Thunfans » Spielberichte » Europa League 2015/2016 » Thun - Sparta Prag
Thun - Sparta Prag 3:3
27.08.2015Europa League 2015/2016


Heute kommts zum grossen Showdown bei der Mission «Gebt ordentlich Gas und Senf und bringt Mattäng nach St. Gallen». Andere mögen vom grossen Europacup-Finale in Basel träumen, ich wäre schon froh, wenn es nicht zur Terminkollision zwischen einem Geschäftsanlass und der Partie St.Gallen-Thun kommt. Alles was es heute Abend noch dazu bleibt, sind zwei Thuner Tore. Ich habe ja ohnehin gleich drei Thuner Tore vorausgesagt. Nichts leichter als das. Nur müsste Thun halt gleichzeitig auch zu Null spielen. Ein erster Schritt dazu wäre es, den Doppelschützen vom Hinspiel, Dockal, endlich in den Griff zu kriegen. Heute machen sich in der Thuner Abwehr nebst Faivre Bigler, Sulmoni, Schindelholz und Wittwer an diese Aufgabe. Und wie soll man es mit nettem Prager Charme bloss ausdrücken: Blbec! Debil! Dement! Trotl! Ty vole! Kurzum: Es dauert nicht mal 10 Minuten, bis Dockal bereits wieder zum Torerfolg kommt. Sein 0:1 gleicht zwar mehr einer Flanke als einem gewollten Torschuss, doch gilt allein das Ergebnis. Und das ist schon jetzt gleichbedeutend mit dem Thuner Ausscheiden und dem Scheitern der Mission «Gebt ordentlich Gas und Senf und bringt Mattäng nach St. Gallen». Zatracenej! Und es kommt noch schlimmer: In der 21. Minute erhält die Thuner Abwehr «Unterstützung» durch Rojas. Wobei das mit «Unterstützung» so eine Sache ist. Mit diversen Patzern schafft es Rojas heute, die wohl schlechteste persönliche Halbzeit sämtlicher Thunspieler überhaupt in dieser Saison zu spielen. Und das will diese Saison etwas heissen. Oder wie sich der neutrale Sportal-Schreiberling im Liveticker ausdrückt: « Wieder lässt sich der unterirdisch agierende Rojas im eigenen Strafraum an der Grundlinie den eigentlich sicher abgedeckten Ball vom am Boden liegenden Steinhöfer noch wegspitzeln» . Die Folge: «David Lafata mit dem Haken und dem satten Schuss unter die Latte aus 14 Metern.» Und schon steht es 0:2. Thun müsste jetzt fünf Tore schiessen!
Auf was für einen Abend müssen wir uns bloss gefasst machen? Im 1898er-Forum orakelt YB-Mike bereits, dass ein Unentschieden des FC Basel nicht die einzige fussballerische Freude für die YB-Fans in der aktuellen Woche bleiben wird: «Es kommt sogar noch besser, Thun kriegt auch ein Debaku». Ja meine Güte, will Thun hier wirklich eine zweitklassige YB-Parodie ablegen? Dabei fehlt es doch wirklich nicht am Support im Stadion. Nebst 150 Sparta-Fans fiebern auch rund 6000 Thuner im Stadion mit, die Zuschauerzahl liegt nur knapp unter jener beim YB-Debaku von vergangener Woche. Und bei uns wird nicht gepfiffen, sondern lauthals gesungen. Oder zumindest laut mitgeklatscht, wenn man die Lieder nicht kennt. Ich begegne heute nämlich Thunern, die seit Jahren nicht mehr an einem Match waren. Und für alle schien klar, dass dieses grosse Thuner Auftrumpfen mit zwei oder drei Thuner Toren möglich ist. Wie damals gegen Malmö. Wie damals gegen Belgrad. Nur eben: Mit dem 0:2 in der 21. Minute ist dieser Oberländische Optimismus bereits wieder verflogen. Mittlerweile wären wir schon froh, wenn Thun überhaupt mal aufs gegnerische Tor schiessen würde.
Nach einer halben Stunde ist es endlich soweit, Thun traut sich anzugreifen. Die ersten Versuche von Ferreira und Zino sind noch zaghaft, doch bereits in der 33. Minute lanciert Frontino Ferreira mit einem wunderschönen Querpass. Der lässt sich nicht zweimal bitten und schiesst zum 1:2 ein – aus fast 20 Metern Distanz! Auch ein zweites Duo versucht sein Glück: Rojas und Rapp. Bei der vielleicht einzigen guten Aktion von Rojas trennt sich dieser tatsächlich mal im Prager Strafraum freiwillig von Ball und schiebt ihn zum gut positionierten Rapp, der am bereits geschlagenen Goalie vorbei nur noch ins leere Tor treffen müsste. Rapp schiesst – und sieht, wie sich Verteidiger Costa in den Ball wirft. Es bleibt beim 1:2.
