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Thun - Partizan Belgrad 3:0
29.08.2013Europa League 2013/2014


Kürzlich am Flughafen Belgrad. Vor mir diskutiert ein Paar heftig auf Serbisch. Dann zücken sie ihre Pässe: Diese haben nicht etwa eine Krone als Titelbild, sondern ein Kreuz. Ja, man kennt sich. Wobei ein paar Minuten zuvor mein Taxifahrer noch extra betont hat: In der Schweiz hat es viele Serben. Aber im Gegensatz zu den Albanern wissen sie sich zu benehmen.
Heute am Bahnhof Thun. Kaum im Bus, rege ich mich schon über diese Zerstörungswut der Belgrader auf. Klar, wir bewegen uns auf der Bünzli-wird-hässig-Skala noch ganz weit unten, aber warum muss denn ein Bus mit hässlichen blau-weissen Klebern verunstaltet werden. Und dann erst noch von einer gspässigen Migranten-Gruppierung namens Blau-Weiss Obwalden. Das ist wieder typisch für diese… Da macht mich Löru darauf aufmerksam, dass es sich um FCL-Kleber handelt. In Thun arbeiten die Putzfrauen wohl einfach nicht so häufig – oder stehen alle auf Alex Frei. Aber dass ich dann vor dem Stadion angerempelt werde, von einem weiblichen Partizan-Hooligan oder so. Geht gar nicht. Oder sollte ich nicht so empfindlich sein, wenns angesichts von 8150 Zuschauern auf dem Vorplatz mal wirklich eng wieder? Aber dass dann diese ganze Fankurve während der Ablesen der Mannschaftsaufstellung gnandenlos pfeift ist einfach zu viel… ach halt, wir Thuner vergessen da ja kurz das Fairplay.
Erstmals in Schwitzen bringt mich dann die Choreo. Ich soll also einen weissen Plastikschal in die Höhe halten, einen roten Plastikschal ebenso und dann gleich zwei Papierschlangen nach vorne in die Menge werfen. Aber ich war doch in Rhythmischer Sportgymnastik noch nie gut. Auch wenn sich dutzende Fans gleich verkrampft anstellen, die Choreo sieht dennoch tiptop aus. Jetzt geht aber drum, den Lärmpegel hoch zu halten. Auch schon nur für jenen Schlagzeuger, der diese Saison Thun noch europäisch spielen sehen möchte. Ab Mitte November könnte er wieder dabei sein. Also dann: Freiheit für alle Schlagzeuger – europaweit!
Die Schneuwly-Brüder geben ihr Bestes für die Mission Gruppenphase und reüssieren früh. In der 15. Minute steht Marco Schneuwly bei einer Flanke von Schirinzi goldrichtig und köpfelt den Ball zu seinem Bruder Christian. Dieser muss den Ball nur noch über die Linie schieben! 1:0. Im Duell Thun – Partizan herrscht bereits Gleichstand.
Und dann brennen bei einigen Serben die Sicherungen durch. Schon kurz vor dem Tor hat sich eine 30 Mann starke Truppe neben dem Familienblock positioniert und Thunfans zu provozieren und schikanieren begonnen. Nun aber starten sie eine echt peinliche Pyroaktion, bei der sich noch von einem Dutzend zusätzlicher Deppen unterstützt werden, die einfach so entlang der Werbebanden rennen können. Pyros fliegen aufs Spielfeld. Pyros fliegen in den Familiensektor. Pyros fliegen auch in unseren Block. Am Zaun müssen die Banner verteidigt werden. Und dann rennen einige der Serben wieder in den eigentlichen Fanblock zurück, während die Hauptgruppe weiter neben den Familienblock den Max macht. Nicht wenige Thuner Fans sind verängstigt. Ideal hats jener Kumpel getroffen, der ausgerechnet heute seine Freundin das erste Mal zu einem Spiel mitgenommen hat. Entweder hat sich die einen Schrecken fürs Leben zugezogen – oder wird per sofort zum krassen Ultra. Wir Männer jedenfalls entwerfen im Stile der beiden Talbian-Touristen äussert vernünftige und nur leicht lebenswichtige Schlachtpläne, wie wir die Serben aus dem Stadion prügeln könnten. Da kommt aber schon die Polizei mit ein paar Kastenwägen vorgefahren und kesselt die serbischen Wüteriche neben dem Familiensektor ein. Dann aber passiert mal nichts. Was laute Buhrufe und Pfiffe unsererseits absetzt.
