Thunfans » Spielberichte » Super League 2014/2015 » Thun - St. Gallen
Thun - St. Gallen 3:1
17.08.2014Super League 2014/2015


Vor dem Spiel lanciert Michael SIEGfried mit einer Kampfansage im Matchprogramm das Spiel. Nur böse Zungen behaupten, dass ihm - und Interviewgott Nik Thomi St. Gallens Triumph in Basel entgangen ist. In Wahrheit handelt es sich um grossartige psychologische Kriegsführung, eine solche Glanztat des Gegners zu ignorieren. Und so spricht SIEGfried weise, wenn auch falsche Worte: "In der Tabelle liegt Thun mit sieben Punkten knapp vor St. Gallen mit deren fünf, es wird also quasi ein Sechspunktespiel. Bis jetzt haben wir mit St. Gallen gute Erfahrungen gemacht. Und wir sind eine starke Heimmannschaft, deshalb wollen wir diese drei Punkte natürlich unbedingt in Thun behalten."
Noch cooler als SIEGfried auf dem Matchprogramm-Titelbild begrüsst auf einer Konkurrenzschrift ein aufgeweckter Thuner die Fans. Der coole Fan mit dem verkehrt herumgetragenen Kadetten-Tschäppu setzt nämlich dank Tschöppu erstmals nicht nur auf Stoff, sondern auch auf Papier Zeichen. Er ist Comic-Held des neuen Kurvenmagazins BLOCKSCHRIFT, das vor dem Spiel gratis an alle Fans abgegeben wird. Und noch bevor das erste BLOCKSCHRIFT-Wort geschrieben bzw. gelesen ist, ist schon klar, dass dieses alternative Matchprogramm NEIN ZUM MODERNEN FUSSBALL sagt. Tschöppus Tschäppu-Kadett schreibt seine BLOCKSCHRIFT nämlich nicht auf dem Tablet, sondern auf einer alten Schreibmaschine. Ja lieber Sportfreund und Fussballbegeisterter des FC Thun, so will es die BLOCKSCHRIFT-Legende bzw. das BLOCKSCHRIFT-Logo.
Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet an jenem Tag, an dem der Fan so viel Lesestoff wie nie zuvor in der Hand hat, ihm so gar keine Zeit für all das Papier bleibt. Auf dem Rasen entwickelt sich nämlich von Minute 1 an so eine engagierte Partie, dass man den Blick gar nicht mehr vom Spielgeschehen abwenden will. Thun startet mutig in die Partie, St. Gallen allerdings erweist sich als besser. Von hunderten mitgereisten FSCG-Fans nach vorne getrieben, machen die Ostschweizer auch uns Eindruck. Gleich gar so einfach wie beim 0:1 müssten sich die Thuner aber dennoch nicht gleich überlaufen lassen. Da Faivre für einmal auch nicht mit einer Parade retten kann, schiesst Roberto Rodriguez das Gästeteam in der 31. Minute Führung.
St. Gallen liegt verdient in Führung. St. Gallen liegt allerdings zur Pause bereits wieder in Rückstand - und das eher unverdient. Doch uns gefällt natürlich, wie selbstbewusst die Thuner auf das Gegentor reagieren und sich in den folgenden Minuten durch grösste Effizienz auszeichnen. Erst ist es SIEGfried höchstpersönlich, der in der 42. Minute bei einem Freistoss den Ball über die Linie köpfelt. Und in der 45. Minute beweist Thun auch gleich noch, dass keine statistisch erfasste Schwäche für die Ewigkeit bestimmt ist. Thun hat letzte Saison nur gerade zweimal einen Eckball verwertet? Was solls, diese Saison können wir im sechsten Saisonspiel bereits Eckballtreffer Nummer 2 bejubeln. Wobei sich Fanclublegende und Mattäng in dieser Szene wie die beiden alten Grantler der Muppet-Show verhalten. Sagt die Fanclublegende: "Super, dä Eggball git itz o no ine." Lästert der Mattäng: "Dä Eggball geit äbe nid ine, du kennsch ja Statistik..." Und da setzt Fanclublegende schon zu einem lauten Wiiihuuu-Torjubel an. Mattäng dagegen bestaunt das 2:1 mit offenem Mund.
In der Pause nimmt derweil das Mobbing gegen Leite seinen Lauf. Da versucht er sich doch si sehr ins Team zu integrieren und vergnügt sich mit ein paar Teamgenossen bei einem Pausenspielchen, als das Thuner Wasserspiel Leite ins Visier nimmt und ihn mit dem plötzlich einsetzenden Wasserstrahl so sehr als begossenen Pudel erscheinen lässt, wie es sonst nur Streller schafft.
Kurz darauf steht aber schon wieder Faivre im Mittelpunkt, startet doch St. Gallen mit einer Angriffswelle in die zweite Hälfte. Faivre und seine Verteidiger benötigen einiges Glück, um die Führung in den Händen zu halten. Ungefähr in Minute 50 übernimmt aber Thun das Spieldiktat und verblüfft uns fortan mit einer der besten Leistungen seit Jahren. Was für schöne Ballstaffetten, was für coole und gelungene Pässe nach vorne. Ja was für eine grandiose Teamleistung. Jeder überzeugt, aber besonders viel Ballzauber zeigt... Sadik! Wie er selbst in grösster Bedrängnis den Ball abspielen kann, ist schlicht grossartig. Wieso zeigt er dieses Talent nicht öfters? Und wie hoch wäre seine Leistung erst einzustufen, wenn er gar noch ein Tor schiessen würde?
Doch Thun hat zum Glück auch starke Ersatzleute. Und im Falle von Gianluca Frontino sind die sogar treffsicher. Wobei er in der 79. Minute neben Offensivkraft auch einiges an Schalk benötigt, um das 3:1 zu erzielen. Er lädt kurzerhand seinen St. Galler Gegenspieler Besle zum Doppelpass ein, der den Ball aber gleich selber an Herzog vorbei einschiesst. Unerklärlich ist für uns, weshalb sich der FSCG-Goalie beim Schiri so sehr über das Tor beschwert. Zählen Eigentore im osteuropäischen Fussball etwa nicht?
Nach dem Spiel lässt sich die siegreiche Thuner Mannschaft feiern - und auch zwei St. Galler Spieler. Die haben wohl dringend mal wieder etwas Aufmerkamkeit nötig. Anders ist nicht zu erklären, dass sie gleich dreimal vor der Thuner Kurve vorbeijoggen, ehe überhaupt die Thuner Mannschaft den Applaus abholen kommt.
Unschön dann noch gewisse Szenen am Bahnhof, als einem Thuner Grüppchen Fahne und Schal geklaut werden - ergänzt durch einen Schlag ins Gesicht. Die St. Galler machen sich dann auf und davon in den Extrazug, wobei auch bei dem noch bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof das erste Mal die Notbremse gezogen wird. Vielleicht würde es auch den Ostschweizer gut tun, statt Gewaltfantasien auszuleben einfach mal etwas mehr zu lesen. Es muss ja nicht gleich ein Michael SIEGfried-Interview sein.