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St. Gallen - Thun 0:0
13.03.2013Super League 2012/2013


Globetrotter Mattäng meldet sich zurück von seinem neuesten Groundhopping-Abenteuer. Dieses Mal fühle ich mich echt wie ein Ferienprofi, hat doch die aktuelle Reise noch den Mordstrip ins albanische Hinterland getoppt. Gestartet bin ich von Zürich aus. Ist ziemlich urban dort, habe mich deshalb mit einer grau-schwarzen Kravatte getarnt, um zwischen all den Businesspeople und Baukränen nicht weiter aufzufallen. Das öV-Angebot ist top, je nach Linie gibt es einen 50-Sekunden- oder 5-Minuten-Takt. Einzig in die Grenzregionen fahren etwas weniger Fahrzeuge, doch die sind immerhin topmodern. Fahrtauglich sind sie dagegen nicht wirklich. Im Bahnhof Zürich steigen wir erst ein in den Zug und nach einer Viertelstunde wieder aus. Die Hälfte der Wagen wird abgehängt, die Passagiere, die dummerweise dort sassen, müssen im verbleibenden Zugsteil mit einem Stehplatz vorlieb nehmen. Da kommt Stimmung wie jeweils in Italien auf. Ich habe aber gerade noch mal Glück, da sich vor mir niemand getraut hat, sich neben einen grimmigen Soldaten mit Maschinengewehr zu setzen. So fahren wir mit etwa 20 Minuten Verspätung Richtung Ostschweiz und damit auch gleich in eine andere Klimazone. Dort weit drüben im Osten sind die Winter nämlich jeweils viel härter wie bei uns, beim dritten St. Gallen-Trip in Folge ist die Landschaft eingeschneit. Ich bin aber optimistisch, dass das Spiel heute durchgeführt werden kann – und das erst noch pünktlich. Wobei: Ist ja schon eigenartig, ein Fussballspiel um 18.30 Uhr anzupfeifen. Gut möglich, dass sie in der Ostschweiz bereits um Neun oder Zehn Uhr abends ins Bett gehen.
Sie scheinen in der Ostschweiz auch eine Vorliebe für lange Busfahrten zu haben. Der Bus Richtung Arena (komischerweise heisst dort das Stadion fast gleich wie in Thun) fährt dieses Mal noch einen komplizierteren Weg als früher. Dieses Mal ist sogar ein Sightseeing auf dem Firmengelände von Spar Bestandteil der Fahrt. Rund 50 Minuten vor dem Match bin ich endlich beim Stadion. Im Kassenhäuschen vor dem Gästesektor sitzt eine vielbeschäftigte Dame, bin ich doch bereits ihr zweiter Kunde an diesem Abend – ich werde zugleich auch ihr letzter sein. Die anderen Fans haben sich ihr Ticket über billigere Kanäle beschafft. Ist auch logisch: So gut gefüllt wie der Sektor ist, ist ein 5 Franken-Abendkassen-Zuschlag durchaus angebracht. Wirklich spannend finde ich dann den Zettel, der mir nebst dem Ticket in die Hand gedrückt wird: Die Teilnahmebedingungen beim Fanrückhalt. Zugfahrer wie ich müssen demnach nach Spielschluss noch 30 Minuten im Stadion verharren, Auto-und Carfahrer gar 40 Minuten lang. Immerhin stellen die Ostschweizer aber ihre Gastfreundschaft unter Beweis: Sie garantieren, dass der Verpflegungsstand bis 40 Minuten nach Spielschluss geöffnet bleibt. Daran könnten sich gewisse Stadtberner Vereine ein Beispiel nehmen.
Im Sektor sind wir dann: 4 Fans, die Eintritt bezahlt haben, 1 Fan, der als Fanverantwortlicher amtet, 4 Verpflegungsstand-Mitarbeiter, rund zehn St. Galler Sicherheitsleute in verschiedensten Funktionen plus 2 aus dem Berner Oberland angereiste Broncos-Sicherheitsfachmänner. Interessanterweise weiss aber keiner (!) der 12 Sicherheitsspezialisten, dass ein Rückhalt der Gästefans geplant ist. Nach Abwägen aller möglichen Sicherheitsprobleme wird schliesslich beschlossen, dass der 30 Minuten-Rückhalt der beiden Zugfahrer und der 40 Minuten-Rückhalt der beiden Autofahrer nicht vollzogen wird.
Das Spiel wird nicht etwa auf Kunstrasen ausgetragen, sondern auf einer feinen Schneeschicht, die indes während des Spiels immer dicker wird. Das Terrain scheint den Thunern zu behagen, sie spielen hier in der Fremde richtig guten Fussball. Besonders Ferreira und Siegfried zeigen eine tolle Partie, Schneuxty dagegen bleibt so blass, dass er im Schnee kaum zu erkennen ist. Ab und zu kommt aber selbst er zu Torchancen, was an sich noch kein Leistungsausweis ist, da bei St. Gallen sämtliche Verteidiger wegen Rot- und Gelbsperren zu fehlen scheinen.
In der ersten Halbzeit ist Thun klar stärker, in der zweiten Halbzeit liegen die Vorteile leicht bei St. Gallen. Allerdings zeigen beide Teams vorne wie hinten erhebliche Schwächen. Bezeichnend ist die Corner-Bilanz: Thun kann 11 Eckbälle (ver-)treten, St. Gallen immerhin auch 7. Daraus resultieren auf beiden Seiten je maximal zwei gute Torchancen. Entsprechend früh zeichnet sich ein 0:0 als Endergebnis ab.
So widmen wir uns vor allem dem Bier. Freund Oberländer – so nennt er sich jedenfalls jeweils im Kontakt mit den Ostschweizern – holt das Bier jeweils während das Spiel läuft und weicht so der Warteschlange während der Pause aus. Ich will den Mitarbeiterinnen am Verpflegungsstand erst etwas Geld spenden, erfahre dann aber, dass sie zum Glück nicht am Umsatz beteiligt sind, sondern im Stundenlohn bezahlt werden. So gebe nicht ich Trinkgeld, sondern der Preis der Bratwurst wird abgerundet. Oder hat das mit dem fehlenden Senf zu tun, der in der Ostschweiz aus religiösen Gründen nicht als Lebensmittel akzeptiert wird?
Die Abenteuerreise endet – wie schon damals im albanischen Hinterland – mit einem 0:0. Um nicht in den Stau zu kommen, machen sich die Autofahrer leider gleich auf den Heimweg. So sind Freund Oberländer und Globetrotter Mattäng – nebst einigen Sicherheitsleute – die beiden einzigen Fans, die noch in der Kurve stehen, als sich die Thunspieler den verdienten Applaus abholen. Doch die sind vor allem überrascht, dass überhaupt jemand den Weg in den fernen Osten auf sich genommen.