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Thun - FCB 2:2
21.04.2013Super League 2012/2013


«Wir Thuner sind gemütlich, bescheiden und vielleicht auch etwas behäbig.» So erklärt heute Gerber Andres in der SonntagsZeitung das Phänomen FC Thun. Fast scheint es so, als hätte er vor dieser Aussage Bleichgesicht Bruno durchs Stadion schlendern sehen. «Das ist kein gutes Spiel, beide Teams spielen so ideenlos», meint denn der auch zum heutigen Spiel.
Wir allerdings wollen das heutige Spiel gegen Basel zum Anlass nehmen, um zu überprüfen, ob der Thuner an sich wirklich «gemütlich, bescheiden und behäbig» ist. Herzlich willkommen zum grossen Thunfans.ch-Faktencheck.

Check Nummer 1: Ist der Thuner GEMÃœTLICH?
Die Choreo zu Spielbeginn versprüht einen gewissen volkstümlichen Charme. Statt Pyro gibt es «Fötzeli»-Rollen, die für thunerisch-brasilianische Stimmung sorgen. (BTW, Freiheit für alle Schlagzeuger.) Wenn wir den Schiedsrichter beleidigen, fallen Worte wie «Immer für Basu» oder «Luegsch o mal», gegnerische Spieler müssen dagegen schon wahre Hassgesänge wie «dr Summer isch närvös» über sich ergehen lassen. Kein Vergleich zu den einstigen «Schwule Comissetti»-Zeiten. Nur gepfiffen und gebuht wird immer wieder ganz laut. Nicht weiter verwunderlich: Schiedsrichter Pasche pfeift ziemlich baselfreundlich. Vor allem sein Entscheid, in der 27. Minute ein klares Hands von Sauro als «angeschossen» zu abzuwinken, sorgt für mächtig Ärger – und das nicht nur im Fanblock. Ferreira tobt so lange beim Fändlima, bis dieser die Gelbe Karte zückt.
Für zusätzlichen Frust sorgt halt auch, dass Thun trotz starkem Spielbeginn zu diesem Zeitpunkt bereits in Rückstand liegt. In der 25. Minute hat Faivre hintereinander erst ein Duell gegen Bobadilla gewonnen, dann aber (nach einem Abpraller) Duell Nummer 2 gegen Joo-Ho Park verloren. 0:1.
0:1 steht es auch zu Beginn der zweiten Halbzeit. Der «Probiers mal mit Gemütlichkeit»-Groove ist deshalb vor allem bei den Baslern auszumachen. Die Thuner spielen derweil beherzt nach vorne, vor allem Marco Schneuwly. Respekt, was aus ihm für eine Kampfsau geworden. Und noch überraschender: Er verstolpert praktisch keine Bälle mehr! So auch in der 60. Minute. Sommer versucht einen Flankenball wegzufausten. Schneuwly sieht sich regelrecht von Basilea-Verteidigern umzingelt, die selbst vor penaltywürdiger Härte nicht zurückschrecken. Und doch gelingt es Schneuwly, Demiri anzuspielen. Dieser schiesst denn auch aufs Tor... Für mehrere Fans wie Bruno und mich geht das zugebenermassen etwas zu schnell. Als der Ball im Netz zappelt, rätsle ich, ob er nicht doch nur das Aussennetz berührt hat. Rund um mich wird derweil getobt. Lauthals fordern Bruno und Co. einen Penalty. Derweil liegen sich die Thunspieler bereits in den Armen. Ach, tatsächlich, der Ball war drin? 1:1.
Nur gut, haben unsere Spieler eine schnellere Auffassungsgabe als wir Fans. Oder? Nun ja, zumindest Reinmann und Schindelholz könnten heute schon etwas mehr aufs Tempo drücken. Ein Graus, was sie alles für Duelle und Bälle verlieren. In der 65. Minute überlistet Stocker einmal mehr Reinmann, ehe er den Ball zu Diaz rüberschiebt. Schon wieder Tor, 1:2.
Nur gut, strebt unsere Nummer 15 heute die dritte Schneuwly-Gala in Serie an. In der 70. Minute ist es wieder soweit: Thun drückt, Schneuwly köpfelt den Ball schliesslich vor die Füsse von Luca Zuffi, der mit einem satten Schuss zum 2:2 trifft. DIE ARENA jubelt – für einmal bereits Sekundenbruchteile nach dem Tor.
Fazit: Ja, die Thunfans nehmen das Leben und die Fussballspiele überdurchschnittlich gemütlich. Aber nein, die Thunspieler sind – mit wenigen Ausnahmen – durchaus wirblige Zeitgenossen.

