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Thun - GC 3:5
19.07.2015Super League 2015/2016


«He! Hallo!» Eine hübsche Frau ruft mir in der S-Bahn zu, als ich bei der Einfahrt in den Bahnhof Münsingen meinen Reisekoffer Richtung Ausgang rolle. Sie deutet auf alle die Sachen, die ich in meinem Viererabteil zurückgelassen habe. Ich deute dagegen auf den Thun-Schal, den ich um den Schal gewickelt habe. «I chume wieder!» rufe ich zurück. Denn als sich die Türe der S-Bahn öffnet, übergebe ich nur den Koffer mit dem Jerusalem-Adressbändel einem freundlichen Helferchen und fahre dann weiter Richtung Thun. In so einer Europacupsaison ist die Matchdichte halt hoch.
Und so eine Europacupsaison ist auch teuer. Schliesslich muss ich am Fanstand noch einen Schal kaufen. Der schwarze 1898-Härzbluet-Schal ist ja wirklich gelungen. Doch ich will ihn dann nächsten Donnerstag gegen einen Be’er Scheva-Schal eintauschen. Ich hoffe bloss, der willige Abnehmer oder die willige Abnehmerin darf dann mit einem solch blutrünstig getexteten Schal auch wirklich in Israel einreisen.
Besucher aus Israel haben wir aber bereits heute im Stadion. So ein starker Gegner wie Thun, der auf dem heimischen Kunstrasen kaum je bezwungen wird, muss schliesslich vorab beobachtet werden. Nur ist dieses vermeintliche «excellent team» (Zitat in der «Jerusalem Post») heute in der Stockhorn Arena nicht wieder zu erkennen. Thun präsentiert sich heute vielmehr als «Hühnerhaufen» (Zitat in der Fankurve). Und das kommt so: 0:1 Caio in der 2. Minute. 0:2 Ravet in der 8. Minute. Im Mittelfeld ist Thun wie bereits in Israel inexistent. Und einmal unter vier Augen von Münsinger zu Münsinger: Bürki, von dir muss einfach mehr Leistung kommen. Notfalls frage ich mal Feuz Küre, ob er mit dir mal ebenso unter vier Augen ein Straftraining auf Sandreutenen durchführen kann. P.S. Ohrenstöpsel nicht vergessen.
Anders als das Mittelfeld bereitet uns immerhin der Sturm ein wenig Freude. Das Wohlener Duo Buess/Rapp harmoniert gut. Und ist nach einer Viertelstunde bereits erfolgreich. Simone Rapp setzt sich auf der linken Seite gegen Gülen durch und spielt den Ball in die Mitte, wo Roman Buess zum 1:2 einschieben kann. Hier liegt doch noch was drin.
Doch die Thuner Freude währt nicht lange, packen doch die GC-Spieler jetzt auch noch ihr Repertoire an guten Standardsituationen aus: In der 30. Minute tritt Ravet einen Eckball, der von Basic zum 1:3 verwertet wird. Und in der 39.Minute landet Källströms wuchtiger Freistoss zwar nicht im Netz, aber am Oberarm von Frontino. Macht euch dieses GC etwa so Angst, dass ihr euch so tollpatschig vor den Bällen schützen wollt? Schiedsrichter Amhof entscheidet natürlich auf Penalty. Und wie könnte es an einem solchen Tag anders sein: Dabbur entscheidet das Elfmeterduell gegen Faivre natürlich für sich. 1:4. Und als dann in der 45. Minute Tarashaj so lange im Thuner Strafraum herumtänzelt, bis er spielend einfach zum 1:5 einschiessen kann, ist ein neuer Rekordwert an Auswärtstoren in der Arena erreicht.
Manch einer wünscht sich nach dieser ersten Halbzeit, er wäre wie die Herren Matrose und Ädu am Sandstand von Tel Aviv eingeschlafen – am besten gleich bis Sonntagnachmittag. Der Block Süd greift jetzt jedenfalls zur Geheimwaffe und stellt den organisierten Support in der zweiten Halbzeit ein. Diese Strategie der leisen Töne hat schliesslich schon im Teddy Stadion gefruchtet und das Thuner Team geweckt. Oder spüren bloss zu viele von uns noch ein Brummen wegen diesen heimtückischen israelischen Schnäpsen? Was wir aber wissen: Wann immer gegen GC ein Stimmungsboykott versucht wird, ist es umso lauter, weil dann die Thun-Tore im Multipack fallen. Es sind zwar nicht gerade fünf, wie kürzlich im Letzigrund. Am immerhin zwei. Besonders Munsys Aktion hat es in der 75. Minute in sich. Er setzt sich gegen zwei Hoppers durch, die natürlich typisch hopperisch auf dem Boden kleben bleiben, und hämmert dann den Ball aus 25 Metern unhaltbar ins Lattenkreuz. Der Dank des Publikums ist ihm sicher, während seinem halbstündigen Auftritt werden überhaupt mehr Munsy-Rufe als Thun-Rufe gezählt. Was schon fast wieder etwas unfair ist. Denn trotz Vier- bzw. späterem Drei-Tore-Rückstand zeigen die Thuner in der zweiten Halbzeit eine kämpferische Leistung. Um den Rückstand auf zwei Tore zu verkürzen, braucht es dann aber dennoch die gütige Mithilfe eines GC-Spielers. In der 87. Minute köpfelt Alexandre Barthe den Ball ins eigene Tor. Von dem brauchen wir unbedingt eine Autogrammkarte.
Ansonsten zeigt sich GC aber nicht von seiner netten Seite. Fünf Tore sind ja noch das eine. Aber die harte Spielweise auch während der klaren Führung ist das andere. Gleich fünf GC-Spieler sehen die Gelbe Karte. Unserem Empfinden nach dürften es fast doppelt so viele sein. Doch klar ist halt auch: der GC-Sieg ist auch in dieser Deutlichkeit absolut verdient.
Und so gibt es nach dem Spiel statt einer Welle mit der Mannschaft – wäre zwar bei dieser Hitze ganz angebracht – ein Spruchband, das sich nicht nur an Matros und Ädu richtet, sondern auch an die Spieler: «Ufwache! dFerie si verbi!»