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Thun - St. Gallen 0:2
08.11.2015Super League 2015/2016


Wir erinnern uns: Am 18. Oktober 2015 hat Roman Buess gegen den FCZ einen Hattrick erzielt. Etwas, was zuvor zuletzt David Blumer am 14. September 2008 geschafft hat. Ein seltenes Naturphänomen also, das in Thun etwas so häufig zu beobachten ist wie ein Meisterschaftsspiel ohne Zivis in der Kurve oder eine Abstimmung im Stadtrat, bei dem sich unsere Lokalpolitiker tatsächlich mal im Sinne der jüngeren Generationen entscheiden. Thun ist somit nicht nur die Stadt der Alten, sondern auch die Stadt ohne Hattricks. Doch ein gewisser Ridge Munsy fasst sich heute ein Herz und lässt nichts unversucht, um zu vermeiden, dass wir in Thun keine weiteren sieben Jahre auf einen Hattrick warten müssen.
Munsy powert von seiner ersten Spielminute an. Und da er erneut in der Startelf steht, bedeutet das Spannung pur von Anfang an: In der 4. Minute übernimmt er den Ball von Schirinzi, gewinnt das Duell gegen Angha und läuft alleine auf Lopar zu. Es sieht ganz danach aus, dass er das Duell für sich entscheidet, doch knallt er den Ball an den rechten Innenpfosten statt ins Netz. Wir notieren also Pfostenschuss Nummer 1.
In der 12. Minute erobert sich Rapp in der St. Galler Hälfte den Ball. Er passt ihn nach vorne – natürlich zu Munsy. Der steht erneut goldrichtig, um den Ball rechts unten im Tor zu versenken. Munsy schiesst – und knallt der Ball an den rechten Pfosten. Wir notieren Pfostenschuss Nummer 2.
Kurz darauf zittern wir um Munsys Gesundheit, bleibt er doch nach einem Zweikampf mit Angha liegen. Er muss lange gepflegt werden und humpelt zwischenzeitlich. Aber solch arge Schmerzen halten eine Ridge Munsy noch lange nicht davon ab, uns einen Hattrick schenken zu wollen. Und so läuft er auch in der 21. Minute wieder dorthin, wo es richtig weh tut - in den St. Galler Strafraum. Und so ist er auch wieder der gesuchte Mann, als Wittwer eine Flanke schlägt. Munsy geht mit dem Kopf zum Ball und wählt für seine nächste Toptorchance die linke Hälfte des Tors. Sein Schuss ist wieder brandgefährlich, doch verfehlt er dieses Mal nicht nur den Pfosten, sondern auch das Tor. Und immer noch steht es 0:0.
Munsy bleibt topmotiviert. In der 26. Minute tänzelt er einmal mehr die St. Galler Abwehr aus. Doch dieses Mal entscheidet er sich dafür, den Angriff nicht selber abzuschliessen. Stattdessen wuchtet er den Ball in den Strafraum zu Zarate. Der kann rund 10 Meter vor der Linie zum Torschuss ansetzen. Das muss jetzt einfach ein Tor sein – doch Zarate trifft natürlich… den Pfosten! Wir notieren Pfostenschuss Nummer 3.
Die Ausbeute von Munsys Startfurioso ist wirklich ernüchternd: Kein Hattrick, ja nicht einmal ein Tor. Und dann stösst plötzlich der Thunfan hinter mir jenen lauten Stossseufzer aus, der nur mit jener bitteren Fussballweisheit abgeschlossen werden kann, die alle eingefleischten Fans so sehr fürchten: «Wer seine Chancen nicht nutzt, wird dafür bestraft…» Und das gleich doppelt. Denn nun jublen die St. Galler, nachdem Hediger einen katastophalen Rückpass ins Nirgendwo bzw. in die Beine von Salli gesetzt hat. Der hat sich nämlich nicht zweimal bitten lassen und den Ball an Faivre vorbei ins Tor geschossen. Ja so geht das. Und als ob das noch nicht genug Schrecken wäre für uns Thuner, ertönt Minuten später bei einem St. Galler Eckball ein Penaltypfiff. Wegen einem leichten Leibchenzupfers Schirinzis bei Cavusevic. Klar, fällt da ein cleverer Stürmer sofort hin. Aber ebenso klar ist, dass ein cleverer Schiedsrichter auf diese Slapstickeinlage nicht hineinfällt. Doch heute pfeift zu unserem Verdruss Jancevski und der pfeift eben Penalty. Aleksic stellt sich dem Duell mit Faivre und macht es um Welten besser als Frontino im Hinspiel gegen Lopar: Aleksic läuft an und versenkt den Ball eiskalt. Und so steht es nach 41. Minuten 0:2 – im Sinne der anderen brutalen Fussballweisheit «Team FCSG liegt entgegen dem Spielverlauf klar in Führung.»
«Komm, wir gehen heim, dieses Spiel ist gelaufen!» analysiert ein Thunfan das Spiel absolut richtig. Zum Glück haben wir für einen Fall wie diesen ordentlich Lesestoff vor dem Spiel erhalten. Einerseits das Matchprogramm mit einem Interview mit (dem nicht spielenden) Glarner. Andererseits die Blockschrift Nummer 18, die zur Überraschung aller mit neuem Layout und neuem Erscheinungsrhythmus («In unregelmässigen Abständen!») ihr Comeback feiert. Im Blockschrift-Schwerpunkt wird «Der moderne Fussball» kritisch hinterfragt. Worauf ich bei den Schreiberlingen die kritische Rückmeldung einbringe, dass ein Schwerpunkt über «Die moderne Fasnacht» heute angebrachter gewesen wäre. Die erste Halbzeit mag uns Thunfans ja einen ziemlichen Schrecken einjagen. Aber das ist kein Vergleich zum Guggen-Grossaufgebot vor dem Spiel. An keinem Platz vor oder im Stadion ist man in Sicherheit vor dem musikalischen Gruss einer Gugge. Yeah, welcome to hell. Und das am 8. November. Besonders froh stimmt uns die Gugge, die den Kassenschlager «Liebling, du kannst nicht immer 15 sein» (oder so ähnlich) vor dem Block Süd anstimmt. Als dann in der Pause noch der Gringerat auf den Rasen gebeten wird, machen sich ein paar Urthuner mit Zwischenrufen bemerkbar: «Fulehung, Fule-hung-hung!!!»
Die zweite Halbzeit schauen wir uns dann doch noch an. Und ärgern uns insbesondere über Schiedsrichter Jancevski, der Thun schon kurz nach dem 0:2 einen Penalty verweigert und lieber angebliches Schwalben-Gelb gegen Wieser gezeigt hat und nun weiterhin thunkritisch ins Spielgeschehen eingreift oder je nach Situation eben auch nicht. Über das Auslassen Thuner Topchancen müssen wir uns dagegen nicht mehr ärgern, da Thun zu keinen Topchancen mehr kommt. Angriffe erfolgen zwar immer noch, doch ist keiner der Schüsse aus dem Spiel heraus und erst recht keiner der insgesamt neun Eckbälle wirklich gefährlich. St. Gallen ist nun die bessere Mannschaft. Und dennoch: Als nach 93 Minuten die Partie fertig ist, verstehen wir immer noch nicht, wie um Himmels willen Thun, geschweige denn Munsy, hier mit gesenktem Kopf vom Spielfeld muss. Wir können uns nur vornehmen, diesen 8. November 2015 möglichst schnell zu vergessen…