Und dann ist ja da noch das Spiel. Das war mehrere Minuten unterbrochen, wird dann aber doch wieder aufgenommen. Dabei hat Thun ein doppelt gute Ausgangslage: jedes Thuner Tor und jede Belgrader Fackelwurf könnte jetzt den Sieg bedeuten. Thun setzt auf die sportliche Karte und greift weiter beherzt an. Nur die Stimmung, die ist halt nach dem Pyrovorfall am Arsch. Manche von uns kriegen kaum mit, mit welcher Cleverness Siegfried, Zuffi, Marco und Christian Schneuwly (Lattenknaller!) zu Torchancen kommen.
Partizan kann sich glücklich schätzen, dass es nach 45 Minuten noch 1:0 steht (gleichbedeutend mit einer Verlängerung). Und die Partizan-Trolls können ihrerseits glücklich sein, dass sie sich die ganzen 45 Minuten mitansehen durften. Denn in der Pause macht die Polizei ihren Kessel richtig eng und packt sich Serben um Serben. Im 30-Sekunden-Takt werden insgesamt 44 Serben abgeführt. Als die Polizei ihre Aktion beendet hat und wieder aus dem Stadion geht, erhält sie einen tobenden Schlussapplaus.
Und es kommt noch besser: In der 49. Minute erhöht Thun auf 2:0. Ein guter Konter, endet mit einem wunderschönen Sololauf von Marco Schneuwly. Er trifft wirklich nume, wenn er wott. Dann aber mit aller Brillanz. Torhüter Stojkovic (der Geschichtsignorant mit der Nummer 88) wird richtig schwindlig dabei.
Doch auch Schiedsrichter Orsato macht seine Sache gut. In der letzten halben Stunde passt er gut auf, als die Spielweise der Serben immer ruppiger wird. Er ist sich nicht zu schade, Karten zu verteilen. Er legt aber auch die Vorteilregel jeweils besser aus als seine Schweizer Berufskollegen. So auch in der 76. Minute. Statt zum Freistoss zu pfeifen, fuchtelt Orsato wild mit den Armen. Marco Schneuwly fasst dies als wohl als Anpeitschen auf und gibt den Ball auch nicht verloren, als er schon am Boden liegt. Er schafft es, den Ball an Luca Zuffi zu übergeben. Der tänzelt regelrecht im Strafraum herum, bis er den Ball hoch ins Netz knallt. Der 88er kommt zu spät. Er hat mal wieder was Wichtiges verloren.
Die Schlussminuten sind nicht gerade ein Schaulaufen, werden doch die Thuner Beine langsam müde. Aber wirklich Angst um Thun muss man nur in einem Punkt haben: Kommen hier noch alle Spieler gesund vom Platz? In der 85. Minute wird Martinez gefoult – Gelb für Markovic. In der 87. Minute wird Sadik gefällt – Gelb für Obradovic. Und in der 90. Minute setzt Aksentijevic mit einem Nachschlagen gegen Wittwer gar noch für den sportlichen Tiefpunkt. Er sieht Rot und fliegt somit als 45. Serbe aus dem Stadion.
Gerber dagegen fliegt Stunden später woanders hin – an die Gruppenphase-Auslosung nach Monaco. Sichere uns ein paar gute Reisedestinationen, Andres! Wir sind ja nicht sehr wählerisch. Aber Serbien soll es wirklich nicht mehr sein.