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Thun - Luzern 4-2
03.03.2002Auf-/Abstiegsrunde 2001/2002


Es gibt Spiele, die vergisst ein wahrer Fan nie. Ich spreche da nicht bitterböse 2-8-Niederlagen an, sondern Triumphe voller packender magischen Fussballminuten, wo man fernab gewohnter Fussballalltagskost wieder einmal merkt, weshalb man überhaupt Fussballfan ist. An Tagen wie diesen ist es überwältigender einen Ball im Netz zu sehen als eine wunderschöne Frau im eigenen Bett.
Iris kreischte heute wieder einmal durchs Megaphon (was für ein keineswegs zweideutiger Übergang). Während ihr Freund eher still den Beginn des Fussballspiels genoss, schrie seine Geliebte mal wieder in höchsten und nervensten Tönen. "Hopp Thun", "Häre Giele", "Ufpasse!" "Nääääää Nääääää". Da gefielen mir, rein von der Gesangstechnik natrülich nur, die Gesänge der recht zahlreichen Luzerner Fans schon viel besser. Einzig den obligatorischen "Ponte raus!"-Song aus ihren Reihen vermisste ich. Aber wahrscheinlich hat man als Fan einer so ausgebluteten Mannschaft wohl auch keine Wünsche nach einem guten Trainer mehr.
Jedenfalls sah man zu Beginn kaum, dass da ein bestandener NLA-Verein gegen ein Provinzteam aus dem Berner Oberland spielte. Chancen waren auf beiden Seiten gering, dabei aber ziemlich gleich verteilt. Da war es bald klar, dass Abwehrfehler über den Ort des ersten Tortes entscheiden würden. Und leider geschah der ersten groben Schnitzer des Spieltages in den Thuner Reihen, als die Verteidiger in der 22. Minute den Brasilianer Piu frei stehen liessen. Der bedankte sich mit einem passenden Schuss. 0-1.
Alltägliche Fussballkost im Lachenstadion war das was folgte. Ein Gastteam, das führte und kaum mehr was für das Spiel tat. Ein Heimteam, das beherzt spielte, aber kein Mittel gegen die gegnerische Verteidigung fand. Zuschauer, die bis auf den Fanclub keinen Mucks machten und das Spiel wohl irgendwie schon verloren glaubten. Minute um Minute verrann und schliesslich war Pause.
Tagesgespräch waren natürlich die beiden angekündigten Fan-Fahrten Richtung Neuenburg und Aarau. Umstritten war die Mindestanzahl von 20 Fans. "So viele kommen ja nur, wenn Thun heute gewinnt", lästerte Lydia. Ja genau, ein Thun-Sieg am heutigen Tage, wer glaubte da noch dran.
Die zweite Halbzeit begann mit einem weiteren Kreischschrei. Doch nicht Iris, nein ich terrorisierte für einmal mit einem überweiblichen "Hopp Thun"-Schrei. Gelächter natürlich und plötzlich Staunen, ein Thuner Chance, Raimondi am Ball, grosser Jubel, 1-1. Wow, einen solchen Blitzstart hatten die Thuner wohl auch noch nie gezeigt.
Das war der Beginn einer magischen Fussballhalbzeit und dies trotz eingedunkeltem Himmel. Die Thuner waren voll beflügelt, tänzelten nun regelrecht auf dem Platz. Der Ball klebte praktisch an den Thuner Füssen, die Luzerner wussten nicht nahezu ausnahmslos zur noch mit Fouls zu helfen. Wobei das gar keine so unüberlegte Taktik war, stand doch der unglückliche Schiri Etter eindeutig auf der Seite der Innerschweizer.
Doch wenn die Thuner den Ball behalten konnten, ja dann wurde es gefährlich. 58 Minuten waren gespielt, als Rama eine Schussmöglichkeit hatte. Diese nutzte er gegen den äusserst schwachen, dafür umso schöneren Luzern-Goalie prompt. 2-1! Thun führte tatsächlich!!!
Doch Luzern gab sich nicht auf. Was folgte war Horror-Terror für jedes Fanclubherz: Luzern vor dem Thuner Tor. Höchstgefahr. Ein satter Schuss - an die Latte! Der Ball prallt zurück, ein zweiter satter Schuss, doch Kobel hält! Wir Fans (und sicher auch die Mitspieler) waren ihm ja so dankbar.
Eine spielentscheidende Szene, fand doch Thun sobald wieder zum Sturmlauf zurück. Adrian Moser lief in der 70. Minute an, wirbelte und traf. 3-1. Grenzenloser Jubel. Die Entscheidung!
Nein! Denn kurz nach Wiederanspiel glückte den Luzerner Gian ein Sonntagsschuss aus unzähligen Metern. Neue Unruhe kam auf im Lachen.
Aber nicht für lange, denn Adrian Moser hatte noch nicht genug gewirbelt an diesem Tag. Gleich nach dem Ankick lief er in beste Position, samt Ball und...
Toooooooooooooooooooooooooooor. 4-2. Das musste es sein.
Was folgte waren leider viele Fouls. Besonders Raimondi musste leiden. Erst grabschte ihm ein Gegner im Gesicht, eine Tätlichkeit, die der schwache Etter natürlich nicht ahndete. Und dann traf hn ein Gegner in einem harten Zweikampf in den Rippen. Raimondi krümmte sich auf dem Boden vor Schmerzen. Doch das Spiel ging natürlich weiter, die Luzerner griffen unfairerweise weiter an. Erst die Thuner Verteidiger konnten den Ball stoppen und ins Aus bringen. Raimondi wurde auf der Barre hinausgetragen. Da warfen die Luzerner ein und gaben den Ball, Überraschung Überraschung, den Thunern nicht zurück. Wirklich eine absonderliche Unsportlichkeit.
So waren die letzten Spielminuten äussserst hitzig und das nicht nur, weil sich die Sonne noch zeigte. Raimondi schritt mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Stadion, die Thuner spielten die fünfminütige Nachspielzeit zu zehnt. Zweimal, dreimal schossen die Luzerner darauf noch gefährlich Richtung Kobel., bis ein Ball plötzlich missritt und sich die Luzerner Stürmer ratlos anschauten. Nun war klar, die Gäste hatten die Hoffnung auf irgendwelche Punkte aufgegeben. So war der Sieg so gut wie sicher und ich, wenn schon die Luzerner nicht dazu bereit waren, konnte vergnügt "Ponte raus!" singen. "Hie regiert der FC Thun". "Wir sind nicht YB, wir sind nicht Bayern, wir sind die Jungs die immer wieder feiern". Selbst Iris sang - mit ihrer unwiderstehlichen quietschigen Stimme - mit. Also die wird wohl auch nie heiser. Ihr Freund genoss im Stillen.
Warum auch nicht? Er musste schliesslich heute keine Wahl zwischen Ball im Netz und schöner Frau im Bett treffen.
Schlusspfiff. Dieses Spiel werde ich wirklich nie vergessen. Wobei ich auf einem Standpunkt beharre: Fussball ist einfacher als Liebe. Schade.

Matthias Engel