Check Nummer 2: Ist der Thuner BESCHEIDEN?
Nach drei Siegen in Serie könnte man es eigentlich wagen, in den letzten 20 Minuten mit aller Vehemenz Vollerfolg Nummer 4 zu suchen. Doch der Fischer und seine 11 Köder bleiben bescheiden, sie konzentrieren sich ganz darauf, den einen Punkt über die Zeit zu retten. Ein Fehler? Basel ist zwar mehrheitlich in Ballbesitz, kommt aber zu keiner wirklich gefährlichen 2:3-Chance. Fast scheint es so, als möchten sie all ihre Talente vor all den «50 Chelsea-Spähern» verstecken, die wir Publikum vermuten.
Bescheiden ist derweil auch der Speaker. Obwohl DIE ARENA in praktisch allen Sektoren gut gefüllt ist, spricht er von 5791 Zuschauern. Diese Zahl kann nur als Placebo für die Anwohner gedacht sein. Als es kürzlich in Lausanne drei Mal weniger Leute im Stadion hatte, sprach jener Speaker von 4300 Zuschauern. Ist doch nett, haben die Thuner selbst beim Zuschauerzahlverfälschen einen Tendenz zur Bescheidenheit.
Doch ob jetzt 6791 oder 5791 Zuschauer, nach 90 Minuten ist Hexenkesselstimmung angesagt. Das 2:2 wird so laut bejubelt wie ein Sieg.
Fazit: Ja, die Thunfans und die Thunspieler sind sehr bescheiden. Dem Speaker wünschen wir alle Kraft, seinen Hang zu falscher Bescheidenheit zu überwinden.

Check Nummer 3: Ist der Thuner BEHÄBIG?
Nach dem Schlusspfiff kommt der Speaker nochmals zu Wort. Man merkt dabei, dass er ein Frühaufsteher ist. Verkündet er doch, dass das nächste Spiel am Sonntag, 5. Mai gegen Luzern stattfindet - «am Abe am Vieri». Wir gehen davon aus, dass er angesichts der späten Anspielzeit Thun-Luzern als Flutlichtspiel einstuft.
Im Fanblock sprechen wir derweil über das Dafür und das Dawider, die Kampfkasse der Fly Agaric Supporters aufzulösen. Schliesslich ist es noch keine 10 Jahre her, seit der Piuzli-Fanclub inaktiv geworden ist. Und solange der letzte Tanga noch nicht verkauft ist…
Behäbig geht’s schliesslich auch am Verpflegungsstand zu und her, an dem die Fans jetzt vor allem ihre Becher abgeben möchten. Als Fan Nummer 1 an die Reihe kommt, stehen hinter ihm nur zwei weitere Fans. Er gibt seinen Becher zurück (=2 Franken für ihn), bestellt aber gleichzeitig auch noch eine Wurst (=6,50 Franken für die Kassiererin). Diese Bestellung ist nun natürlich eine grosse Herausforderung, zumal die fünf Wurst- und BierexpertInnnen am Stand jetzt (also 10 Minuten nach Abpfiff) gar nicht mehr mit Grillwünschen gerechnet haben. So beginnen drei Damen vom Grill angeregt miteinander zu diskutieren. Und sie schwatzen und schwatzen und schwatzen… Als Fan Nummer 2 Minuten später an die Reihe kommt, stehen hinter ihm 20 weitere Fans. Das Wurstproblem von Fan Nummer 1 ist derweil immer noch nicht gelöst.
Fazit: Ja, in Thun sind so ziemlich alle so ziemlich behäbig.

Alles in allem hat Gerber Res also recht. Wir Thuner sind gemütlich, bescheiden und behäbig. Gute Voraussetzung eigentlich für ein paar weitere Europacupabenteuer. Mit unserem volkstümlichen Thuner Charme sind wir doch wie gemacht für ein paar Reisen nach Albanien, Moldawien oder Kasachstan. Man sieht sich!