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Sion - Thun 1:2
29.11.2015Super League 2015/2016


Ein Winterausflug ins Wallis? Da brauche ich unbedingt Beratung. Und die erteilt mir das zBierhuus Münsingen. Schliesslich will ich süffigen Proviant mitnehmen, aber nicht zu viel mit mir herumschleppen. Und natürlich auch keine Flasche mit Depot, da mir das ganze Leergut natürlich selbst im Wallis spätestens beim Stadioneingang weggenommen wird – selbst auf dem «Femmes»-Schleichweg. Empfohlen wird deshalb eine 1-Liter-Dose Faxe-Bier aus Dänemark. Die ermöglicht mir bei meiner Frau gleich auch das Versprechen abzugeben, dass ich auf dem Weg nach Sitten höchstens ein Bier trinken werde. Am ersten Advent will ich schliesslich ein guter Ehemann sein.
Überhaupt merkt man auf der ganzen Reise, dass wir uns Weihnachten nähern. Die heutige Fanfahrt steht nämlich unter dem Motto «Advent, Advent, ein Lichtlein brennt». Und unser Feuer für den FC Thun brennt ein erstes Mal am Bahnhof Thun, später auf dem Fanmarsch durch Sitten und schliesslich auch noch im Stadion. Nun kann man natürlich kritisch sein, ob es ausgerechnet bei jenem drei verbleibenden Spiele, das mittags angepfiffen wird, zusätzliches Licht bleibt, aber wahrscheinlich handelt es sich heute bloss um einen grossen Produktetest für Ultras. Schliesslich grübelt auch ein Ultra wie du und ich darüber, was er sich als Weihnachten wünschen möchte. Also mein Wunschzettel steht seit heute fest: Diese Dose, die sich ein paar Mal dreht und die ganze Zeit hinüber rötlichen Rauch abgibt, finde ich irgendwie cool. Eher nicht mein Ding sind Böller, die über unseren Köpfen knallen. Und was gar nicht geht, sind Böller, die auf dem Boden explodieren. Also wenn die mir der Samichlous vorbeibringen würde, würde ich ihm mit der Rute mit Nachdruck meine Meinung sagen: Böller, die mitten unter Leuten knallen, sind Scheisse!
Gerne hätten wir auch auf dem Platz gerne gleich von Anfang an ein Thuner Feuerwerk. Aber irgendwie hat in der ersten Halbzeit nur Sion zündende Ideen. Gleich mehrmals fehlt nur wenig zur Walliser Führung: Lattenschuss von Bia in der 20. Minute, Follonier in der 23. und in der 36. Minute zweimal knapp am Tor vorbei und Assifuah kann in der 34. Minute nur knapp vom starken Reinmann gestoppt werden. Auf Thuner Seite hat dagegen nur Munsy in der 44. Minute eine gute Chance. Doch er scheitert an Vanins.
Gerne würden wir unseren Frust über die schwache Thuner Präsenz in der Pause in Weisswein oder Glühwein ertrinken, doch trotz mehrmaligem Nachhaken von Kevä alias Dänu erhalten wir nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt. Aber wenigstens legt der FC Sion grossen Wert auf Prävention, so dass am Getränkestand selbst unsere jungen Frauen beim Bestellen der Bierimitate gefragt werden, ob sie eigentlich schon 16 sind.
Die zweite Halbzeit beginnt dann mit einem Paukenschlag: Nicht Bia, Rüffli, Ndoye, Lacroix oder Assifuah schiessen den ersten Treffer der Partie – und ja, alle fünf hätten zwischen der 46. und 50. Minute Topchancen für ein Tor – sondern Sandro Wieser! Der knallt doch tatsächlich in der 52. Minute den Ball aus fast 20 Metern in die linke untere Torecke. Vanins hat keine Chance, diesen Ball noch zu erreichen. Dieser Schuss muss für die 5000 Walliser im Stadion ein tiefer Stich ins Herz sein. Und dieser Schmerz wird noch dadurch verstärkt, dass der Schuss auf dem Stadionbildschirm wiederholt wird: Nicht einmal, nicht zweimal, nein gleich dreimal. Ist das Schwarzer Humor à la Constantin?
Doch auch die Thuner sind heute zum Scherzen aufgelegt. Denn nachdem heute die Sion-Spieler schon mindestens zehn Mal beste Torchancen peinlichst versiebt haben, verlängert in der 62. Minute ausgerechnet ein Thunspieler eine Hereingabe von Ziegler ins Netz: unser (zumindest gefühlt) Rekordeigentorschütze Reinmann. Diese Szene sieht ziemlich dämlich aus. Was aber langjährige Thunfans auch wissen: In Saisons, in denen die Thuner überdurchschnittlich viele Eigentore schiessen, lassen sie nicht unbedingt viele Punkte liegen. Denn ein Eigentor ist immerhin auch stets ein Beweis, dass die Verteidiger rechtzeitig am Ball sind.
Und das lässt die Optimisten unter uns darauf hoffen, dass es für Thun hier doch noch für einen Punktgewinn reicht. Ein Wunsch, der in der 83. Minute ziemlich unrealistisch erscheint. Denn da müsste eigentlich schon Akolo das 2:1 erzielen, doch er trifft nur die Querstange. Besser macht es beim Nachschuss Assifuah, der den Ball ins Netz köpfelt. Im Sektor neben uns jubeln die Einheimischen lauthals. Doch Schiri Luca Gut macht seine Arbeit genauso gut wie am Freitagabend seine Cousine Lara im Skirennen: Auch er findet die richtige Linie, entschiedet er doch zu Recht auf Abseits.
Spätestens jetzt ist klar: Wenn Thun hier wirklich einen Punkt holt, wäre das ehrlich gesagt unverdient und völlig entgegen dem Spielverlauf. Doch da die Thuner tierisch verbissen kämpfen, schaffen sie das Unmögliche tatsächlich: Sie holen in Sitten nicht nur einen Punkt, sondern gleich drei! Und dies liegt auch an Sion-Goalie Vanins. In der 90. Minute landet ein Auskick von ihm in den Füssen von Munsy, der die Einladung annimmt, sich auf ein Duell mit mehreren Sittener Abwehrspieler einlässt und doch tatsächlich aus schier unmöglichem Winkel zum 1:2 einschiesst. Es ist der K.O-Schlag für die Walliser, die sich in den drei Nachspielminuten nur noch durch eine Gelbe Karte von Rüffli bemerkbar machen.
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt? Am Wichtigsten ist heute, dass Thun seit heute 20 Punkte auf dem Konto hat und somit definitiv ohne rote Laterne wird überwintern können. Fröhliche Weihnachten!