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Thun - Sion 0:2
30.08.2015Super League 2015/2016


Der Sommer war lang und anstrengend. Viermal musste ich mir eine neue Zahnbürste kaufen, zweimal Zahnseide, einmal gabs nur die ungewachste.
(Hazel Brugger, «Nach dem Sommer», erschienen in «Das Magazin» vom 29. August 2015)

Wenn Pedro Lenz die YB-Legende unter den Poeten ist, dann ist Hazel Brugger die Thunern schlechthin der Poetry-Slam-Szene. Oder kann man den Sommer 2015 aus Thuner Sicht besser auf den Punkt bringen, als es die Slampoetin an diesem Wochenende im Tag-Magi schafft. Ja, aus Thuner Sicht war der Sommer lang, anstrengend und voller Zahnbürsten. Und irgendwie vermissten wir die Punkte. Von daher sind die Wenigstens von uns überrascht, dass wir heute gegen Sion einmal mehr gleich dreifach ins Schwitzen kommen: Erstens, weil es mal wieder eine verdammte Hitze ist. Zweitens, weil wir diesen verdammt ungerechten Fussballgott mal wieder mit einem grossformatigen Choreo zu besänftigen versuchen. Vor allem das Aufblasen der Ballone ist nach OHA und Oberlangenegg besonders anstrengend. Und drittens, weil der Gegner auch heute verdammt noch mal stärker ist als die Thuner.
Was beneiden wir Sion um Carlitos und Konate, die ständig für Aufregung sorgen. Und bei den beiden ist nicht nur Torgefahr garantiert, sondern auch immer mal wieder ein herzhaftes Techtelmechtel mit den Thuner Gegenspielern. Mal wollen sie den Thunern das Trikot vom Leib reissen, mal legen sie sich vielsagend vor den Thunern auf den Boden und wälzen sich auf dem Arena-Grün hin und her. Besonders nah kommen sich Konate und Hediger, die sich einiges mitzuteilen haben – mit Händen, Füssen und Worten. Dass Hediger für sein hartes Spiel nur gelb, aber nicht rot sieht, liegt sicher auch an den theatralischen Darbietungen von Konate. Um Carlitos kümmern sich derweil gleich mehrere Thuner. Mal ist es Bigler, mal Frontino oder dann sogar Zarate, welche Carlitos stoppen können. Heiss ist vor allem die Aktion von Zarate in der 15. Minute, der Carlitos knapp nur vor der Stafraumgrenze zu Fall bringen kann. Doch der anschliessende Freistoss von Carlitos landet zum Glück in der Mauer.
Es sind Szenen, wie diese, die uns auf mindestens einen Punkt hoffen lassen. Die Thuner gehen überall hin, wo es weh tut, und geben sich selbst in Zweikämpfen gegen Konate und Carlitos nicht geschlagen. Und die Walliser gehen mit all den Freistössen und sonstigen Standardmöglichkeiten ziemlich fahrlässig um. Und kommt dann doch mal nach einem Freistoss oder Eckball ein Ball aufs Thuner Tor, wehrt ihn Faivre gekonnt ab. Er zeigt heute ein gutes Spiel mit einigen sehenswerten Paraden.
Zweimal treffen die Walliser aber trotz aller Gegenwehr. Beide Treffer sind schön herausgespielt. Und beide Treffer haben die gleiche Handschrift. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit spielt Konate den Ball zu Carlitos, der von der Strafraumgrenze aus zum 0:1 einschiesst – direkt unter die Latte. Und in der 52. Minute spielt Carlitos in den Ball in den Strafraum hinein zu Konate, der zum 0:2 einschiesst. Unglaublich cool, diese beiden Typen. Und doch ernten sie vom Grossteil der 5500 Zuschauer, die doch wegen Thun in der Arena schwitzen, Buhrufe statt Applaus. Im Abstiegskampf bleibt keine Zeit für Freude an gutem Fussball. Wir brauchen Punkte, einfach Punkte!
Emotionen löst auch noch Päscu vom FC Grosshöchstetten aus. Der outet sich in seinem Pauseninterview als Liebhaber des schlechten Fussballgeschmacks, der sich abwechselnd mit seiner Familie Spiele in Thun und in Bern(!) anschaut. Und dann gleich selber anmerkt, dass es beiden Teams besser laufen könnte. Hmmm, sich auf dem Arena-Grün YB-Erfolge wünschen? Da würde der geneigte 1898er-Schreiberling von «Fremdschämen au lait» sprechen. Und damit Päscu auch genau weiss, in welchem Stadion er heute eigentlich mitleidet, stimmen für ihn ein paar Young Boys-Family-Gesänge an. Für Päscu wie auch alle anderen Fussballinteressierten im Stadion gilt aber: Nach der Natipause werden wir längst nicht mehr so schwitzen müssen. Nein, die Berner Fussballteams werden höchstwahrscheinlich nicht plötzlich gut spielen. Aber es wird zumindest keine 30 Grad heiss mehr sein. Und das ist doch auch schon was.

Ich freue mich auf den Winter, er soll lang und kalt werden. Winter is coming, ich hoffe, die Welt geht nicht unter. (Hazel Brugger, «Nach dem Sommer», erschienen in «Das Magazin» vom 29. August 2015)