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Lausanne - Thun 1:3
08.05.2014Super League 2013/2014


Europa ruft. Und wir Thuner gehen hin – mit einem kleinen Umweg über Lausanne. Dort herrscht jedenfalls schon eine Atmosphäre, wie sie gewöhnlich in der ersten Europacuprunde im Hochsommer anzutreffen ist. Die heimische Bevölkerung – wenn sie denn nicht verreist ist – hat alles andere im Kopf als Fussball. Man muss arbeiten. Oder man will das Wochenende vorfeiern. Aber man geht nicht unbedingt ins Fussballstadion. Jedenfalls nicht, wenns fürs heimische Team nichts mehr zu gewinnen gibt. Zumal zeitgleich ein paar Kilometer weiter westwärts eine weitaus wichtigere Partie stattfindet: Das WM-Quali-Spiel Schweiz-Island. 1350 Zuschauer sehen sich den Match im Stade Colovray in Nyon an. Das ist Frauenfussball. Und Frauenfussball übertrumpft heute Männerfussball. Gerade mal 1050 Zuschauer versammeln sich in der Pontaise. Was die Angst, dass Vaduz den Zuschauerschnitt in der NLA runterziehen wird, doch ziemlich relativiert. Wobei man zugeben muss: Lausanne knackt die 1000er-Zuschauermarke immerhin selber, Thunfans sind nämlich keine 50 vor Ort. Überhaupt sind Zuschauer heute so gefragt, dass sich im Thuner Sektor zwei Zivilpolizisten prominent platzieren. Als ob es bei Spielen zwischen Lausanne und Thun polizeiliche Überwachung brauchen würde. Jedenfalls nicht mal als an einer durchschnittlichen Hochzeitsfeier im Aaretal.
Eher schlecht vorbereitet aufs Spiel hat sich Faivre. Er hat im Training eine dicke Lippe riskiert – wortwörtlich. Wegen einer Lippenverletzung(!), die er sich bei einem Zusammenprall im Training geholt hat, muss er gleich für beide Spiele diese Woche forfait erklären. Ideal vorbereitet hat sich dagegen Siegfried. Er hat im Aebikurveforum nachgelesen, wie hoch er in der Beliebtheitsskala der Fans steht. Auf die teils vernichtenden Urteile gibt er die einzige richtige Antwort: Er zeigt eine souveräne Partie, die ihn angesichts vieler blasser Gegenspieler – und mehreren ebenso blassen Mitspielern – zum besten Mann des Spiels macht. In der 29. Minute erzielt er das 2:1. Und in der 49. Minute erhöht er auch gleich noch auf 3:1. Es ist die erste Doublette seiner Karriere. Und ein stark wirkender Beruhigungstropfen für Fischer sowie alle selbsternannten Trainer in der Fankurve. Denn trotz einem Blitzstart – Marco Schneuwly hat schon in der 4. Minute zum 1:0 getroffen – kommt in der ersten Halbzeit einige Unruhe auf. Umso wichtiger, dass nach dem 1:1 von Ravet in der 27. Minute sogleich die Siegfried-Show einem ihrer Höhepunkte entgegen steuert.
Ebenfalls sichtlich wohl in der Pontaise fühlt sich Secku. Lange genug hat er schliesslich hier gespielt und kennt die Unebenheiten des Terrains. Als wir ihn während einem Thuner Angriff mit «Secku! Secku!»-Rufen feiern, setzt er zu einem langen Solo durch den Strafraum an. Leider landet der Ball nur im Aussennetz.
Neue Unebenheiten erhält dagegen der kleine Fussballplatz hinter dem Gästesektorzaun. Auf dieser Seite der Stadions tauchen nämlich in der zweiten Halbzeit vermummte Lausanner auf – gerüchteweiser hat sich einer sogar als Eishockeyfan verkleidet – und schmeissen vier Pyrofackeln auf den kleinen Fussballplatz. Jugend forscht. Was ansteckend wirkt. Jedenfalls hat es bald darauf auch ein Brandloch im Netz vor dem Gästesektor. Wird wohl schwierig sein, diesen Unsinn auch den Lausannern in die Schuhe schieben zu wollen.
Auf dem Platz spielt Thun das Spiel ruhig zu Ende und sichert sich die Punkte 46 bis 48, welche das Team dank dem guten Torverhältnis an Luzern vorbei auf Platz 4 katapultiert. Müssen also nur noch wir ruhig nach Hause kommen. Aber die Polizei ist gewarnt und verstärkt die Präsenz am Bahnhof. Statt 0 Polizisten, wie vor dem Match, positionieren sich nun eine Polizistin und ein Polizist auf dem Perron – geschätzte 20 Meter neben den paar wenigen Thunfans, die sich nicht bereits mit einem Car, Auto oder Car in die Deutschschweiz gerettet haben. Wie verhält sich da der durchschnittlich intelligente Fussballfan, nennen wir ihn mal blauen Globi. Entsorgt er seine leere Bierflasche einigermassen so, dass die Recyclingsregeln eingehalten werden? Oder sorgt er lieber für Scherben? Die Lösung sei hier nicht verraten, die plötzlich vier statt zwei Polizisten um ihn herum zeigen sich aber sehr interessiert zu erfahren, wie der blaue Globi allgemein zu Recyling und Littering steht.
Dabei würde es doch viel weniger brauchen, um als zugreisender Fans Ultrapunkte zu sammeln. Es genügt nämlich schon, zu sechst in einem normalen Regelzug (2. Klasse, oberes Zugabteil, KEIN Familienwagen) in Zimmerlautstärke den Match Revue passieren zu lassen. «Du hast eine laute Stimme. Kannst du nicht etwas ruhiger sein, mein Kind kann nicht einschlafen.» Das notabene um 22.20 Uhr. Hm… ich habe irgendwie schon den Faden verloren, als mich der übervorsorgliche Familienvater gedutzt hat. Muss ich mir das bieten lassen, wenn ich doch gemäss den Fachhochschülern in unseren Reihen als Fast-Rentner gelte. Wenn ich übrigens am Freitagmorgen wieder im Zug sitzen werde, gehe ich dann selber mal zu einem Familienvater hin: «Dein Kind hat eine laute Stimme. Kann es nicht etwas ruhiger sein, ich kann nicht einschlafen.» In diesem Sinne: Gute Nacht, egal um welche Uhrzeit Ihr diesen Spielbericht nun gelesen habt. Pssssssst, Europa.