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Vaduz - Thun 1:3
02.06.2017Super League 2016/2017


Eine Auslandreise will gut organisiert sein. Selbst wenn sie «nur» ins Liechtensteinische führt. Vor allem wenn das Spiel zu so einer unsäglichen Zeit stattfindet, wie die letzte Runde der Saison 2016/2017: Anpfiff am Freitagabend um 20.30 Uhr. Und all das nur, weil am Samstagabend irgendwo in Wales ein anderes Fussballspiel stattfindet. Da muss man als Zugfahrer (bei Vaduz-Fahrten nennt man das wohl besser Postautofahrer) schon mal mit dem Fanarbeiter abklären, ob die öV-Anreise und vor allem Abreise überhaupt machbar ist: «Chasch es guets Wort ilege, dass es nach em Match nid e lange Rückhalt git? Für di letscht öV-Verbindig nach Thun bruchts 22.48-Bus nach Thun.» Die Antwort ist schnell und erfreulich: «Isch gmäudet.»
Ein grosser Zuschauermagnet ist dieses Spiel aber ohnehin nicht. Als ich um 19 Uhr bei der Vaduzer Post in den Extrabus Richtung Rheinparkstadion steige, sitzt einzig der Buschauffeur drin. Weshalb ich nur Sicherheit abkläre, ob er erst nach STI-Methode den ganzen Bus füllen lassen will, ehe er losfährt. Zu Fuss wären es ja auch nur etwa 10 bis 15 Minuten bis zum Stadion. Der Fahrer versichert mir: «Ich würde auch nur mit Luft fahren.» Und als er wenig später den Motor startet, bin ich tatsächlich der einzige Passagier. Unterwegs kreuzt ein einziger bulliger Fan unseren Weg, der ein rotes Shirt mit Aufschrift «Goal» trägt. Doch der marschiert nicht etwa Richtung Stadion, sondern Richtung Städtle. Und irgendwie habe ich den Verdacht, dass der nicht mal Vaduzer ist, sondern Thuner. Heutzutage muss man in Vaduz ja selbst bei Fans mit «V»-Hut davon ausgehen, dass es sich gar nicht um Liechtensteiner handelt.
Im Stadion sind dann schlussendlich 2815 Zuschauer – offiziell gezählt. Doch nicht einmal die unter uns, die heute ganz viel Bier trinken und längst doppelt zählen, können diese Zahl auch nur halbwegs nachvollziehen. Wobei das heute so eine Sache ist mit dem Biertrinken. «Bring mich zurück! Ich bin der FCV-Ökobecher» redet man uns heute ins Gewissen. Und ins Portemonnaie. Doch wenn man all die Bierbecherwürfe in der Thuner Kurve so sieht, haben die meisten Thunfans den Trick mit dem 1-Franken-Depot gar nicht bemerkt – oder sie wollen sich einfach die gute Party in Vaduz ewas kosten lassen. Anders die Gemütslage auf der Vaduzer Seite, bei denen alle Zeichen auf Abstieg stehen. Die Werbebanden funktionieren nicht mehr richtig und der Speaker versucht doch tatsächlich mit dem Einspielen von Justin Biebers «Sorry» die Fans zu besänftigen.
Immerhin 23 Minuten lang bleibt der harte Kern der Vaduz Fans aber doch im Stadion. Dann aber werden die Banner und Fahnen eingepackt und dem Verein (auf Nimmerwiedersehen?) Tschüss gesagt. Die beiden Auslöser für diesen abrupten Abgang: Erstens die Flanke von Facchinetti auf Rapp, der zum 0:1 einköpfelt. Und zweitens die Flanke von Facchinetti auf Tosetti, der den Ball wuchtig zum 0:2 versenkt. Zwei Thuner Tore innerhalb von 120 Sekunden. Uns gefällts. Vaduz verkürzt zwar kurz darauf durch Zarate auf 1:2, doch Thun lässt sich dadurch nicht beirren und hat die Partie weiterhin klar im Griff. Es beruhigt halt schon ungemein, dass Thun noch nie in einem NLA-Spiel gegen Vaduz verloren hat. Weshalb trotzdem ein gewisser Ancillo Canepa heute im Blick auf einen 2:1-Sieg von Vaduz getippt hat, bleibt das Geheimnis eines alten seltsamen Mannes.
