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Thun - FCZ 5:1
18.10.2015Super League 2015/2016


Spassfussball? Und das erst noch direkt vor meiner Haustüre und nicht beim Anschauen eines verwackelten Schade-Holland-Livestreams? Wenn ich das noch wüsste, wann ich das letzte Mal 90 Minuten lang Spass an einem Fussballspiel hatte. Am Ehesten war dies noch beim Cupspiel Münsingen gegen Sion der Fall. Münsingen ist jenes 1. Liga-Team, das derzeit auf dem Fussballplatz als verschworene Einheit so viel Angst und Schrecken verbreitet, dass die Gelb-Schwarzen aus Bern an diesem Wochenende in einem Panikanfall Wölfli fürs Spiel der U21 gegen den FCM abkommandiert haben. In Bern hat man diese Saison wohl keine höheren Fussballziele als Siege gegen Kantonsrivalen – egal in welcher Liga. Nun, das Spiel damals in Münsingen hat wirklich Spass gemacht. Und dass obwohl Münsingen verlor und dass obwohl während dem ganzen Fussballfest keine Musik gespielt wurde – es war halt Buss- und Betttag.
Wahrscheinlich wünschten sich heute auch die Anwohner rund um die Arena, dass heute irgend so ein Kirchenfeiertag im Kalender würde. Denn beim Stadion hat ein DJ das Gefühl, nicht nur den Vorplatz, sondern die ganze Umgebung mit viel Technolärm eindecken zu müssen. Oder ist dies etwa eine ohrenbetäubende Protestaktion für jene sechs Arena-Angestellten, welche diese Woche entlassen worden sind?
Laut ist es wenig später auch im Stadion. Doch als der Lärmpegel nach rund einer Viertelstunde Spielzeit im Thuner Block steigt, hat dies nichts mit einer Protestaktion zu tun und schon gar nichts mit Spassfussball. Wir fluchen schlichtweg mal wieder darüber, wie leichtfertig die Thuner einen Gegentreffer kassiert haben. Bei einer Flanke von Bua in den Thuner Strafraum steht nicht nur Goalie Ruberto im Stockhorn-Schilf (Nein, Faivre muss nicht U21 spielen, sondern eine Gehirnerschütterung auskurieren…), sondern so ziemlich alle Verteidiger. Was dazu führt, dass sich sowohl Chermiti, als auch Sadiku einschussbereit vor dem leeren Tor positionieren können. Aus Stürmersicht ist dies eine kinderleichte Situation, bei dem wohl jeder von uns den Ball mit Erfolg über die Linie schieben würde. Auch Wale. Doch weil Wale halt nun mal nicht im Strafraum steht, schiesst an seiner Stelle Chermiti das 0:1. Und wir fluchen alle laut. Während die FCZ-Fans dem Fussballgott huldigen und blauen Rauch zünden, lasse ich mich gar zur Aussage bewegen, dass dieses Spiel schlecht sei. Sehr schlecht sogar. «Thun-FCZ ist ja noch die schlechtere Partie als Vaduz-Thun!» Dazu muss man wissen, dass es vor diesem Tor keine einzige nennenswerte Offensivaktion gegeben hat. Und zwar von beiden Teams nicht.
Ja gewinnen denn die Thuner überhaupt kein Duell im Mittelfeld mehr? Und stehen eigentlich keine Stürmer auf dem Platz? Und prompt erhalte ich eine Nachhilfhalbestunde in Sachen Fussballeffizienz – und eigentlich sogar in Sachen Spassfussball. Erst schlägt in der 25. Minute Joss eine Flanke vors Zürcher Tor, wo Buess den Ball zum 1:1 einköpfelt. Und dann tritt in der 31. Minute Zarate einen Freistoss vom Mittelfeld aus weit nach vorne. Dort müht sich erst Sulmoni
mit dem Ball ab, ehe Buess übernimmt und den Ball tatsächlich schon wieder über die Linie schlägt. 2:1!