In der Pause versuchen wir die Patzer der Gegenwart auszublenden und führen eine kleine Feier zu «10 Jahre Stade de Suisse» durch. Wenn schon die Stadtberner beim Feiern dieses Jubiläums im Stadion und in Extrazeitungen jeweils die ganze Thuner Champions League-Ära im Stade de Suisse verschweigen, zeigen wir die Highlights von damals halt bei uns im Stadion. Umrahmt werden die schönen filmischen Erinnerungen von prominentem Besuch. Gerber, Lustrinelli, Hodzic, Aegerter sowie Trainerlegende Longo Schönenberger (Lebt der eigentlich immer noch von den Champions League-Millionen oder hat er seit Frühjahr 2006 doch wieder mal gearbeitet?) marschieren in der Arena auf. Sie werden ausführlich interviewt. Doch man merke: Livebilder von ihnen gibt’s nicht auf den Stadionbildschirmen zu sehen. Eine solche grossen Bühnenshows ist natürlich wirklichen Thuner Fussballgrössen wie Carlo und Mattäng vorbehalten. Fanarbeiter Dave würde da vielleicht sein Veto einlegen und doch noch den Grossleinwand-Knopf drücken. Doch der ist ganz damit beschäftigt, die Fans von den Treppenstufen zu vertreiben. Angeblich eine Uefa-Vorschrift, die bei Nicht-Beachtung ganz hohe Bussen auslöst. Deshalb verrate ich hier besser nicht, wie erfolgreich Dave als Wegweiser den Weg abgeschnitten hat.
Direkt nach der Pause kommt Schirinzi für Frontino und – weit wichtiger – Munsy für Rojas ins Spiel. Ich philosophiere mit Fanclublegende noch, dass Munsys Kraft gerade mal für zehn Minuten reichen werde und seine Einwechslung dementsprechend früh kommt, als er sich tatsächlich bereits goldrichtig in den Strafraum schiebt. Rapp bringt den Ball zu ihm, worauf Munsy an Costa vorbei zum 2:2 trifft. Costa, die Nummer 26 von Prag, erleidet während des Ballzappelns im Netz eine Art mythische Erscheinung. Jedenfalls fällt er fortan nicht mehr durch spielerische Glanztaten, sondern durch mehr oder weniger gut versteckte Fouls auf. Wobei der französische Schiedsrichter Ruddy Buquet zum Glück der Prager ohnehin kurzsichtig ist. Die Meinungen darüber, ob er während der Angriffswelle der Thuner in der zweiten Halbzeit auf Elfmeter entscheiden sollte, gehen nur aus einem Grund auseinander: Prager Fans würden Thun einen Penalty (bei einem Foul kurz vor Schluss an Munsy) zugestehen, neutrale Fans zwei Penaltys und Thuner Fussballexperten würden natürlich gleich viermal auf den Penaltypunkt zeigen – wenn sie denn nicht mit dem Wedeln von Banknoten beschäftigt wären. Ruddy Buquet aber pfeift kein einziges Mal.
So müsste Thun aus eigener Kraft zum dritten Treffer kommen. Und tatsächlich würde sich in der 56. Minute Munsy im Fünfmeterraum eine Topchance bieten. Aber eben, da hat er bereits seinen 10-Minuten-Zentih überschritten und kommt einen Schritt zu spät. Die Prager sind da weit effektiver: In der 71. Minute verschuldet Bigler einen Freistoss. Den Ball setzt sich (natürlich!) Dockal, der ihn (selbsverständlich!) wunderschön in den Strafraum bringt, wo ausgerechnet Costa zum 2:3 einschiesst. Thun liegt wieder zurück. Und das ausgerechnet wegen diesem Sparta-Spieler. Es fühlt sich wie die Höchststrafe des Fussballgottes an.
Doch Thun gibt nicht auf, zumindest das Unentschieden muss noch zu holen sein. In der 81. Minute schaffen sie es, den Sparta-Strafraum endlich mal zu belagern. Erst schiesst Zarate, doch der Ball wird abgewehrt. Dann schiesst Rapp, doch es gibt erneut einen Abpraller. Schliesslich versucht noch Ferreira sein Glück. Und der trifft tatsächlich. 3:3! Und bei der Torschützenbekanntgabe schreit das ganze Stadion: «FC Thun: Drü! Sparta Prag: Null!» Wir verstehen uns als Playoffsieger der Herzen. Soll Mattäng seine Zahnbürstli doch behalten. Ende gut, alles gut.
Ende gut, alles gut? In der Schlussphase rächt es sich noch, dass Monsieur Ruddy Buquet als Schiedsrichter das Spiel überhaupt nicht im Griff gehabt hat. Obwohl sie in der Gesamtrechnung mit drei(!) Tore in Führung liegen, setzen die Sparta-Spieler ihre überharte Spielweise fort. Was schliesslich in einer Brutalo-Aktion von Breznanik gegen Ferreira gipfelt. Beide bleiben in der 83. Minute am Boden liegen. Beide müssen raus. Doch nur Ferreira aus gesundheitlichen Gründen (er kann zum Glück das Spiel später wieder aufnehmen). Breznanik sieht die Rote Karte – auch von diesem schlechten Schiedsrichter!
Als nach 95 Minuten Schluss ist, gibt’s in der Arena doch noch ein lautes Pfeifkonzert à la YB. Aber nur, bis der Schiedsrichter vom Platz ist. Dann wird wieder fröhlich gesungen und dass bis noch lange nach Abpfiff. Die Mission «Gebt ordentlich Gas und Senf und bringt Mattäng nach St. Gallen» ist zwar gescheitert. Dafür waren wir aber in Jerusalem (und Tel Aviv), in Vaduz und Prag. Unsere Erinnerungen daran – und unsere Zahnbürstli von dort – kann uns niemand mehr nehmen.