Im Stadion kommt jetzt nur noch Hektik auf, wenn die Nummer 16 am Ball ist und Pfiffe von den Thunfans erntet. Nein, gemeint ist der Vaduzer Costanzo, der gar nicht erst spielt. Sondern der Thuner «Fassnacht». Anlass dazu ist der Fassnachtsumzug nach Bern. Ja, der kann das, das Arschgesicht. In der 75. Minute wird er dann endlich ausgewechselt.
Thuner Helden sind heute sowieso anders. So zum Beispiel Geissmann. Er erzielt in der 59. Minute nach einer Flanke von Rapp das 1:3. Allen «Einer geht, noch einer geht noch rein»-Rufen zum Trotz ist das bereits das Schlussergebnis, das gleichbedeutend ist mit den Saisonpunkten 43 bis 45b und dem Tabellenschlussrang 6. So feiern wir halt keinen weiteren Treffer, aber nach Abpfiff Thomas Reinmann. Bei ihm bedauern wir, dass seine Zeit in Thun zu Ende geht.
815 Zuschauer (diese Zahl ist um einiges realistischer) möchten nun nach Hause. Besonders eilig haben es wir beiden Thuner Zugfahrer. Doch oha lätz, zu unserer Überraschung und entgegen dem Versprechen gibt es einen längeren Fanrückhalt. Wer bitte schön wird da vor wem zurückgehalten? Nicht einmal ein Anruf des Fanarbeiters bei der Gaby vom FC Vaduz hilft uns weiter, die Auskunft, der Extrabus zur Postautohaltestelle warte dann schon vor dem Stadion, beruhigt hinter Gittern nicht wirklich. Erst um 22.42 Uhr gehen die Tore auf. Doch statt dem versprochenen Bus stehen nur zwei Dorfpolizisten vor dem Gästeeingang. Ja, der Shuttle sei weg. Nein, einen Ersatztransport gebe es ja nicht. Ihr könnt ja mit den Fanbussen zurück nach Thun fahren (als ob jeder Thunfan Wohnsitz Thun hätte). Und überhaupt, zu Fuss sind es ja nur fünf Minuten zur Postautohaltestelle. Ein Blick auf die Uhr – es ist 22.43 Uhr – und ich renne los. Während der zweite Zugfahrer lieber weiter mit den Polizisten diskutiert. Ich habe zwar schon nach 60 Metern Seitenstecher, doch werde ich von weisen Worte beflügelt, die ich kurz zuvor im FCV-Matchmagazin gelesen habe: «Mit dem FC Thun empfangen wir heute einen Gegner, der es immer wieder versteht, schwierige Situationen abseits des Spielfeld zu meistern und des er es mit beschränkten finanziellen Mitteln sportlich seit Jahren schafft, den Ligaerhalt rechtzeitig zu sichern.» Und erreiche Punkt 22.48 Uhr mit letzter Kraft das Postauto Richtung Feldkirch – wo Zugfahrer Nummer 2 eine Minute später dann auch noch Platz neben mir nimmt. Nicht etwa als Nutzniesser einer hilfsbereiten Polizei, sondern dank der langen Warteschlange vor dem Bus.
Ja, ich werde sie vermissen, die irren Auslandsreisen – ob jetzt nach Vaduz oder richtig weit weg. Ich wünsche allseits einen schönen Sommer – und hoffe, dass Thun nächsten Sommer mal wieder einen Europacupplatz erobern kann. Hopp Thun!