Diese schnelle Wende ist zu viel für das Nervenkostüm vom Chermiti. Der schlägt bei einem Zürcher(!) Angriff doch tatsächlich Hediger mit der Faust ins Gesicht. Nun muss man zu Chermitis Verteidigung sagen, dass Schiedsrichter Amhof zuvor Zürcher Gehässigkeiten und Hässlichkeiten nie mit einer Karte geahndet hat. Doch diese Aktion kann selbst der nachsichtigste (oder kurzsichtigste) Schiri durchgehen lassen. Amhof zeigt Chermiti die Rote Karte, der FCZ ist ab der 37. Minute ein Mann weniger.
Wenn Thun mehr als eine Halbzeit in Überzahl spielen kann, sollte doch eigentlich nichts mehr schiefgehen. Doch da gibt es auch noch ungute Erinnerungen an die beiden Spiele gegen Prag und gegen YB, als Thun in Überzahl sehr wohl als Verlierer vom Platz ging. Doch heute steht zu unserem Glück (und zu unserer Überraschung!) ein Buess in Topform auf dem Platz. Da wird sogar aus einem der typisch thunerisch schlecht getretenen Eckbällen eine Torchance. Jener Eckball in der 45. Minute landet weit weg vom Tor bei Schirinzi, der Buess im Strafraum entdeckt und ihm den Ball zuspielt. Und der schiesst doch tatsächlich sein drittes Tor am heutigen Nachmittag! Sein 3:1 ist gleichbedeutend mit einem lupenreinen Hattrick. Wahnsinn! Und so diskutieren die Statistiker in der Thuner Kurve in der Pause nicht etwa über den Tabellenrang der Thuner, sondern fragen sich, wann eigentlich das letzte Mal ein Thunspieler einen Hattrick erzielt hat. Das Durchlesen der thunfans.ch-Spielberichte bringt schliesslich die Lösung: Für den letzten Thuner Hattrick war David Blumer besorgt – vor über sieben Jahr am 14. September 2008 im Lachenstadion gegen den FC St. Gallen. Mit seinem 2:2, 3:2 und 4:2 kehrte der FC Thun damals auch erfolgreich eine Partie – notabene in der Challenge League.
Die zweite Halbzeit wird dann endgültig zum Thuner Schaulaufen. Auch weil die Zürcher eine «in allen Belangen ungenügenden Leistung» zeigen. Wobei das nicht etwa eine Provokation aus Thun Richtung Zürich ist, sondern ein Tweet auf dem offiziellen(!) Twitter-Account des FC Zürich. Das erwartete bzw. befürchtete Zürcher Aufbäumlen bleibt nämlich aus, Torchancen hat nur der FC Thun. So zaubern in der 65. Minute Rapp, Zarate und Buess im Zürcher Strafraum. Es fehlt wenig zum vierten Buess-Treffer, doch dieses Mal will der Ball nicht rein. Es ist die letzte Aktion unserer Nummer 9, der direkt danach unter lautem Applaus (plus Partygesängen aus dem Block Süd) ausgewechselt wird. Er wird durch Munsy ersetzt.
Auch der FCZ wechselt. Kukeli ersetzt Cabral. Und selbst bei diesem Wechsel-Duell schneiden die Zürcher klar schlechter ab. Denn Kukeli steht keine drei Minuten auf dem Platz, als er Rapp penaltywürdig foult. Da Frontino zum Glück noch nicht auf dem Platz steht, schnappt sich Schirinzi den Ball. Er entscheidet das Penaltyduell gegen Brecher völlig cool für sich. 4:1. Und dann beweist auch noch Munsy sein Können. Kurz vor Schluss fühlt er sich immer noch fit genug, um mit Hediger(!) Doppelpass zu spielen. Munsy auf Hediger, Hediger auf Munsy und Munsy ins Tor. 5:1! Wobei die Statistiker in der Thuner Kurve besonders laut jubeln können. Denn für Diskussion ist damit auch nach Spielschluss gesorgt: Wann hat Thun eigentlich letztmals so hoch gewonnen? Und wann hat Thun eigentlich das letzte Mal solchen Spassfussball gezeigt?