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Thun - YB 0:1
23.11.2014Super League 2014/2015


Weltmeister! Die Schweiz ist Weltmeister! Zwar «nur» im Tennis. Aber einen Platz 1 für unser Land bejuble ich natürlich in jeder Sportart. Ich bin schliesslich ein vorbildlicher Schweizer, pardon Eidgenosse. Den EU-Pass beantrage ich erst, wenn das Schweizer Stimmvolk am nächsten Sonntag die Ecopopinitiative durchwinkt. Und so hüpfe ich heute auf dem Mühliplatz in Thun auf und ab und schwenke dabei meine Schweizer Nationalflagge. Mit dieser Fahne war ich schon in Kiew und durfte damit rein ins Stadion. Mit dieser Fahne war ich schon in Albanien und durfte damit rein ins Stadion. Mit dieser Fahne war ich schon in Belgrad und durfte damit rein ins Stadion. Mit dieser Fahne war ich schon im Wallis und durfte damit rein ins Stadion. Nur heute in Thun muss ich vor dem Stadion bleiben, wenn ich mich zu meinem Land bekennen will. Der Thuner Polizeichef Siegenthaler will es so. Siegenthaler hat heute eine Kollektivstrafe verhängt, weil beim letzten Heimspiel zum ersten Mal überhaupt seit der Stadioneröffnung im Juli 2011 eine Knallpetarde gezündet worden ist im Thunsektor. Klar, dass man da als Politiker reagieren und das Hooligankonkordat möglichst krass anwenden muss. Erst recht, wenn sieben Tage später die Stadt Thun nicht nur Ja sagen soll zu Ecopop (noch so ein Wutbürgeranliegen), sondern auch Ja sagen soll zu einem SP-Politiker, der als Dirty Harry des Berner Oberlands Karriere machen will. Doch Siegenthaler ist natürlich auch fair. Er verbietet zwar im Heimsektor alle Zaunfahnen, Transparente und Spruchbänder, womit den Thunfans offiziell verboten ist, sich vom Knallpetarden-Deppen zu distanzieren, erlaubt aber als linker Menschenfreund zugleich den YB-Fans, sämtliche Fanutensilien mit ins Stadion zu nehmen. Explizit also auch Zaunfahnen, Transparente und Spruchbänder. Die Reaktion des Blocks Süd: Spielboykott! Die Reaktion der Thunfans: Wir gehen ans Spiel, als ob nichts wäre. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ist doch dem Durchschnittsthuner egal. Und so muss ich schweren Herzens auf meinen zweiten Tele Bärn-Auftritt in dieser Woche verzichten. Was will ich auch vor der Kamera einen Boykott hochjubeln, dem keine 100 Thuner gefolgt sind. Die Heimkurve ist denn auch heute besser gefüllt als gegen andere Teams, die ähnlich schlecht in die Saison gestartet sind wie YB. Der Liveticker der Berner Zeitung bringt es auf den Punkt: «Der Boykottauf der Thuner Fans aufgrund der verschärften Sicherheitsmassnahmen scheint nicht zu greifen. Es sind viele Fans im Fansektor anzutreffen, wenn diese auch relativ leise sind.»
9516 Zuschauer sind schliesslich im Stadion. Allerdings nicht alle von Beginn an. Was weniger an der von den Behörden verordneten Schneckentempo-Eingangskontrolle liegt, sondern an einer Protestaktion der YB-Fans. Ihr Block bleibt nämlich während den ersten zehn Spielminuten leer. Einzig ein Spruchband-Gruss an Polizeichef Siegenthaler (in der YB-Fankurve ja selbstverständlich erlaubt) lässt vermuten, dass tatsächlich YB-Fans nach Thun gereist sind. Und wie sie nach Thun gereist sind: mit mächtig viel Proviant. Und so zünden sie nach ihrem Einmarsch ins Stadion gleich einmal ein Dutzend Pyros. Gemäss der Siegenthaler-(De)Eskalationsskala würde das doch bedeuten, dass die YB-Fans frühestens im Jahr 2021 wieder mit Fahnen ins Thuner Stadion kommen dürften. Aber zu ihrem Glück ist in Thun nicht jeden Monat Wahlkampf.
Der harte Kern der Thunfans bejubelt jede hartumkämpfte Szene. Streffen am Boden? Jubel. Steffen schon wieder am Boden? Noch ein Jubel. Dass YB aber mehr vom Spiel hat, bereitet uns im McArthurs Pub weniger Freude. Thun benötigt schon das Eingreifen von Schiri Studer, dass YB in der 10. Minute nicht in Führung geht. Nuzzolos Schuss ist zwar drin, aber angeblich soll Steffens Pass zuvor die Grundlinie überquert haben. Normalerweise könnte ich diese Szene ja vor Schreiben des Spielberichts noch auf meiner DVD-Aufnahme nachschauen. Aber es passt natürlich zum heutigen Tag, dass das Schweizer Fernsehen kurzfristig die Übertragung des Spiels von SRFinfo auf SRFzwei verschoben hat. So wartet daheim auf mich eine 3-Stunden DVD voller Cervelat-Promis und Cervelat-Gesundheitstipps. Wenigstens hier im Pub sehe ich das Spiel in der Teleclub-Übertragung, die doch… wegen einer Bildstörung weggeschaltet wird. Also dürfen auch wir hier unter dem SRFzwei-Besserwisser leiden. YB hier gut, YB da gut. So geht das 90 Minuten lang. Und überhaupt sollte YB mindestens einen Penalty erhalten. Wenn nicht gleich zwei.
Thun dagegen kommt kaum mal in den gegnerischen Strafraum und erst recht fast zu keinen Torchancen. Die 500 Minuten ohne Tor-Mauer wird locker durchbrochen. Einzig die Chancen auf den Punkt bleiben gewahrt und stehen auch in der Nachspielzeit noch gut. Doch da schiesst Horau in der 93. Minute tatsächlich noch das 0:1. Womit angestimmt werden muss. «Die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 in Bern ist… Siegenthaler.» Und nein, ich schwenke dabei meine Schweizer Flagge nicht.