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Thun - Luzern 1:1
05.05.2013Super League 2012/2013


Manchmal kommt es vor, dass man an einer Messe vom Auftritt einer Region so fasziniert wird, dass man mehr über diejenigen Menschen und ihre Kultur erfahren möchte. An der BEA&LEA 2013 mache ich diese Erfahrung. Dieser exotische Fleck Erde namens Stadt Bern – nur echt mit schwarzem Block - weckt meine Neugierde. Und so mache ich mich gleich nach dem BEA-Besuch auf den Weg in den Berner Untergrund: die Goal-Bar. Hier treffe ich noch echte Fussballkenner, denke ich jedenfalls. Auf all den Fernsehern läuft Bayern-Dortmund, die Bierkarte ist wesentlich besser als in den Stadien. Nur: Hier wird der Bundesligaknüller samt Rahmenprogramm seltsamerweise von 17.30 bis 19.30 Uhr gezeigt. Kleiner Schönheitsfehler daran: das Spiel dauert von 18.30 bis 20.20 Uhr. Mir wird erklärt, dass es einen guten Grund gibt, die zweie Bayern-Halbzeit auf keinem einzigen Bildschirm in der Bar zu zeigen. Man pflege hier ungefähr seit 1898 das seltsame Ritual, sich voller Emotionen in YB-Niederlagen hineinzusteigern. Jedem sein eigenes Hobby. Mir persönlich reicht ja schon eine halbe Stunde Anti-Fussball, um von jeder Versuchung, diesem Berner Team auch nur einen Punkt zu wünschen, geheilt zu werden. Ich verdufte also pünktlich zum (nicht gesehenen) Bayern-Schlusspfiff und kriege als Höhepunkt dieses BEA&LEA-Tags gerade noch mit, wie eine ganze Bar einen Gelb-Schwarzen Penaltytreffer bejubelt. Wie wohl die Stimmung eine Stunde und drei Gegentore später gewesen sein mag?
Als ich tagsdarauf in DIE HEINO-ARENA eintrete, beschäftigen mich immer noch zwei Fussballweisheiten vom Vorabend. Wie kann ein Team in dieser Gurkenliga einen Vorsprung so einfach Preis geben? Und was hat es eigentlich mit dem «Besoffen vor Glück»-Spruch auf sich, den ich in einem Bundesliga-Interview aufschnappt habe? Trifft das etwa auf jenen im bzw. beim Vierwaldstättersee versenkten FCB-Spieler zu, wenn er auf seinen Kontostand schaut? Wobei die Blick-Lektüre vermuten lässt, dass der Ausspruch «Verkotzt aus Besoffenheit» besser auf ihn zutreffen würde. Als wir heute Andrist jedenfalls einmal mehr in Blauweiss statt Rotweiss sehen, verstehen wir plötzlich, weshalb der Speaker gleich zweimal den Heino-Ärzte-Klassiker «Junge» anstimmt: «Und wie du wieder aussiehst… Löcher in der Nase… Und ständig dieser Lärm… Was sollen die Nachbarn sagen?»
Ja, unsere (fast) im Rüebliland lebenden Nachbarn werden heute wieder mit einer ordentlichen Portion Lärm konfrontiert. Wegen Andrist. Der wird mal wieder bei jedem Ballwechsel ausgepfiffen und beschimpft. Macht ihm scheinbar nichts aus. So foult er halt noch ein bisschen mehr. 70 Minuten lang ist er unser Liebling. Dann spielt sich Stahel in unsere Herzen – mit einer oscarwürdigen Leistung. Nach einem Zweikampf mit dem erneut wirbeligen Schneuwly wälzt sich Stahel erst theatralisch am Boden und klopft dann mit der Hand mehrmals auf den Boden. Wohl so eine Art Indianersignal, dass beim gewünschten Empfänger – Schiedsrichter Studer – denn auch Wirkung zeigt. Obwohl Thun bereits den nächsten Angriff aufbaut, wird das Spiel unterbrochen. Stahel wird länger gepflegt, als später die Nachspielzeit dauern wird (drei Minuten). Einzig für die Schlussmassage verlässt er kurz das Spielfeld – um dann topfit wie eh und je ins Spiel zurückzukehren. Buuuuuuuuuh! (BTW, Freiheit für alle Schlagzeuger).
Dagegen ist eine andere Unsportlichkeit der Luzerner geradezu harmlos. In der 64. Minute trifft sich die FCL-Elf an der Seitenlinie zum gemeinsamen Umtrunk. Diese vom Schiri nicht bewilligte Trinkpause erachten sie als angebracht, da Muntwiler soeben ein Duell gegen Reimann gewonnen und das 0:1 erzielt hat. Da darf man doch ein wenig relaxen. Zumal die FĂĽhrung nicht wirklich verdient ist - die beste Luzerner Aktion war zuvor ein Offsidetreffer gewesen.
Die Thuner sind vor und nach dem 0:1 die bessere Mannschaft. Doch zuerst ist auch auf Oberländer Seite ein Offsidetor von Ferreira das höchste aller (negativen) Gefühle. Da zu diesem Zeitpunkt schon die 86. Minute läuft, ärgert der Offsidepfiff umso mehr. Doch Thun lässt nicht locker – und nur eine Minute später macht Schneuwly alles richtig. 1:1. Wobei Schneuwly gleich mehrmals zum Fändlima rüber schaut, bevor er zu seinem Zeigfinger-Jubel ansetzt. Für Andrist ist der laute Jubel die ideale Gelegenheit, vom Platz zu schleichen und sich auswechseln zu lassen. Nicht überliefert ist, ob er die letzten Spielminuten aufmerksam vom Spielfeldrand aus verfolgt oder nicht doch eher auf seinem Smartphone nachschaut, wie heute seine eigentlichen Teamkameraden Sion besiegt haben.
Das Spiel hier endet 1:1. So sind wir denn definitiv nicht «Besoffen vor Glück», sondern höchstens ein wenig angeheitert. Nicht jedes Spiel kann halt so viel Spass machen wie ein Heino-Konzert. Und so lasst uns alle singen: «La-la-la-la-la-la-la-la la-la-la-la-la-la… Ja ja die Schönste auf der Welt…Ist meine Barbara…» Ja, auch wir Thuner haben so unsere seltsamen Rituale.