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St. Gallen - Thun 1:2
07.02.2016Super League 2015/2016


En Guete! Wer in der Ostschweiz verpflegt werden will, braucht Geduld. Minutenlang stehe ich in der Pause für meine Zwischenmahlzeit an. Den Senf habe ich mir zwar schon vor dem Match gesichert – wenn auch zum stolzen Preis von 10 Franken (gilt Senf hier eigentlich schon als verbotene Droge?) – für die Bratwurst dagegen stehe ich erst jetzt an. Wenn kein einziger Thuner motzt, als wir in der Schlange auch nach Wiederanpfiff kaum vorwärts kommen, hängt auch mit dem Spielverlauf zusammen. In der ersten Halbzeit war hier der FSCG die klar bessere Mannschaft, dass erst Aleksic nach 36 Minuten und dem immerhin sechsten Eckball das 1:0 erzielt hat, ist aus Thuner Sicht noch die beste Nachricht. Dieser Match hier bereitet uns im Magen in etwa ein so ungutes Durcheinander wie dieses grüne Cardinal-Bier, dass ein Grüppchen von uns heute im 40er FamiliyXXLIgittGrosspack mitschleppt. (Ja, Cardinal-Bier ist mein Lieblingsbier. Und nein, ich finde es nicht in Ordnung, dass man mein Lieblingsbier mit irgendeinem Gemüsesaft mischt. Ein Wunder, dass da nicht noch mehr Thunfans kotzen.) Also nehmen wir heute diese lange Schlange als besseres Übel in Kauf. Und immerhin: Für die zehn Minuten Anstehen gibt’s als Belohnung immerhin eine Wurst, ein Büürli und – nach energischem Nachhaken – eine Portion Senf. Und so marschiere ich mit genügend Proviant im Gepäck in der 51. Minute wieder ins Stadion hinein – und sehe gerade, wie Rapp den Ball zu Buess schiesst, der zum 1:1 einschiesst. Die erste Thuner Chance? Oder doch schon die zweite? Wir feiern das Tor jedenfalls so laut und wild, als wären wir schon Meister. Und dann esse ich endlich mal meine Wurst.
Während wir in der ersten Halbzeit ab der Thuner Passivität mehrmals schier verzweifelt sind, hat Thun nun mehr vom Spiel. Das bleibt auch so, als Munsy in der 68. Minute Torschütze Buess ersetzt. Vom FSCG ist so wenig zu sehen, als wollten sie das heutige Senf-Editiorial bestätigen. Wie heisst es doch dort im besten Blues-Lebensgefühl: «Schmerzvolle Niederlagen und ein paar weniger grosse Siege prägen die Geschichte des FC St. Gallen. Als wir die vermeintlich verarbeiteten Enttäuschungen in der Redaktionssitzung besprachen, fragten wir uns, wie es so wäre, wenn wir nicht nur alle zehn Jahre eine halbwegs akzeptable Saison spielten, sondern jede Saison vorne mit dabei wären. Wir diskutierten lange – fast einen Liter Klösterbräu lang.» Nun, wer heute bis zur entscheidenden Szene wartet, hat mindestens schon einen Liter (nicht-grünes) Bier intus. Dann aber zeigt sich in der Nachspielzeit, wie treffend der St. Galler Senf ist: In der 94. Minute schlägt Sandro Wieser einen Freistoss in Richtung Tor, wo der Ball von Nicolas Schindelholz noch ganz leicht abgefälscht wird und ins Tor fliegt! Das 1:2 in der allerletzten Aktion des Spiels! Was genau Fanclublegendes Tipp entspricht. Und was hier in der Ostschweiz prompt zu einem mythischen Ereignis verklärt wird. Im Restaurant Quellenhof in Gossau wird jedenfalls nach Spielende felsenfest an der Bar behauptet, dass Thun das Spiel 3:4 gewonnen hat. Könnte theoretisch ja schon sein, wenn Thun überhaupt so viele Torchancen gehabt hätte. Wahrscheinlich hat da ein Ostschweizer Fan die Tore einfach doppelt gesehen. Mindestens.
Wobei sich die St. Galler nach Spielende ganz allgemein dem Blues-Lebensgefühl widmen. Da wird doch im Stadion tatsächlich nach Abpfiff eine Tabelle eingeblendet, in der Thun klar vor dem FSCG liegt: Thun 23 Punkte, St. Gallen 20 Punkte. Ich will ja nicht unbedingt meinen Senf zu Ostschweizer Zählmethoden geben, aber irgendwie hatte ich mehr FCSG-Punkte in Erinnerung. Aber wer will bei einem so ertragsreichen Ausflug schon kleinlich sein. Prost! – selbst wenns halt mit einem grünen Bier sein muss.