sicht überharten) Angriff mit dem zweiten Weitschusstor des Nachmittags ab. Torschütze ist dieses Mal Toma.
So sehr sich die Thuner in der verbleibenden Zeit inklusive der drei Nachspielminuten anstrengen, der Ausgleich glückt nicht mehr. Ein kurzer Applaus für die Spieler und dann verschwinde ich auf dem Männerpissoir. Bier drückt noch mehr auf die Blase, wenn es aus Bechern mit Sion-Logo getrunken werden muss. Und dieses Mal will ich sicher gehen, dass mich nicht wieder Kevä in den Männer-Wohlfühlort hinein verfolgt. In diesem Sinne Hopp Thun und Schiff ahoi!