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Rapid Wien - Thun 2:1
28.11.2013Europa League 2013/2014


Dieser Spielbericht wird Ihnen präsentiert von Chrigu, dem besten Hotdog-Käufer in Wiens Osten.

Als wir am Flughafen eintreffen, landen wir gleich inmitten eines festlichen Trubels. Gemäss Plakaten wird irgendein Vizeweltmeister gross gefeiert. Wir erkennen aber keinen der jungen Männer, die in "Österreich"-Teamanzügen an uns vorbei stolzieren. Solange unsere Schweizer Sporthelden in grossen Sportarten grandios Zweiter werden (man merke sich den Namen Federer) und die Österreicher bloss in Randsportarten, ist die Sportwelt noch in Ordnung. Prost ihr Rebläuse!
Wir sind ohnehin für Fussball hier. Umso stärker fährt uns der starke Schneefall am Dienstag ein. Das Schloss Schönbrunn bei Schnellfall mag noch knapp idyllisch sein, das Ernst-Happl-Stadion wäre es dann aber definitiv nicht mehr. Doch als wir uns am Donnerstagnachmittag in der Vorzeige-Ludothek Klein Bonum versammeln, ist der Schnee aber zum Glück aus den Grossstadtgassen verschwunden. Einige von uns munkeln übrigens, dass das Klein Bonum mehr Beissl als Ludothek ist. Nur wären dann nicht schon um 4 Uhr nachmittags die Bierfässer leer. Trinken wir halt Schnapserl, Guiness und andere glückseligmachende Flüssigkeiten. Wir wollen schliesslich gut gestärkt sein, etwa hundert von uns wollen gemeinsam zum Fanmarsch aufbrechen. Ich habe mir ein wenig Proviant - nebst Schnapserl eine 1-Liter-Bierdose - eingesteckt, für Unterhaltung ist nebst dem Capo schon die Polizei besorgt. Mitten drin statt nur dabei ist unser Schlagzeuger, der nach zwei Jahren auch endlich mal wieder dabei ist. Uns sogleich mal kurz vor Ende des Marschs vorübergehend eingekesselt wird. In welchem Punkt genau die Kommunikation zwischen Fans und Polizei gescheitert ist, kriege ich nicht wirklich mit. Ich diskutiere gerade mit einem Polizisten, vor und in welchen Grünanlagen eine Pinkelpause erlaubt ist. Mir und meiner Blase ist es jedenfalls ganz recht, als er sich plötzlich um ein anderes nichtiges Fan(fehl?)verhalten kümmern will.
Vor dem Stadion wieder vereint, wird uns ein 12-seitiges "Europacup-Extra zum grossen EL-Kracher gegen den FC Thun (CH)" verteilt. Das von der Tageszeitung "Österreich" (wie viele Schnapserl hatten die Redaktoren wohl bei der Namenstaufe intus) verantwortete Blatt ist voller topseriösen Artikel wie "Herr Schneuwly schiesst kein Törli", "Ferreira sorgt für Schwung auf Aussen" oder "Hediger ist ein echter Abräumer". Für den Qualitätsvergleich mit dem FC Thun-Matchmagazin reicht das aber noch alleweil. Sorgen bereitet uns eher der Artikel "Faivre muss heute gefordert werden", der im Gegensatz zu manch anderem Geschreibsel über dieses Spiel tatsächlich auf harten Fakten zu beruht. Wie endet doch das Kurzporträt: "Dieser Schussmann ist, wie die ganze Thuner Abwehr, sicherlich nicht ganz unüberwindbar."
Dass diese alles andere als gewagte Prognose (Quote höchstens 1:1,11) schon nach einer Viertelstunde unter Beweis gestellt wird, schockt uns dann aber schon, In der 17, Minute spielt Burgstaller den Ball zu Sabitzer, der wiederum für Boyd vorlegen will - gemäss einheimischen Fussballkennern handelt es sich dabei um einen waschechten "Stanglpass" - und Faivre zwischen den Beinen erwischt. Was für ein Patzer. Auch wenn es schliesslich Boyd ist, der den Ball über die Linie schiebt: Sein Anteil am Tor ist sicher kleiner als Faivres.
