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Wettswil-Bonstetten - Thun 1:2
28.10.2015Schweizer Cup 2015/2016


ZĂŒrich ist doch eine Fussballstadt. An der Bushaltestelle ZĂŒrich-Enge-Bahnhof/Bederstrasse (AbkĂŒrzungen sind in Downtown ZĂŒrich nur was fĂŒr Velofahrer mit Stalldrang) treffe ich prompt auf zwei Thunfans. Und das an einem hundsgewöhnlichen Mittwoch. Aber so ein Erstligist mit dem klangvollen Namen Wettswil-Bonstetten ist natĂŒrlich auch viel der attraktivere Achtelfinalgegner als ziemlich genau vor einem Jahr der FC St. Gallen. Und so nehmen hier nicht viel weniger Thunfans das Postauto Nummer 220 in Beschlag als damals ĂŒberhaupt den Weg in die Ostschweiz fanden. Also auf Richtung SĂ€uliamt. Wobei wir unterwegs zu unserer EnttĂ€uschung gar keine lĂ€ndliche Idylle mit quietschenden SĂ€ulis sehen, sondern minutenlang bloss die ewig gleich grauen AutobahntunnelwĂ€nde. Umso grösser unsere Freude, als wir am Strassenrand plötzlich einen winzigen Fussballplatz erblicken. Wir blicken uns gegenseitig ratlos an: "Das kann nicht das Moos von Wettswil sein, oder?" Doch eine Einheimische klĂ€rt uns auf: "Doch, das ist der Fussballplatz." Worauf wir am Platz vorbei satte fĂŒnf Minuten weiter fahren, ehe das Postauto endlich an der nĂ€chstgelegenen Haltestelle stoppt. Notgedrungen kommen wir halt auch noch in den Genuss eines Fanmarschs. Wenigstens verlĂ€uft die Route bergab.
Unterwegs zeigt sich, weshalb Bonstetten vom Tagi kĂŒrzlich als GLP-Hochburg auserkoren wurde. Hier wir nicht einfach nur von Energiewende gesprochen, hier wird Energiewende gelebt. Bonstetten entpuppt sich als wahre 2000-Watt-Gesellschaft. So wird hier nicht nur auf Strassenlaternen verzichtet, sondern auch auf eine durchgehende Beleuchtung rund ums Stadion. So sitzen vor dem GĂ€stesektor zwei Damen des FCWB im Halbdunkel an einem Tisch und versuchen mit einer kleinen Taschenlampe herauszutĂŒfeln, was fĂŒr eine Geldnote ihnen jeder Thunfan entgegenstreckt. Ein GlĂŒck fĂŒr die beiden, dass sich rund 80 Thunfans ihre Tickets schon im Vorverkauf gesichert haben. Arbeit fĂ€llt dennoch an, kommen doch spontan drei Dutzend weitere Thunfans an Spiel. Über 100 Thunfans an einem Mittwochabend in irgendeiner Cupprovinz - der Thuner Aufmarsch heute ist wirklich nicht schlecht.
Und die Thuner packen gleich mal mit an. Die kleine HolztribĂŒne, die aus jeweils drei Reihen HolzbĂ€nken besteht, sieht zwar nett aus. Doch sie steht direkt hinter dem Tor und damit ausgerechnet dort, wo der Zaun zum Spielfeldrand mit Abstand am Höchsten ist. Also werden die Thunfans gleich selber zu fleissigen Stadionbauern und bauen die TribĂŒne erst ab und dann bei der Eckfahne wieder auf. Bei jener Eckfahne treffen wir zu unserer Überraschung auf die Sektion Stadionverbot, die sich dort entlang der Seitenlinie hinter dem Zaun in einem Maisfeld versammelt haben. Gute Voraussetzung fĂŒr lautstarken Wechselgesang.
