Thunfans » Spielberichte » Super League 2014/2015 » Sion - Thun
Sion - Thun 3:0
22.03.2015Super League 2014/2015


Die Versuchung dauert etwa 1,898 Sekunden lang. Als meine Frau am Bahnhof Bern 2 der insgesamt 1898 Gratistickets fürs Spiel YB-FCZ entdeckt – neben dem Bahnhofkiosk, wie unkreativ bzw. faul ist das denn – überlege ich mir den Hauch einer YB-Meistersekunde lang, ob ich als Begleitung mit will. Und auch das nur, weil Sion-Osterhase Constantin an diesem Wochenende weitaus geiziger ist als sein YB-Pendant. Er gibt anders als im Herbst weder Raclette, noch Weisswein gratis aus. Oder wie es der FC Sion in einem Mail liebevoll mitteilt: «Guten Tag, Nicht mehr in die 2. Runde. Sportliche Grüsse. Fabien Gemmet». Und trotzdem: Da mich im Tourbillon besserer Fussball und besseres Wetter erwartet – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge – entscheide ich mich doch für eine Sonntagsfahrt ins Wallis. Zumal die Begleitung prominent ist und u.a. aus Fanclublegende und einer Flasche Jack Daniels besteht. Da stösst man doch gerne unterwegs ein paar Mal an, ungefähr jedes Mal, wenn wir ein neues Westschweizer Weinanbaugebiet entdecken. Und ja, wir reisen natürlich gemäss Phippu-Definitiv nid «gredi», sondern «ringsetum» an, also über Lausanne. Santé.
Vor dem Stadion genehmigen wir uns halt für 4 Franken pro Kopf ein Raclette, wobei uns Constantin über die Schulter schaut. Irgendwie gleicht er so von nah einem der römischen Zenturios aus dem neuen Asterix-Film. Gut möglich, dass auch in seinem 3D-Gesicht mit dem Pinsel nachgebessert worden ist. Der eigentliche Star heisst im Wallis aber diesen Frühling nicht Christian Constantin, sondern Moussa Konaté. Allein in den bisherigen fünf Spielen der Rückrunde hat der einmal gegen YB, zweimal gegen Vaduz und dreimal gegen St. Gallen getroffen. Er harmoniert bestens mit seinen Mitspielern, obwohl er erst seit September unter Vertrag steht. Also wenn sich Karlen und Munsy nach ein paar Monaten Vereinszugehörigkeit ähnlich gut entfaltet haben, werden wir uns in Thun sicher nicht beklagen. Und bei Rojas wären wir ja schon nur froh, wenn der nach der Sommerpause überhaupt noch das Thundress tragen würde. Heute aber bleiben alle drei Thuner Neuzugänge blass: Rojas spielt durch, während Karlen in der 67. Minute durch Munsy ersetzt wird. Zu jenem Zeitpunkt ist die beste Thuner Szene bereits Geschichte: Sadik versucht es in der 57. Minute nach einem Eckball mit einem Fallrückzieher, trifft bei seiner Showeinlage das Tor aber nicht. Meine Güte Sion, welche Abwehr lässt denn bei einer Standardsituation im eigenen Strafraum einen Fallrückzieher zu?
Nun ja, Thun zum Beispiel. In der 24. Minute, als Siegfried soeben Konaté an der Strafraumgrenze umgesäbelt hat und Thun schon froh sein muss, dass es nur einen Freistoss- statt einen Penaltypfiff gibt, läutet Carlitos mit seinem satten Freistossschuss das 1:0 ein. Faivre kann den Ball nur Richtung Konaté wegfausten, der umringt von drei Thuner Abwehrspielern geradewegs zum Fallrückzieher ansetzt. Und ja, anders als später Sadik trifft Konaté natürlich.
Wer weiss, wie stark Sion diesen Frühling spielt, stellt sich schon gar nicht die Frage, wie hoch Sion das Spiel jetzt gewinnen wird, sondern nur, wie manches Tor wohl Konaté mal wieder zum Sion-Sieg beitragen wird. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis Konaté wieder jubelt: 38 Minuten sind gespielt, als Konaté von Follonier lanciert wird und den Ball an Faivre vorbei ins Tor zirkelt. 2:0. Und die Konaté-Show ist noch nicht vorbei. Nach gut einer Stunde erhält er erneut einen Ball von Follonier und verblüfft mit einem Schuss aus der Drehung Abwehrspieler wie Zuschauer. Zumindest dieses Kunststück endet aber ohne Happyend, der Ball fliegt knapp am Tor vorbei. Dass Konaté somit nur zwei weitere Tore auf dem Konto hat, als er in der 81. Minute ausgewechselt wird, nimmt ihm kein Fan übel. Konaté bekommt eine Standing Ovation.
War sonst noch was im heutigen Spiel? Die Thunfans melden sich mit einem Spruchband zu Wort, Reto Ziegler erzielt in der 73. Minute das 3:0 und Michael Siegfried schnappt sich in der 74. Minuten erst einen Sion-Spieler und dann Gelb-Rot. In Unterzahl sieht Thun in der Schlussphase gegen das stärkste Team der Rückrunde zwar auch nicht schlechter aus als im bisherigen Spiel, kann aber keinen Torerfolg mehr verbuchen. Was einen Fan in der Kurve zu einem «Wir sind Thuner, was seid ihr!» und einem Beratungsgespräch mit einem Psychologen («manchmal wenn ich rot sehe, sehe ich gelb-schwarz») hinreissen lässt. Ob er wohl deshalb ein paar Stunden später weniger «Friends» auf Facebook haben wird.
Mal von der 0:3-Niederlage abgesehen, ist es aber eine Runde für Thun. Und nein, das ist jetzt keine Anspielung darauf, dass sich schon wieder ein NLA-Spieler gegen Steffen zu einem rotwürdigen Rencontre hat hinreissen lassen. Ich spreche nur von den Resultaten des Fünft- und des Drittplatzierten. Und die mussten heute nicht mal gegen Konaté antreten, sondern nur gegen Vaduz bzw. den YB-Osterhasen.