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FCZ - Thun 0:0 n.V.; 4:3 n.P.
26.03.2014Schweizer Cup 2013/2014


Damit an einem Arbeitsplatz in Zürich Fussball-Small-Talk in Gang kommt, muss schon ein ordentlicher Event anstehen. Ein WM-Finale zwischen Barcelona und Brasilien wäre wohl so ein Fall. Oder eine Finalissima mit mindestens zwei Stadtzürcher Klubs. Das Cuphalbfinale zählt aber interessanterweise auch zu den seltenen Anlässen, an denen sich der Durchschnittszürcher für Fussball interessiert. Meine Arbeitskollegin ist jedenfalls sofort für eine Fussballdiskussion zu haben, als ich zu ihr sage: «Kann ich mal den Blick haben, um zu sehen, ob sich ein Matchbesuch überhaupt lohnt?» Ich bin interessiert an der Matchvorschau, doch das Blättern übernimmt sie. Zielstrebig steuert sie Blick-Seite 25 an. Dort schreibt die diplomierte Fussballexpertin Pascale Portmann: «Für einen ambitionierten Plan brauchen Sie eine leistungsstarke Mannschaft. Mit stichhaltigen Argumenten können Sie sich ein Dreamteam an Bord holen.» Wie bitte!? Ach ja, wie Fussballkennerinnen nun mal so sind, sind wir auf der Horoskopseite gelandet. Wobei mich irritiert, dass es bei jedem Sternzeichen sowohl eine «Top»-, wie eine «Flop»-Variante gibt. Scharlatane sind auch nicht mehr so selbstbewusst wie einst in den Asterix-Bänden. So nehme ich halt den Blick unter den Arm und lese später im Tram zum Letzigrund die Flop-Variante: «Was Sie sich in den Kopf gesetzt haben, gelingt meistens. Treibt Sie der Ehrgeiz zu sehr an, landen Sie aber auf der Nase.» Ach deshalb kam es einst in St. Gallen zum Zusammenstoss zwischen dem Plakatständer und mir.
Stunden später – ich habe im Letzigrund-Quartier erst noch fein zu Abend gegessen – diskutieren wir vor dem Eingang über die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Schnaps. Wie fein ist Berentzen Korner? Und wie spricht sich der Produktionsort Haselünne eigentlich aus? «Wie das Pharrell Williams-Lied», meint die mit sämtlichen denkbaren FC Thun-Utensilien ausgestattete Vanessa. Sie ist extra für dieses Spiel aus dem fernen Niedersachsen angereist – und auch noch ein wenig, weil sie sich für Schweizer Bierbrauer interessiert. Ihre Anreise war gediegen – ein paar hundert Kilometer war sie gemeinsam mit Werder-Fans unterwegs, die sich in Freiburg in ihr Schicksal (eine 1:3-Niederlage) begeben wollten. Wir sind dagegen optimistisch, dass der Fussballabend von uns 400 Thunfans erfolgreich ausgehen wird. Wir haben doch eine leistungsstarke Mannschaft, oder?
Vor allem haben wir leistungsstarke Fans. Was die eins an Puste in die roten und weissen Kondom-Ballone investieren. Und in die lauten Fangesänge. Überhaupt eine sehr gelungene Choreo. Und sicher kreativer als die Aktionen der Südkurve. Bei allem Verständnis dafür, dass zu so einer späten Anspielzeit Feuerwerkeinlagen sehr wohl passen (in meinem Alter ist man ansonsten eigentlich nur noch am Silvester an Outdoor-Veranstaltungen mit dabei, die bis Mitternacht dauern), stellt sich bei der vierten oder fünften Pyroshow langsam ein Sättigungseffekt ein. Und eines nimmt mich dann schon Wunder: Was sind das für Jackass-Typen, die vom ständigen Böllerzünden in der Südkurve nie genug kriegen können?
Für das sympathischere Feuerwerk sorgen die Spieler auf dem Platz. Gleich in den Startminuten haben beide Teams je eine hochkarätige Chance. Doch Gavranovic und Nikci vergeben beide aus fast identischen Positionen im Strafraum. Wird das heute etwa der Abend der beiden Goalies, von Da Costa und… nein, nicht Moser… Faivre? Das Spiel flacht anschliessend etwas ab, die beste Thunchance hat noch Wittwer. Ansonsten ist der FCZ bis zur ersten Pause stärker, weshalb wir uns mit feinem Rumpunsch etwas Mut antrinken müssen.
Es lohnt sich. Die zweite Halbzeit gehört dem FC Thun. Siegfried und Marco Schneuwly vergeben aus besten Positionen. Der Ball muss doch jetzt einfach mal rein. Für den optischen Höhepunkt der regulären Spielzeit sorgt aber ein Zürcher. Nicht etwa Chikhaoui mit seiner Grosschance, sondern ein Flitzer, der auf der Laufbahn sein Unwesen treibt und schliesslich von zwei Deltas gepäckelt wird. Weil der FC Thun nun mal einen gewissen Ruf hat (mehr dazu weiter unten), präsentieren die Deltas ihren Läbig-Pris anschliessend direkt vor unserer Kurve. Bedauernswert einzig, dass der junge Herr uns lieber mit gräulichen Boxershorts schockt, statt sich ein Beispiel an den Appenzeller Nacktschneewanderer zu nehmen. Unsere Chrige ist jedenfalls auch nicht beeindruckt, wie wir in der zweiten Pause beim Anstehen für den nächsten Rumpunsch erfahren.
Die Verlängerung beginnt. Hat Schiri Jacottet bisher erst einmal Schwalbengelb gegen Schönbächler gezeigt – und das auch erst in der 87. Minute – wird das Spiel nun gehässiger und/oder farbenfroher. Gelb gegen Lüthi. Gelb gegen Cassio. Gelb gegen Reinmann. Doch wo bleibt das Tor? Ist es in der 104. Minute etwa soweit? Schirinzi fasst sich ein Herz und knallt den Ball Richtung nahes Eck, wo Da Costa aber erneut richtig steht. Auf in die dritte Pause.
Thun spielt gut, hat auch in der zweiten Hälfte der Verlängerung die besseren Chancen. Und bekommt in der 118. Minute auch noch einen Matchpuck, als Pedro Ferreira fällt. Gelbe Karte und Freistoss an der Strafraumgrenze. Christian Schneuwly legt sich den Ball bereit und bringt ihn über die Mauer – aber dummerweise auch übers Tor. Und wir stellen uns die Frage, wie Thun es schafft, in 4 Stunden gegen GC und FCZ kein einziges Torerlebnis zu feiern. Als auch Zuffi in der 120. Minute eine Freistosschance vergibt, ist der Fall klar: Ab in die vierte Pause des Abends und ins Penaltyschiessen.
Nervenkitzel pur. Katzenjammer pur. Denn bei Thun verliert schon der erste Thuner sein Penaltyduell. Christian Schneuwly schiesst zwar gut, doch kann Da Costa den Ball an den Innenposten lenken. Es steht weiter 0:0. Doch die weiteren Schützen sind kaltblütiger: Buff 1:0. Lüthi 1:1. Chikhaoui 2:1. Zuffi 2:2. Sadiku 3:2. Marco Schneuwly 3:3. Teixeira 4:3. Schirinzi 4:4. Das entscheidende Duell lautet Pedro versus Faivre. Pedro schiesst, Faivre wählt die falsche Ecke und so verwandelt Pedro das Stadion in ein Freudenhaus.

