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Thun - Lugano 2:1
13.02.2016Super League 2015/2016


Die Kritik fällt heftig aus – etwas so heftig wie der Regen, der heute auf dem Weg ins Stadion auf uns Fans niederprasselt. (Ja, es ist einer der Abende, an dem wir das Lachenstadion nicht besonders stark vermissen.): «Ein Sieg heute gegen den FC Lugano ist kein Selbstläufer. Auch deshalb nicht, weil die Thuner in der heimischen Stockhorn Arena im bisherigen Meisterschaftsverlauf nicht überzeugen konnten. Der FC Thun weist zusammen mit Vaduz die schwächste Bilanz vor eigenem Publikum auf…» Diese heftigen Worte verbreitet heute nicht etwa Tele Bärn und auch nicht unsere Lieblingszeitung B. aus Z. Verfasser ist Peter Voegeli – und das im heutigen Matchprogramm. Wer bis anhin also gemeint hat, dass Thun eine Wohlfühloase ohne allzu grossen Leistungsanspruch ist, hat hier den Gegenbeweis. Man nehme sich ein Beispiel an jenem Fan, der in jedem Thunspieler einen internationalen Topshot vermutet – und kürzlich auf der Autogrammjagd nach einem Training unseren Topskorer mit «Hello Munsy» angesprochen hat. Dass die prompte Antwort nicht etwa in der Weltsprache Englisch, sondern in diesem exotischen Slang namens Luzernisch erfolgte, war ein ganz besonderes Aha-Ridge-Erlebnis für unseren Fan.
Auf ein solches Aha-Ridge-Erlebnis wartet wohl unser Speaker noch. Anders kann ich mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet heute im Spiel gegen Lugano viele Durchsagen erst auf fremdländisch also italienisch) und erst dann auf Deutsch gemacht werden. Die Tessiner jedenfalls, die ich kenne, verstehen besser Deutsch als ich Luzernisch. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass die drei bis vier Dutzend Lugano-Fans, die es heute durch den Gotthard durch (Ja, Gotthard, JA!) nach Thun geschafft haben, die einzigen Sprachbanausen der Südschweiz sein sollen.
Der auffälligste Mann der ersten Halbzeit spricht aber ohnehin Spanisch: Gonzalo Zarate. Gleich drei gefährliche Freistösse tritt er innert weniger Minuten: In der 24. Minute, in der 35. Minute und in der 36. Minute. Es sind Freistoss 2 und Freistoss 3, welche im Lugano-Strafraum für grosse Torgefahr sorgen. Und doch sprechen an diesem Tag alle im Stadion von Freistoss 1. Denn bei diesem Schuss kommen sich im Strafraum die Nummer 12, die Nummer 13 und die Nummer 14 in die Quere. Die Nummer 12 ist Matias Malvino, spielt bei Lugano und will um jeden Preis an diesem Ball. Die Nummer 13 ist Simone Rapp und die Nummer 14 ist Nicolas Schindelholz. Und beide Thuner verlieren nicht nur das Duell um den Ball, sondern auch das Gleichgewicht. Worauf ein Fan in meiner Nähe «Penalty!» schreit. Es ist nicht überliefert, ob er dank besonders guten Augen selbst bei unübersichtlichsten Szenen den Durchblick hat oder ganz einfach Schiedsrichtergesten gut deuten kann. Recht hat er jedenfalls. Schiedsrichter Sen erlaubt es unserer Nummer 9, den Ball auf den Elfmeterpunkt zu setzen. Und so kommt es zum Penaltyduell zwischen Roman Buess und Alex Valentini. Buess läuft an und platziert den Ball im rechts im Lattenkreuz. In einem 6-Punkte-Spiel durch Penalty in Führung gehen – war da mal nicht was gegen Vaduz?
Viel mehr Spektakel ist da nicht in der ersten Halbzeit. Thun steht im Mittelfeld solide, kommt aber nebst dem Zarate-Freistoss-Triple nicht zu weiteren Torchancen. Aus dem Spiel heraus ist da nicht viel. Was aber auch für Lugano gilt. Weshalb selten eine Bandenwerbung treffender war als heute: «Sofa zügeln». Ja Herr oder Frau Gafner, gerne. Am liebsten gleich zu mir in den Sektor G. Weniger gelungen scheint mir die Werbebotschaft der noch nicht ganz superbowl-verdächtigen Halbzeitshow zu sein: «4x4 gratis». Krieg ich das Auto wirklich gratis? Und wie viele Spieler muss ich dafür dem FC Thun kaufen?
In der zweiten Halbzeit schwinden dann bei Zarate die Kräfte. Und auch bei manch anderem Thuner. Die Strafraumszenen bleiben rar. Die Lugano-Spieler versuchen ihr Glück in Weitschüssen. Und Rojas in einem Duell Mann gegen Mann. Wie er aber ganz alleine vor dem Tor versagt und sein Schüsschen direkt in die Arme des Lugano-Goalies legt, ist kläglich. Weshalb es dann doch ein Lugano-Weitschuss ist, der den Spielstand verändert. Tosetti bezwingt Faivre in der 82. Minute mit einem unhaltbaren Schuss – natürlich rechts oben ins Lattenkreuz. 1:1. Unsere Kurve tobt – aus Verärgerung.
Dabei zeigt Thun doch viel Kampfgeist. Besonders unser neuer albanischer Spieler. Bisher kannte keiner von uns «Brki», doch in der 85. Minute holt er sich gleich mal bei einem Einsatz die Gelbe Karte ab. So stehts jedenfalls auf dem Stadionbildschirm. Das ist wohl die Einblendung, die den fluchenden Fan hinter mir endgültig verwirrt. Was ihn nicht alles stört: Der Schiri zeigt nie Gelbe Karten gegen Lugano! – Nun ja, er zeigt deren vier. – Saibene wartet viel zu lange mit Wechseln! – Nun ja, er hat in der 65. Minute Schirinzi und in der 68. Minute Munsy ins Spiel gebracht. – Und überhaupt, die Thuner spielen ja gar nicht nach vorne und werden dieses Spiel sicher noch verlieren! – Nun ja, mir macht in dieser Nachspielzeit eigentlich nur Angst, dass die Nachspielminuten-Anzeigetafel nicht funktioniert und lang unklar bleibt, wie lange die Extraschicht dauert. Drei Minuten sind es schliesslich. Und das ist gut so. Denn ja, Thun kommt tatsächlich noch zu einem Angriff: Rapp nach rechts in den Strafraum zu Zarate (da ist er wieder!). Zarate links vors Tor zu Munsy. Und da ist es, das Aha-Ridge-Erlebnis für den fluchenden Fan hinter mir: Munsy schiesst oder besser gesagt grätscht den Ball ins Tor. 2:1. Unsere Kurve tobt – aus Freude. Doch wie sagt es doch Munsy wenige Minuten später in einem Interview so treffend in seinem exotischen Luzernisch: «Es brucht e besseri Laischtig gäge en andere Gägner.» Ja, auch das ist ein Aha-Ridge-Erlebnis.

P.S. Und dann ist da noch das Radio SRF3-Team, das auch dringend sein Aha-Ridge-Erlebnis brauchen wĂĽrde. Denn laut einem kurz nach 20 Uhr ausgestrahlten Bericht hat Lugano 2:1 gewonnen, hat Remo (!) Buess ein Tor geschossen und ĂĽberhaupt beruhte jedes einzelne Tor dieses Spiels auf Zufall, Zufall, Zufall. Aha!