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Luzern - Thun 1:0
21.11.2015Super League 2015/2016


Schon am Freitag wird in einem Berner Tram laut und engagiert über DAS Fussballspiel des Wochenende diskutiert: «Das git e klare Heimsieg!» «Spinnsch Alte, di angere hei so e Louf.» «Wosch wette?» «Geit klar!» Dass die Jungs hier nicht das Spiel YB gegen Sion in solch grosse Aufregung versetzt, ist natürlich klar. Allerdings geht’s bei diesem Fussballgemaxe auch nicht um Luzern vs. Thun, sondern um Real vs. Barça. Als ob dort ein Munsy auf dem Platz stehen würde.
Für rund 100 Thunfans ist hingegen klar, dass sich an so einem Novemberabend nur Fussballweicheier den El Clásico im Fernsehen oder Stream anschauen. Richtige Frauen und Männer machen sich lieber auf ins Schneegestöber von Luzern. Und selbstverständlich haben wir uns zuvor in der Annabelle informiert, wie man sich richtig vor der Kälte schützt: «Viel trinken, so wird der Feuchtigkeitsspeicher der Haut wieder aufgefüllt und die Neubildung der Hautzellen gefördert.» Gesagt, getan. Mit vielen exotischen Bieren wie San Miguel, Guinness und Cardinal wird fleissig angestossen, während andere auf Feldschlösschen-Dosen in allen möglichen Farben setzen – und in Olten bereits das erste Mal Nachschub holen müssen. Und teils wird bei all dem Einsatz für eine perfekte Haut halt auch übertrieben. Schon im Extrabus ins Stadion kotzt einer, bei seinem Sitzplatz im Stadion (mit Stehen ist bei ihm nicht mehr viel) gleich noch einmal. Klar kann so etwas jedem Fan mal bei einem Auswärtsspiel passieren – aber bei einer Fahrt in einen Nachbarkanton? Im Stadion zeigt sich dann aber noch der zweite Grund, warum viele Fans ihre Biermenge so grosszügig dosiert haben: Einmal mehr wird in Luzern nur Eichhof Alkoholfrei ausgeschenkt. «Das ist wirklich das schlimmste Bier, das ich je getrunken habe!» warnt uns zur Sicherheit nochmals der Bierbrauer in unseren Reihen. Und der kennt sogar gute alkoholfreie Biere. So viel rares Fachwissen muss man sich erst mal hart erarbeiten. So fängt nicht nur der angeschlagene Fan an, mit einem Cola auszunüchtern, auch die meisten der (noch) stehenden Fans steigen eichhof- und temperaturbedingt nun auf Getränke wie Kaffee und Tee um.
Wenig überraschend wärmt uns das Spielgeschehen nämlich nicht auf. Jeff Saibene wird zwar später an der Medienkonferenz behaupten, Thun sei in den ersten 20 Minuten «präsent gewesen». Aber in der ersten Halbzeit sind hier vor allem die Schneeflocken präsent. Und dann allenfalls noch die Luzernspieler, die immer mal wieder Faivre prüfen. Als ich nach einer halben Stunde kurz zum Fressstand runter gehe, vernehme ich Ungutes aus dem Stadioninnern. «Auf geht’s Thuner, kämpfen und siegen!» wird angestimmt. Ich bin überzeugt, dass soeben das 1:0 gefallen ist, und verwerfe die Hände. Doch es steht immer noch 0:0. Die Fans wollten die Spieler bloss ermuntern, mal nach vorne zu spielen. Denn ausser einer Freistosschance kommt da wirklich nichts von den Thunern.
Überraschend ist die Thuner Ladehemmung aber nicht wirklich, hat doch Thun zuletzt 2007(!) in einem Spiel in Luzern mehr als ein Tor geschossen. Vor der zweiten Halbzeit stimmt uns höchstens noch die Tatsache optimistisch, dass Thun 2011 und 2012 immerhin noch je einmal 1:0 gesiegt hat in Luzern. Doch auch diese Hoffnung schwindet rasch. In der 52. Minute hält zwar Sulmoni Lezcano in Schach, doch landet der Ball dafür bei Kryeziu, der wiederum Schachten lanciert. Dieser reagiert blitzschnell und überrascht mit seinem Schuss die Thuner Abwehr samt Faivre. Der Ball zappelt (natürlich!) im Netz, Luzern feiert das 1:0.
Und die Thuner? Die sind irgendwie festgefroren und bewegen sich so ungelenk wie vereiste Fischstäbchen. Luzern müsste 2:0, 3:0, ja 4:0 in Führung gehen. Doch Luzern ist nun mal nicht Barça und lässt sich deshalb Schuss für Schuss von Faivre stoppen – oder vom eigenen Unvermögen. Es spricht übrigens nicht für die Thuner Leistung, dass plötzlich im Gästesektor über jenes Spiel diskutiert wird, in dem es wirklich 4:0 bzw. 0:4 steht. Was für eine Barça-Gala. Manch einer wünscht sich jetzt doch, sich heute Abend für den Clásico entschieden zu haben – oder allenfalls für ein Eishockeyspiel. Dann hätte er oder sie aber prompt verpasst, wie in der 85. Minute Thun doch noch zur grossen Ausgleichchance kommt: Zarate spielt auf Munsy, doch der scheitert an Zibung. Jetzt wird das Spiel aber nochmals schnell und ruppig. Erst gibt’s ein Duell zwischen Hediger und Puljic, dann zwischen Buess und Rogulj. Das Quartett erhält für die kämpferischen Einlagen – notabene jeweils zu Zeitpunkten, als der Ball bereits aus dem Spiel war – die Gelbe Karte. All das sorgt wenigstens noch für Emotionen unter den 9900 Zuschauern. Im Gästesektor wird es aber wegen einem anderen Schirientscheid nochmals richtig laut: Jaccottet ist nach Ablauf der regulären Spielzeit überzeugt, dass dieses Gekicke hier nur zwei Nachspielminuten verdient hat. Objektiv gesehen hat er natürlich Recht. Sauer sind wir Thuner trotzdem. Hätte Saibene gewusst, dass das Spiel nur 92 Minuten dauert, hätte Thun bestimmt schon ab der 80. Minute auf den Ausgleich gedrückt.
So fahren wir halt ohne Punkte heimwärts – jeder in seine Richtung. Wobei auch meine Heimreise von lauten Gesängen begleitet wird. Der vierköpfige Chor singt ausgelassen auf Italienisch. Es muss Spass machen, als Gästefans in der Zentralschweiz einen Sieg feiern zu können. In welcher Sportart auch immer.