Und laut wird es schnell mal in diesem Spiel. In der 18. Minute lĂ€sst sich Munsy nicht zweimal bitten, als ihm Wittwer den Ball zuspielt, und schiesst zum 0:1 ein. So etwas muss gefeiert werden. Nun pflegt aber ein jeder seine GlĂŒcksmomente etwas anders zu zelebrieren, weshalb denn auch das Entfachen eines grĂŒnes und eines roten GlĂŒckstrahls lĂ€ngst nicht bei jedem Thunfans mehr Freude als Ärger auslöst. Klar also, dass man sich fĂŒr eine solche Kunstdarbietung am besten vermummt. Fraglich ist, ob man zugleich wirklich eine falsche FĂ€hrte legen muss, indem man einem Teil des Zaunschmucks ein Brandloch verpasst. Zumal nicht etwa das Wankdorf-Spruchband in Mitleidenschaft gezogen wird. Also wer mich fragt: Nein zum modernen Fussball. Aber auch nein zur Idee, Fussballspiele in Bern stattfinden zu lassen, welche die Young Boys sowieso nicht gewinnen.
Bevor wir hier aber ernsthaft ĂŒber den Austragungsort des Cupfinals diskutieren können, sollte vielleicht erst mal Thun dieses Spiel gewinnen. Denn das ist gar nicht so einfach. In der 34. Minute scheitert zwar erst ein FCWB-Spieler an der Latte, doch dann verwertet Kalyon den Abpraller zum Ausgleich. Kein Wunder, kreischt die FCWB darauf umso greller und lauter. Doch Thun hat zum GlĂŒck Munsy in seinen Reihen. Der steht in der 42. Minute bereits wieder goldrichtig, als in der SĂ€uliamt-Abwehr ein RĂŒckpass misslingt. Ein kleiner Zwischenspurt von Munsy und schon fĂŒhrt Thun wieder.
Viel mehr schöne Fussballaktionen werden den 1450 Zuschauern heute aber nicht mehr prĂ€sentiert. In der zweiten Halbzeit hat Thun das Spiel gut unter Kontrolle, wobei aber doch Wettswil-Bonstetten die leicht besseren Torchancen hat. Wir Thunfans zĂ€hlen bzw. singen die Minuten dennoch einigermassen relaxt herunter. Das grösste Gefahrenpotenzial geht ohnehin von unserer provisorischen HolztribĂŒne aus, die unserem HerumgehĂŒpfe mehr schlecht als recht standhĂ€lt. Und daneben wird nicht etwa gerĂ€tselt, ob der stark spielende Ruberto im Thuner Tor dicht hĂ€lt, sondern, ob es Petrus ihm im Himmel gleichtut. In der Schlussviertelstunde tröpfelt es zwar immer wieder, doch wirklicher Regen setzt nicht ein. Ein weiterer Höhepunkt dieses Ausflugs ins SĂ€uliamt.
Schliesslich ist das Spiel aus und vorbei und Thun im Cupviertelfinale. Anlass genug, um mit Wurst und GetrĂ€nk darauf anzustossen. DafĂŒr braucht es aber einigen Einsatz meinerseits. Bis ich eine Bratwurst zu meinem Wunschpreis von 2 Franken bekomme, muss ich ĂŒber zehn Minuten lang diskutieren und erst den Ruf "Alle Carfahrer bitte vors Stadion" abwarten - obwohl einerseits ich nicht mit dem Car angereist bin und andererseits die zwei Cars auch eine Viertelstunde nach Abpfiff sicher irgendwo im SĂ€uliamt sind, nur bloss nicht vor dem Stadion. Und um das Ganze noch mit einem Kafi Lutz nachzuspĂŒlen, muss ich mich erst noch inkognito in den Heimsektor schleichen. Ich hoffe ja mal, dass es kein schlechtes Fussballomen fĂŒr Thun ist, dass ich dort ausgerechnet von einer HollĂ€nderin (Lebensmotto: "Eine Cervelat ist besser ohne Brot, da spĂŒrt man den Fleischgeschmack besser") bedient werde. Aber grundsĂ€tzlich kann man sagen: So wenig Licht es hier auch hat, Wettswil-Bonstetten ist eine Fussballstadt. Wie heisst es doch in einem SMS, das ich wĂ€hrend dem Kafi-Lutz-Umtrunk erhalte: "Schlimm, dass tapfer spielende ZĂŒrcher Amateure das bessere Ergebnis erzielen als hochbezahlte ZĂŒrcher Profis."