Tonight I want to give it all to you
In the darkness
There's so much I want to do
And tonight I want to lay it at your feet
Cause girl, I was made for you
And girl, you were made for me
I was made for lovin' you baby
You were made for lovin' me
And I can't get enough of you baby
Can you get enough of me…

Ja, ja, jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa. Ist ja schon gut. Etwas Applaus fürs Team, etwas Kopfschütteln über den x-ten Böller an diesem Abend und dann raus hier. Das Cup-Abenteuer ist vorbei, suchen wir jetzt halt am Ostermontag Ostereier – oder wahlweise den Eishockeymeisterkübel. Heim geht’s im 2er. Da schon kurz vor Mitternacht ist, sind schliesslich für öV-Benutzer nur noch Übernachtungsmöglichkeiten auf Zürcher Boden realistisch. Die Stimmung im Tram ist ausgelassen. Ab und zu wird ein Lied für den FCZ angestimmt. Grundsätzlich disst man aber lieber gegnerische Fans. Auf ein minutenlanges «Scheiss Basel» folgt ein fast ebenso ausdauerndes «Scheiss GC». Und dann erinnert sich die Fanschar kurz vor dem Lindenplatz doch noch an den heutigen Gegner: «…Thuner alles Kinderschänder!» Ich setze sogleich zum Gegenfluch auf, worauf alle im Tram verstummen und auf meinen Thunschal starren. Wie stand doch da im Horoskop: «Was Sie sich in den Kopf gesetzt haben, gelingt meistens. Treibt Sie der Ehrgeiz zu sehr an, landen Sie aber auf der Nase.»