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Aarau - Thun 2:1
13.09.2014Super League 2014/2015


Was für eine Begrüssung: Auf dem Brügglifeld trällert Beatrice Egli ein Willkommenslied. Doch die musikalische Einlage der Metzgersfrau dauert nur kurz. Schon erklingt über den Lautsprecher die Durchsage für die erste Auswechslung, die Durchsage für die Zuschauerzahl, die Durchsage für die Nachspielzeit. Hier in Aarau herrscht eine Grossstadthektik, wie man ihr sonst nur in Zürich oder Winterthur begegnen kann. Das Spiel ist von grosser Nervosität geprägt – und das 90 Minuten, bevor überhaupt der Anpfiff erfolgt. Die Hektik des Soundchecks überträgt sich aber so gar nicht auf die Arbeitseinstellung des Sicherheitspersonals. Das denkt um halb Sieben noch gar nicht daran, irgendwelche Gästefans ins Stadion zu lassen. Weil Fanclublegende und ich aber nicht eine halbe Stunde vor dem Gästesektor anstehen wollen, bevor wir endlich rein können, verabschieden wir uns Richtung Stadionbeiz. Dort ist es wieder schön urchig gemütlich, selbst vor dem Pissoir wird traditionell übers Jassen diskutiert. Die Jasseuphorie lässt vermuten, dass das FCA-Jassset (nur 5 Franken!) der Verkaufsschlager im Rüebliland ist. Die Getränke sind einigermassen günstig, sogar das Trinkgeld rundet die Serviertochter lachend ab. Oder versteht die gute Frau unser Berndeutsch wirklich so schlecht, dass sie 50 mit 15 Rappen verwechselt? Die Beizenidylle wird dann aber vom Kommentar eines verwunderten Neuankömmlings unterbrochen. Vor dem Gästesektor würden 100 Thuner in der Warteschlange stehen. Und das 40 Minuten vor Spielbeginn! Fussballeuphorie in bzw. aus Thun? Für Fanclublegende und mich das Signal zum Aufbruch. Und dann sehen wir mit eigenen Augen das Chaos vor der Gästesektor: 100 Thuner stehen an und es geht kaum voran. Die Sicherheitskontrollen sind so intensiv, wie man sie in einem Konkordatkanton erwarten muss. Und so erhält Fanclublegende seine erste Lektion in Früh-Konkordatisch: Fanclublegende und ich stehen tatsächlich eine halbe Stunde vor dem Gästesektor an, bevor wir endlich rein können.
Im Stadion stehen wir oldschool-mässig auf Naturrasen. Und oldschool-mässig fühlt sich auch das Spiel an. Ich habe mir ja diese Woche die Fussballübertragung schlechthin angetan: Am Donnerstagabend lief auf Rai Sport Due die Übertragung des WM-Finals 1982. Wer nun immer sagt, der Fussball sei in den letzten drei Jahrzehnten athletischer, schneller und fairer geworden, muss sich nur mal so eine Partie im Brüggifeld ansehen. Der Eindruck, dass es sich hier um eine Hauruck- und Haudrauf-Partie handelt, verstärkt sich durch die Tatsache, dass Schiri Erlachner bei den Zweikämpfen sehr viel laufen lässt. Man muss fast froh sein, missbrauchen die Thuner diese Freiheiten nicht für Frustfouls an unserem alten Bekannten Andrist. Der ist übrigens der beste Mann auf dem Platz. Aber die Thuner machen allgemein nicht viel fürs Spiel und sehen mehr oder weniger passiv zu, wie sich Aarau im Toreschiessen übt. Da die Aargauer Bemühungen nicht wirklich erfolgsversprechend sind, wende ich mich frühzeitig vom Spielgeschehen ab: „Ich verabschiede mich in die Pause“, sage ich in der 43. Minute zu Fanclublegende. Vom Stehpissoir aus – nur echt mit dem Lehmann-Gütesiegel – vernehme ich dann den „Final Countdown“. Dieses Mal handelt es sich nicht um einen Soundcheck. Der Speaker verkündet das 1:0 von Radice.
Doch auch Fanclublegende ist vor Fehlprognosen nicht gefeilt. Für einmal übernimmt er in der zweiten Halbzeit die Rolle des Finnen-Dissers und hinterfragt ausgiebig die Fussballerqualitäten von Sadik. Dann korrigiert sich aber Fanclublegende insofern, dass er gleich die ganze Thuner Elf als ungenügend einstuft. „Thun ist heute eine Klasse schlechter als Aarau“, gibt er zu Protokoll. Keine fünf Sekunden später erzielt Sadik mit dem ersten Thuner Torschuss das 1:1. 55 Minuten sind da gespielt. Kurz darauf hat Chrigu Schneuwly die Chance, das 1:2 per Kopf zu erzielen. Doch er scheitert an Goalie Mall. Damit hat es sich auch schon wieder mit den Thuner Offensivbemühungen. Und so dürfen wir uns eine weitere halbe Stunde ansehen, wie sich Aarau im Toreschiessen übt. Längst nicht bei jedem Aarauer Angriff ist Faivre unsere Rettung. In manchen Situationen ist es schier unerklärlich, wie der FCA den Ball nicht über die Linie bringt.
Ich wende mich mal wieder vom Spielgeschehen ab und kümmere mich um den Gesundheitszustand meines Hockeyteams. Die SMS mit den Zwischenresultaten verheissen wenig Gutes. 0:3, 0:4, 0:5, 0:6 liegt Gottéron in Davos zurück. Dann bleiben die SMS plötzlich aus. Aber auch nur, weil die Absenderin der SMS zwischenzeitlich weggedöst ist. In Wahrheit steht es schon 0:8. Besonders toreifrig sind dabei die Gebrüder Wieser. 1:0 Marc Wieser. 5:0 Marc Wieser. 7:0 Dino Wieser. Entsprechend bleich werde ich, als hier im Brügglifeld in der 75. Minute Aarau einen eigenen Wieser einwechselt: Sandro Wieser. „Es würde zu diesem Abend passen, wenn jetzt auch noch ein Wieser Thun abschiessen würde“, meine ich zu Fanclublegende. Und ausgerechnet dieser Spruch entpuppt sich als alles andere als eine Fehlprognose: In der 84. Minute erzielt Wieser das entscheidende 2:1.
Nach Abpfiff rätseln wir, ob der Speaker schon den nächsten Soundcheck durchführt – für das nächste Muki-Turnen oder das Hardöpfele (oder heisst das hier Rüebli-Ärnte) der FCA-Jassfreunde vielleicht. Denn über die Lautsprecher dröhnt nämlich einmal mehr die Hermes House Band mit „Sweet Carolina“. Schlechter Musikgeschmack? Ach was solls, da sind wir doch auch abseits des Schlagertempels immer mit dabei: „Oh oh oh…“