Überhaupt ist Rapid heute das bessere Team, das Chancenplus der Grün-Weissen lässt sich nicht abstreiten. Was die Fans aber eher mit fragwürdigen Ritualen feiern. Da vermutlich alle Pyrofackeln mit grünem Licht ausverkauft waren, wird in der Rapid-Kurve mit einem grünen Laserpointer herumgespielt. Zumindest wir in der Gästekurve werden damit geblendet. Ob ebenfalls unsere Spieler was vom grünen Licht abbekommen, kann ich nicht beurteilen. Man bekommt allgemein nicht allzu mit im Ernst-Happl-Stadion. Die Sicht ist vom Gästesektor aus dürftig und die Akkustik bescheiden. Ein Hexenkessel ist das hier auf keinen Fall? Dafür machen sich die Rapidler in der zweiten Halbzeit trotz Führung ihres Teams noch auf ganz andere Art bemerkbar: Mit einem minutenlangen Pfeiffkonzert gegen die Thuner. Bei jeder Ballberührung unseres Teams pfeifen die Wiener konsequent. Ist das jetzt die berühmte Wiener Schmäh oder bloss ein unfreiwilliger Seelenstriptease, der offenlegt, dass man in Wien anders als in Serbien oder Albanien keinerlei Wert auf Fairness gegenüber dem Gegner legt?
Zurück zum Spielgeschehen: Rapid müsste spätestens nach 53 Minuten und dem zweiten Faivre-Patzer 2:0 führen, doch können erst Schenkel und dann auch noch Sulmoni auf der Linie retten. Stattdessen landet in der 61. Minute ein Pass von Wittwer erst bei Sadik und eine Stolperszene später im Tor. Oder wie es Österreichs auflagenstärkste Zeitung "Krone" so typisch überheblich wienerisch ausdrückt: "Den Vorwärtsgang legte Rapid erst wieder nach der Pause ein, versäumte das 2:0 - und wurde durch Thuns Joker Sagik mit dem 1:1 bestraft". Eh ja, warum nicht den Namen unserer Nummer 9 nicht mit einem G wie Gemma Bier trinken schreiben,
Thuns Freude über den Treffer hält nicht lange an, in der 64. Minute wirbeln erneut Sabitzer und Burgstaller durch den Thuner Strafraum. Vor allem sind sie wiederum schneller als Faivre. Dieses Mal erbt Boskovic den Ball, der nur noch zum 2:1 einschieben muss.
Womit die Geschichte dieses Spiels geschrieben ist. Ich mache jedenfalls keine Thunchance mehr aus. Erst aus der "Krone" erfahre ich tags darauf von einem weiteren "Sagik"-Versuch" in der 94. Minute ",,,mit einem extrem scharfen Stanglpass, doch Novota fährt mit tollem Reflex die Hand aus". Wenn doch bloss die Thunspieler etwas mehr von dieser Schnapserl-Verspieltheit der Wiener Zeitungsschreiberlinge hätten.
Wir Fans lassen uns durchs Resultat aber nicht beirren und sind nach dem Spiel noch lange Stunden in Wien unterwegs - und das nicht nur, weil es vor der U-Bahn-Station nur im Schneckentempo weiter geht. "Wer nicht hüpft, der ist ein Schweizer", wird da feucht-fröhlich angestummen. Was solls: Solange unsere Schweizer Blondinnen weiter fleissig Skirennen gewinnen und die Österreicher Sporthasis auf die Plätze verweisen, ist die Sportwelt noch in Ordnung. Prost ihr Rebläuse!

Dieser Spielbericht wird Ihnen präsentiert von Chrigu, dem besten Hotdog-Käufer in Wiens Osten.